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0099 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 99 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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sonders geschmückt werden soll, verlangen auch die Silpa Sastra ') und so verdichtet sich an ihr die ganze Zierlust des Steinnetzen und Schnitzers.

Die Tempelbaukunst G u d s c h e r a t s unterscheidet sich im Mittelalter kaum von der radschputischen, und daß man auch im Palastbau gleiche Wege ging, scheinen Akbars Bauten darzulegen, in denen gudscheratische und radschputische Formen nebeneinander auftreten. Das heutige gudscheratische Wohnhaus unterscheidet sich aber in Anlage, Bauweise und formaler Gestaltung sehr stark vom radschputischen, das wir allerdings auch erst aus den Jahrhunderten nach der Gründung des Mogulreiches kennen. Es geht jedoch auch mit der altgudscheratischen Architektur nicht zusammen, wie sie sich in Surat, Dholka, Cambay und Ahmedabad mit großer Selbständigkeit auch unter dem Islam behauptet hat. Die Mogulzeit hat nicht viel eingewirkt. Sie zeigt sich in einigen Palastbauten Ahmedabads, wie dem Schai Bang, der sich mit seiner Tibarifront in Formen hält, die der Zeit Dschehangirs nahe stehen (Tafel 152 oben), aber wesentlich jünger sein dürfte, und dem Palast des Asam Chan, der als Vizekönig unter Schah Dschehan regierte (1635-42). Mit seinen konventionellen, sehr persischen Formen steht er neben dem kolossalen Festungstor der von Ahmed Schah im Anfang des 15. Jahrhunderts erbauten Citadelle des Bhadr ebenso als Fremdkörper in Ahmedabad wie etwa ein klassizistisches Regierungsgebäude zwischen den Fachwerkhäusern einer alten deutschen Stadt.

Die Häuser in Ahmedabad sind — wie in Gudscherat überhaupt — durchweg Fachwerkbauten oder geben sich zum mindesten als solche durch ihre Straßenfronten, wenn, wie das neuerdings meist geschieht, die rückwärts liegenden Mauern aus Ersparnisgründen in Ziegeln aufgeführt sind, da gutes Bauholz seltener und teurer geworden ist als ehedem. Einzelheiten der Fachwerkkonstruktion geben die Tafeln 147-149. Kennzeichnend ist das Fehlen von Dreiecksverbänden. Die Wände bestehen nur aus ziemlich eng gestellten Pfosten, die durch kurze Riegel verbunden sind. I.Da die verwendeten Hölzer — in älteren Bauten wenigstens — sehr stark sind, schrumpfen die mit Ziegeln ausgesetzten und oft farbig verputzten und bemalten Ge-fache zusammen, und das Holzwerk bestimmt völlig das Aussehen der Wand. Die Geschosse kragen übereinander nach der Straße vor, ähnlich wie wir es von unseren alten Fachwerkbauten kennen. Die Auskragung wird durch Büge gestützt, das in der Regel weiter ausgekragte erste Obergeschoß außerdem durch Säulen, so daß vor den Häusern Straßenlauben entstehen. Auch zu den Kragkonstruktionen wird außerordentlich viel Holz verwendet. Bei älteren Häusern sind die Holzteile, wie Säulen, Bilge, Schwellen, Rähme, vor allem auch die Türrahmen, außerordentlich üppig geschnitzt, und zwar in Formen, die mit denen der gleichfalls aus dem Holzbau erwachsenen Steinformenwelt der mittelalterlichen gudscheratischen Tempel und Moscheen nicht das mindeste zu tun zu haben scheinen. Hin und wieder erkennt man eines der alten Elemente wieder, sieht auch abendländische Formen wie kannelierte Säulen mit korinthischen Kapitellen. Aber im übrigen ist die krause Phantastik dieses gudscheratischen Holzschnitzerstils durchaus eigenartig. Die Tafeln 149 und 151 geben dafür Belege. Insbesondere sind es die Büge — Ghollo —, denen der Schnitzer immer wieder neue Formen zu geben weiß, wie ja gerade dieses Stück auch in unserem alten Fachwerkbau außerordentlich wandelbar ist. Persisch-islamische Elemente spielen sozusagen gar keine Rolle. Hölzerne Fenstergitter in islamischen Polygonalmustern,

gebaut und welche als Höfe liegen geblieben sind. Diese Aufbauten sind zum Teil in jüngster Zeit ausgeführt, aber an Stelle der älteren, die verfallen waren. Grobe vierkantige Pfeiler ersetzten dabei zum Teil die zierlichen Balustersäulen und Wellblech die Steinplatten des Tsclihadscha.

I)ie Architektur der Höfe ist aus den Bildern der Tafel 128 und dem Schnitt zu ersehen. lm Hof A sind die Fronten streng symmetrisch aufgebaut, und zwar mit starker Betonung der Mittei durch die Portale und die über ihnen ausgekragten Dschharokas. Es sind genau genommen Außenfronten. Nach den Senanahöfen hin öffnet sich das Obergeschoß in Tibaris. Ihre gekuppelten Balustersäulen, die die Zackenbogen tragen, die- doppelt geschwungenen Konsole der 'I'schhadschas und Galerien entsprechen dem, was allerorts im Radschputana in dieser Zeit üblich ist.

Die Wandgliederung der Innenräume: Sockel, durch ein Gesims abgeschlossen, zwei Zonen Wandnischen darüber und die Hohlkelle, auf der die flache Steindecke ruht, kehrt gleichfalls immer wieder. Manche Zimmer haben schöne Türen. Die Flügel bestehen aus einem engmaschigen Rahmenwerk rechtwinklig gekreuzter Leisten, die quadratische Felder bilden. Gegen ein oder zwischen zwei solcher Gitter, die durch Schnitzerei in geistreicher Weise oft so behandelt werden, daß dem Betrachter die struktive Grundlage gar nicht mehr zum Bewußtsein kommt, sind Bretter genagelt. Die Flügel sind also nicht auf Rahmen und Füllung gearbeitet. Die Nagelköpfe sind geschickt als betonende Punkte des Musters benutzt. Als Beispiele solcher gerade in Radschputana häufigen Türen bringt Tafel 132 rechts eine Haustur, wie ich sie ganz üihnlich in Delhi, Adschmir und Bharatpur sah. Das rechte Bild der Tafel 133 gibt eine überaus feine Zimmertür aus dem oben beschriebenen Palast in Kumbher wieder'). Übrigens sind Zimmertüren nur ausnahmsweise durch Flügel verschließbar und in der Regel nur mit Vorhängen versehen, starken, doppelt übereinander genähten Bahnen farbig gestreifter Baumwollstoffe, die durch eingenähte Querstäbe versteift werden.

Das Haus des Rao Bahadur Seth Sobhagmall gilt mit Recht als Beispiel guter neuzeitlicher indischer Baukunst. Die Südfront mit dem schönen Portal und der nicht eben wertvollen aber typischen Bemalung des unteren geschlossenen Teils mit Elefanten, Reitern, Soldaten, Pferden, die auf beiden Seiten auf die Tür zu marschieren, ist von Sanderson und Marshall veröffentlicht worden 1), deren Werk das Bild auf Tafel 125 entnommen ist. Einzelheiten, wie die prachtvoll gearbeiteten Dschharokas mit ihrem filigranartig fein durchbrochenen Dschaliwerk (Tafel 126 und 127), sind in vielen Bildersammlungen über indische Baukunst und Ornamentik zu finden. Es ist die gleiche Art, wie sie um die nämliche Zeit in Dschodhpur auftritt. Daß die gute technische wie geschmackliche Überlieferung noch weit bis ins 19. Jahrhundert hineinreicht und wie gesagt in Dschodhpur, Bikanir und anderen Radschputenstädten heute noch lebendig ist — allerdings ohne daß eine wesentliche Weiterentwicklung zu bemerken wäre —, bezeugen jüngere Wohnhäuser, z. 13. in Gwalior, von denen Tafel 134 bis 136 Einzelheiten, insbesondere wieder Dschharokas zeigen. Gewisse Entartungserscheinungen sind allerdings nicht zu verkennen. Wohnhausportale radschputischer Häuser, den Aufschriften der Lichtbilder zufolge aus Adschmir, sind auf Tafel 130 und 131 wiedergegeben, beide dem 19. Jahrhundert angehörend. Daß die Haustur be-

') Sanderson u. Marshall, Report on modern Indian architeture. Allahabad 1913.

1) S. oben S. 15 u. 84.