National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0043 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 43 (Grayscale High Resolution Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000274
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

;ÌI

33

Flächen auch ohne Kleinschmuck beließ, ein merkwürdiger Gegensatz zu der starken Heranziehung der Farbe in der Ausstattung der Hofwände. Es hat allerdings einen besonderen Reiz, wenn man aus den dämmerigen Räumen auf die in der Sonne funkelnde Farbenpracht der Hofwände sieht. Bei besonderen Gelegenheiten wurden Wände und Decken mit kostbaren Stoffen,, Stickereien oder Teppichen verkleidet. ein Gebrauch, der sich auch in späterer Zeit noch findet. Dazu sind zahlreiche eiserne Ringe in den Decken und den oberen Teil der Wände eingelassen. Man sieht sie auf Tafel 20.

Was dem unbekannen Meister von Gwalior vor allem anderen eigen ist, ist eine ungemein starke formenbildende Kraft. Er ist, wie der indische Architekt überhaupt, in erster Linie Plastiker, der mehr in der Masse denkt als im Raum. Gewiß arbeitet er mit einem überkommenen Schatz an Formen, wie er sich an den Tempelbauten in seiner Entwicklung ungleich besser verfolgen läßt als an den spärlich erhaltenen Wohnbauten. Die Konsole, die die Erker und Balkone, die Tschhadschas und — gegeneinandergestellt — die Türsturze tragen, mehrschichtig vorspringend und bewegt ausgeschnitten, mit hängenden Zapfen besetzt oder als Streben in Wellenform, als steigende Löwen, als Pfauen gestaltet, die verschiedenen Kapiteliformen der Säulen, Pfeiler und Pilaster, die aus Rundstäben., steigenden und fallenden Blattwellen aufgebauten Gesimse, alles das findet sich an älteren Bauten Nordindiens, insbesondere in Gudscherat und Radschputana. Aber in Gwalior wird etwas Neues, Eigenartiges daraus, etwas, das in dieser Art nie wiederkehrt. Unerschöpflich scheint die gestaltende Kraft, die den gleichen Formgedanken zu immer wieder anderem, immer wieder neuem Ausdruck bringt, immer mit der gleichen Frische. Man muß einmal daraufhin das untere Bild auf Tafel 21 betrachten oder die Front der Galerie 14 auf Tafel 19 oben, eine glt nzende Verbindung flächig gehaltener und stark plastischer Teile mit dem schweren gewellten Tschhadscha darüber, oder die schöne Front des Saales 2 (Tafel 15). Man wird dann mit dem Meister nicht zu scharf ins Gericht gehen, wenn er sich Kunststücke diner ihrer Mittel allzu-sicheren Steinmetztechnik leistet und auf der Nordseite des Hofes A steinerne durchbrochene Gardinen mit Quasten aufhängt oder einen steinernen Teppich frei über die Erkerbrüstung hängen läßt, in der Vergewaltigung des Stoffes die Grenzen überschreitend. Das Beste sind meinem Gefühl nach die wundervollen Pfeiler der Tibari in einem der kleinen Höfe des Gudschari Mahal (Tafel 24 links). Da sieht man den Bildhauer, der den Pfeiler aus dem Block herausholt, als plastisches, nicht als aufgebautes, tektonisches Gebilde.

Der Gudschari Mahal am Fuß der Burg ist. wie ich bereits andeutete, zweifellos ein Werk desselben Meisters, der den Man Mandir erbaut hat. Er ist hauptsächlich deshalb von Belang, weil er als Musterbeispiel für eine Senanaanlage gelten kann. Seinen Namen trägt er nach einer Gudschari, einer Hirtin, die Man Singh der Oberlieferung zufolge eines Tages auf der Jagd sah und zu seiner Gattin machte. Für sie soll er den Palast gebaut und eine Wasserleitung von ihrem Heimatort Rai bis zu ihm gelegt haben, was die schöne Mriganaina, die „Antilopenäugige", wie der Volksmund erzählt, zur Bedingung gemacht hatte 1). Das im Innern zum Teil stark verfallene Gebäude ist teilweise wieder hergestellt worden

und zwar so, daß die neu aufgeführten Teile nur zur Erhaltung und Sicherung des alten Bestandes dienen und als solche sofort kenntlich sind. Von außen zeigt sich der Bau vollständig geschlossen. Nur auf der Südseite durchbrechen einige kleine Fenster und ein Erker die glatte, wie beim Man Mandir durch horizontale Schmuckzonen nur wesentlich zurückhaltender belebte und durch einen Tschhadscha beschattete Wand. An den Ecken und in den Seitenmitten erheben sich Türme mit Tschhatrikuppeln über dem abschließenden Zinnenkranz (Tafel 23).

Den nahezu quadratischen Grundriß gibt Tafel 22. Mit 62 zu 68 m bedeckt er mehr als doppelt soviel Fläche als der Wohnbau des Man Mandir. Durch eine unauffällige., aus der Achse nach rechts verschobene Tür in der Südfront kommt man in eine geräumige Treppenhalle und ersteigt auf breiten Stufen die Höhe der unterkellerten Plattform, auf der der Bau sich erhebt. Ein enger Gang leitet auf einen großen rechteckigen Mittelhof,- den allseitig geschlossene Mauern mit wenigen Türen umschließen. Sie grenzen einen Ring von 12 Einzelhäusern ab, die zwischen Hof- und Außenmauer eingeschachtelt sind. Jedes enthält einen kleinen Hof, auf dem sich eine oder zwei Tibarihallen öffnen und mehrere größere und kleinere, zum Teil sehr kleine geschlossene Räume, von denen einige als Schlafgemächer in der kühlen Jahreszeit gedient haben mögen, während andere Badezimmer mit versenkten Becken sind. Die meisten dieser Häuschen haben einen eigenen Abort. Einige sind durch Türen untereinander verbunden, andere sind ausschließlich vom Mittelhof oder dem in dessen Ostflucht durch den ganzen Bau gelegten schmalen Gang aus zugänglich. Eine Ausnahme macht Hof 1, den man unmittelbar von der Treppenhalle aus betreten kann. Er hat nur zwei Tibarihallen ohne geschlossene Räume und diente wohl der Senanawache zum Aufenthalt oder war vielleicht die Küche, aus der die im Palast kasernierten Damen verpflegt wurden. Die übrigen Häuser haben zweifellos je einer Senanadame als Wohnung gedient, die beiden untereinander verbundenen Höfe 2 und 3 vielleicht einer besonders bevorzugten. Die ganze Anlage ähnelt vollständig der einer Kartause, in der auch jeder Mönch sein Häuschen mit Hof, kleiner Halle und allem Zubehör hat. Merkwürdig ist, wie in einigen der Wohnungen der Hof mit einem Zimmer oder zwei Zimmer untereinander durch kurze in der Mauerstärke liegende Gänge mit versetzten Türöffnungen verbunden sind. Es sollte wohl so der unmittelbare Durchblick durch die Tür unmöglich gemacht werden. Zwei der Häuser, 9 und 10, hatten anscheinend zwei Höfe, einen vorderen und einen hinteren. Die Trennungswände sind allerdings nur in Bodenhöhe erhalten und der ursprüngliche Zustand ist gerade hier durch glättende Erhaltungsarbeiten verunklart. Außer den unverkennbaren Abort- und Badeeinrichtungen hat sich nichts erhalten, was auf die einstige Bestimmung der Zimmer hinwiese. Wandnischen, die zum Ablegen von Gegenständen, vielleicht auch zum Aufstellen von Kultbildchen und Lampen dienten, finden sich in einer ganzen Reihe von ihnen, darunter auch ganz kleine, eigentlich nur ornamental gerahmte Löcher in einzelnen Quadern. Man kann gerade mit der Hand in sie hineinfassen, und es heißt, die schmalhändigen Bewohnerinnen hätten in ihnen ihren Schmuck vor dem Zugriff grober Männerfäuste geborgen. Nun müßten diese Männerfäuste schon sehr grob gewesen sein und außerdem besteht indischer Frauenschmuck zum Teil aus recht großen sperrigen Stücken. Ich sah diese kleinen Nischen auch in der Außenwand des Gudschari Mahal und fand sie von Vögeln und Eichhörnchen bewohnt. Sollte

1) Dic Leitung ist aufgefunden worden. Sie bestand aus Tonröhren von etwa 12 cm Durchmesser, die in einer etwa 10 cm dicken Mörtelbettung verlegt waren. Rai liegt etwa 40 m höher als der Gudschari Mahal; der Druck war mithin recht beträchtlich.