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0074 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 74 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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Wenn man für die Baukunst der Zeit Schah Dschehans voll einem Überwiegen des persischen Elementes spricht, so sollte mati in erster Linie die Prinzipien der Planbildung im Auge haben. Persisch ist es, wenn die Grundrisse der Bauten streng von Achsen beherrscht werden, wenn die Einzelbauten nicht mehr scheinbar willkiirlich an die Hof-und Gartenmauer gestellt werden, wie das noch in Fathpur Sikri der Fall ist, sondern wenn man sie symmetrisch ordnet und sie durch den Achsengarten in unverrückbare Beziehung zu einander setzt. Freie Gruppierungen, wie mit seiner ungemein feinen Wirkung der Hof des Chas Mahal in Fathpur Sikri eine ist, gehören in der Zeit Schah Dschehans zu den Unmöglichkeiten. Wie weit der Achsenfanatismus geht, habe ich ja bereits angedeutet 1) und ebenfalls gesagt, daß das Prinzip der Planbildung sich schon in Akbars Bauten stark entwickelt zeigt. Unter Schah L)schehan setzt es sich nun mit größter Ausschließlichkeit durch.

Kann man also ein Erstarken des persischen Wesens in der Baukunst in mancher Hinsicht feststellen, so kann man doch nicht wie Smith ") sagen, „der Stil der Bauten Schah Dschehans sei im wesentlichen persisch, aber mit einer undefinierbaren Verschiedenheit des Ausdrucks", oder gar wie Fergusson, „daß keine Spur von Hindutum in Dschehangirs und Schah Dschehans Bauten zu finden sei" 1). Beim Tadsch Mahal ist persische Art wohl noch am stärksten zu spuren, und Ardschumand Banu war ja eine Perserin.

deshalb sterben die aus vielen scharf gegeneinander abgesetzten Gliedern aufgebauten Säulen und Pfeiler aus, die einfache Zwölikantform des Schaftes setzt sich durch. Weiterhin glaubt . man ein Widerstreben gegen das Plastische zu sehen. I)ie schwere Pracht der Gesimse, wie sie in Gwalior auftreten (s. Tafel 14 und 20) und z. B. in ähnlicher üppiger Profilfolge als Kuppelzwickel in der Moschee in Fathpur Sikri vorkommen 1), gibt es nicht mehr. Die Oberleitung von der Wand zur Decke geschieht durch eine glatte Hohlkehle. Die Profile, die etwa die Bogenfelder rechteckig umrahmen, die Nischen der Wände umschließen, werden außerordentlich fein. Das liegt wohl zu einem großen Teil am Baustoff. Im Marmor arbeitet man feiner und weicher als im Sandstein. Es ist aber ein ganz bestimmter Zug, der der Linie den Vorrang gibt. Die Profile sind in der Tat nur zarte Unterstreichungen der Urn rißlinie und können bezeichnenderweise ersetzt werden durch Einlagen dünner schwarzer Marmorstreifen. Rhythmischen Fluß der Linien sucht man in der Zackenbogenarkade, in der Reihung der Wandnischen, die flacher und flacher werden und schließlich auch nur mit einem dünnen eingelegten schwarzen Marmorband umrissen werden, im Rollen des haarscharfen Rankenwerks der Rahmen.

Dieser pretiöse Linienstil in der Architektur, der sehr bald seine Feinheit einbüßt, geht zusammen mit der Malerei, insbesondere der Miviaturmalerei, die ebenfalls vollkommen auf die Linie gestellt ist, und sie scheint darin den Vortritt zu haben. Man mag in der Übertragung dieses Prinzips auf die Baukunst den persischen Einfluß des Herrschers und seiner Umgebung sehen wollen wie im Ersatz des geometrischen Flächenschmucks durch naturalistisch gezeichnete Blumen, in dem sich die durch ihre selbstverfaßten Lebenserinnerungen zur Genüge bewiesene Blumenliebe Babers und seiner Nachkommen ausspricht, letzten Endes muß hinter dem allen eine bestimmte hervorragende Künstlerpersönlichkeit stehen. Wir wissen Nicht, wer Schah Dschehans Hofbaumeister war. Namen vieler werden genannt, die beim Bau des Tadsch Mahal beteiligt waren -- Havell führt sie nach den erhaltenen Quellen an —, Meister aus Kandahar, Samarkand, Bagdad, Schiras, Syrien und Rum sowohl wie Inder aus dem

endschab, aus Delhi, Agra, Kanaudsch 2). Einer muß der schöpferische Geist gewesen sein, ein Künstler, dem auch der Geist der Renaissance nicht ganz fremd gewesen sein kann, von der man zweifellos um 1600 in Indien wie in Konstantinopel mindestens soviel wußte wie das damalige Europa von der Kunst des Ostens. Das Streben nach dem Ausgeglichenen, Harmonischen, nach dem „von keinem zuviel, von keinem zuwenig", das ein Alberti predigt, muß auch ihn beherrscht haben, wie es die Architekten der Osmanen in gleicher Zeit beseelte. Indisch ist das nicht. Aber indisches Wesen muß ihm auch wieder bis in seine

letzten Fasern vertraut gewesen sein, so daß er doch wohl ein geborener Inder war, vielleicht der Ustad Isa, der den

einen zufolge aus Schiras in Persien eingewandert war, nach anderen Quellen aber aus Agra stammte und der „in seiner Zeit im Entwerfen der beste war".

In Schalt Dschehans Adern floß Radschputenblut, und die Kunst seines Zeitalters ist so gut indisch, wie die Nachfahren .Timurs Inder geworden waren. Sie steht mit dem Wesen des Mogulhofes und seiner unerhörten aber bis zum letzten verfeinerten Üppigkeit, dem femininen Einschlag, der sich durch die herrschende Stellung einer Nur Dschehan und Ardschumand Bann kundgibt, in vollkommenem Einklang. Es ist ein höfischer Stil, wie etwa der französische unter Ludwig XV., geworden und geschaffen für eine höfische Gesellschaft und einen fürstlichen Bauherrn von Gottes Gnaden, der in diesem Falle zweifellos eine ausgesprochene persönliche Geschmacksrichtung in die Wagschale warf. Wenn man auch die Herkunft all der verschiedenen Elemente kennt, die diesen Stil äußerlich kennzeichnen, sein Wesen wird erst verständlich, wenn man das Wesen der Menschen, für die er entstand, in Rechnung stellt. Nahezu alle Formen, die ihn charakterisieren, sind ja schon vorher da, die meisten in Akbars Bauten vertreten. Sie werden nur ausgewählt und erhalten ausschließliche Geltung, während andere zurückgedrängt werden. Diese Auslese geschieht nun aber nach bestimmten Gesichtspunkten. Dazu gehört eine ausgesprochene Abneigung gegen das Sichtbarmachen des Konstruktiven — deshalb der Verzicht auf den Architrav, auf die holzmäßig gefügten Konsole der Tschhadschas, deshalb die einseitige Bevorzugung eines Bogens, der so uritektonisch wie möglich ist. Es zeigt sich eine Vorliebe für weich umrissene und doch einfache, einheitliche Formen:

  1. Vgl. Havell, Indian architecture Pl. LXiX.

  2. A. a. O. S. 33 ff.

I) S. oben S. 40, 53 und 57.

  1. Smith, V. A. History of fine arts in India and Ceylon. S. 412.

  2. Fergusson, Hist. ind. Arch. S. 288. Gegen diesen Ausspruch wendet sich Flayed, Indian architecture S. 2.