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0077 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 77 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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bauten Höfen. Im Grundriß der unteren und mittleren Geschosse ist auf symmetrische Lage der durch umlaufende ausgekragte Galerien verbundenen Räume Wert gelegt. Der Aufbau lockert sich aber nach oben hinganz unsymmetrisch in übereinander aufsteigenden Terrassenhöfen und klingt oben in einzelnen Hallen und Räumen aus. Deren Dächer sind wiederum Plattformen, auf leichten Treppen aus Steinplatten ersteigbar (Tafel 103), oder aufgewölbte Bangaldars mit gratigen Elefantenrücken, auf denen die jetzt ihrer Kalasas beraubten, aus dem in die Länge gezogenen Mahapadma entstandenen Kämme liegen wie dicke, vielfüßige Raupen (Tafel 102 oben). Den Formen fehlt die Ausgeglichenheit, die sie in den Mogulbauten besitzen. Im Gefühl, daß sie nach oben hin leichter werden müssen, hat sie der Architekt unten plump und schwer, voll derber Kraft gestaltet, die Balustersäulen z. B. durch Vierkantpfeiler ersetzt, während sie oben leicht und zierlich werden. Eines besitzt dieses Schloß wie viele andere seiner Art, etwas, das den Mogulbauten in ihrer akademischen Regelmäßigkeit abgeht, das, was wir „malerisch" nennen. Mit sicherem Gefühl für die Wirkung der Gegensätze sind reich gegliederte und geschmückte Teile, wie die Portale mit ihren fein vergitterten Arkaden und Balkonen im Obergeschoß, vor ungegliederte Wandflächen gestellt (Tafel 102). Es ist überraschend, wie wesensverwandt diese Bauten des 18. Jahrhunderts mit denen sind, die der Bildhauer auf den Reliefs der Torane von Santschi dargestellt hat (Abb. 14, 18, 19), und daß man das Malerische auch im 17. Jahrhundert empfand und seine Freude daran hatte, beweisen die Landschaftsbilder mit Städteansichten, wie sie z. B. einen Raum des Palastes in Amber schmücken.

Gärten fehlen. Höchstens steht im Hof ein alter Baum. Ob die flachen Dächer mit ihren Tschabutras, auf denen man sich abends niederließ (Tafel 105 oben), mit Topfpflanzen zu Gärtchen gemacht waren, wie man sie in städtischen Häusern, in Dschaipur z. B., bisweilen findet, kann ich nicht sagen. Eine Besonderheit zeigt das untere Bild von Tafel 103, das den Senanahof wiedergibt, eine Art von steinernem Blumenständer, auf dem aber nicht irgendeine Blume, sondern die unserem Basilikum nächst verwandte heilige Tulsipflanze (Ocymum sanctum) von den Frauen des Hauses gehegt wird. Der tschhatriartige achtbeinige Tulsi Kiara 1), neben dem ein kleiner vergitterter Kultraum für Krischna steht, ist ein Heiligtum. Im Fußboden ist östlich von ihm ein Sonnensymbol eingelassen. Die Kulthandlung wird so vollzogen, daß die betreffende Frau, nachdem sie ein Bad genommen hat, das Sonnenzeichen, dann die Tulsipflanze verehrt und darauf diese dreimal umwandelt. Blätter der Tulsi werden auch beim Kult anderer Gottheiten gebraucht. Rechts sieht man ein steinernes Bord für Wassergefäße, darunter einen

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Steintisch für Küchengeräte.

Regelmäßiger im Grundriß ist der Palast, den sich der gleiche Badan Singh bei seinem Kastell in D i g errichten ließ (Tafel 97 bis 98). Zwei hintereinanderliegende Höfe, Mardana und Senana, sind durch ein Achsenportal verbunden. Der Aufbau ist indessen genau so malerisch unregelmäßig aufgelöst wie der des Kumbherer Schlosses. Das Senana hat wie der Gudschari Mahal in Gwalior eine ganze Anzahl kleiner Höfchen, die sich aber auf den durchgehend um den großen Hof gebauten Flügeln im Obergeschoß öffnen, nach dem umlaufenden ausgekragten Gang durch Gitterwände abgeschlossen (Tafel 98).

1) Diese Bezeichnung and c.ie Beschreibung des Tulsikultes verdanke ich dem Tehsildar Dschai Krischna Das Badschal aus Bharat-pur. Unter Kiara versteht man eigentlich einen Rahmen, das Beet eines Gartens. In gewöhnlichen Häusern wird die vergottete Tulsipflanze in einen Blumentopf oder in einen tönernen Vasenscherben gepflanzt.

Die verhältnismäßig bescheidenen Schlösser dieser Art werden aber weit übertroffen von den Palästen, die sich die Herrscher der großen Radschputenstaaten im 17. und 18. Jahrhundert erbauten. Manchmal handelt es sich um Neugründungen, öfter aber werden die gesteigerten Anspriiche an Repräsentation und Wohnluxus dadurch befriedigt, daß die jüngere Generation den alten engen Palästen der Väter großartige Erweiterungsbauten anfügt. Ist so eine einheitliche Planung selbstverständlich nicht möglich. soist doch in jedem Falle Altes und Neues in einer künstlerisch einwandfreien Weise verbunden.

Ein Burgpalast alter Art ist das Schloß der Rahtorradschas von D s c h o d h p u r, das von mehreren Mauergürteln umpanzert hoch auf der vordersten Klippe eines langen Sandsteinrückens über der Stadt und der endlosen dürren Steppe des Landes Marwar lagert (Tafel 118). Der Palast selbst soll in seinen ältesten Teilen noch vom Gründer der Stadt, Rao Dschodha, um die Mitte des 15. Jahrhunderts erbaut worden sein. Dagegen sprechen indessen alle stilistischen Gründe. Er ist zum größten Teil ein Werk der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als der Rahtorstaat unter seinem Fürsten Adschit nach langen Kämpfen gegen Aurangseb seine Freiheit wiedergewonnen hatte.

Ohne Plan läßt sich die verwickelte Anlage mit ihren zahlreichen Höfen nicht verdeutlichen. Man gewinnt die Höhe der Felsplattform auf einem durch sieben Tore abgeriegelten Burgweg (Tafel 119), gelangt in den äußeren Hof, der, nach dem Aufweg offen, nur dreiseitig von drei Stockwerk hohen Fliigeln umschlossen wird (Tafel 120 links). Auf niederer Terrasse steht ein Marmorthron, den der Fürst bei öffentlichen Durbars benutzte. Stufen führen durch ein reich gerahmtes Bogentor (Tafel 120 rechts) zu einem zweiten Hof hinauf, ebenfalls dreiseitig von Bauten umschlossen, von dem eine malerische Treppe zu den Obergeschossen hinaufsteigt (Tafel 121). An diesen Hof grenzt der Durbarsaal, ein niederer hypostyler Raum mit einer von starken Pfeilern getragenen flachen Decke, in dem der Thron steht. Weitere Höfe öffnen sich dahinter, eingetieft in ein scheinbares Labyrinth von meist kleinen Räumen, zum Teil mit bemalten Wänden, einige mit Spiegelmosaik ausgekleidet. Raumkunst großen Stiles war nicht Sache der radschputischen Architekten und auch nicht das Bedürfnis seiner Bauherren, die sich anscheinend in einem so ungeheuren Kaninchenbau wohlgefühlt haben. Eine klare Vorstellung von der Plananlage konnte ich jedenfalls auch beim öfteren Durchgehen nicht gewinnen, obzwar den üppig reichen Formen zufolge der ganze Bau ziemlich einheitlich entstanden sein muß.

Die Architektur ist wesentlich verschieden von der in Bharatpur, Kumbher und Dig. Einmal erklärt sich das aus der anderen Zeit — es liegt fast ein halbes Jahrhundert dazwischen. Dann aber beruht die Bauweise im „Land der Mitte" — Marwar — auf anderer Oberlieferung als die des Dschatlandes in der Nachbarschaft von Agra. Altradschputisches Erbgut mischte sich hier mit den über die Hofkunst der Mogulresidenzen nach dem Westen herübergekommenen bengalischen und dekhanischen Elementen und neuen Formen zu einem außerordentlich schmuckfrohen Stil. Es ist die gleiche Art, wie sie die reichen Kaufmannshäuser in der Stadt unten, in Dschesulmir Adschmir und anderen Radschputenstädten charakterisiert. Kennzeichnend sind die mit langen spitzen Traufenden überhängenden Bangaldarverdachungen der Fenster und Dschharokas, welch letztere über zwei- bis dreifachen Reihen hängender Zapfen auskragen, dann die mit großen Blüten besetzten Fensterbrüstungen, das Dschaliwerk, das nicht nur die Fensteröffnungen füllt, sondern die ganze Fassade überspinnt (Tafel 124), dichtes Rankenwerk, das

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