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0063 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 63 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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fehlen, ergänzen muß. Man betritt den Saal in den Mitten der drei offenen Seiten über kleine vorgelagerte Treppen. Der Hinduplan gibt einen dreiseitig umlaufenden Stufenkranz an. Die Plattform muß, seine Richtigkeit vorausgesetzt, also in zwei Absätzen aufgestiegen sein und heute wr:it dem unteren Teil im Boden stecken. Ein solcher Stuienunterbau würde in der Tat die Verhältnisse der Hallenfront günstiger gestalten, die so, wie sie heute steht, mit dem weit ausladenden Tschhadscha und dem hohen attika-

artigen Kangara etwas schwerköpfig wirkt und abendländischem Empfinden nach eines entsprechenden Sockels entbehrt.

Von der Innenwirkung der Halle, die auf die Reihung der kulissenartig hintereinandergesteilten Zackenbögen gestellt ist, gibt das untere Bild der Tafel 63 einen Begriff. Man sieht durch das Mittelschiff und erkennt die Steinbalken der Decke, die über den Kehlgesimsen der Bogen-

quadrate liegen. Rundstäbe steigen aus Blattkelchen in deren Ecken über den Kapitellen auf und rahmen die Bogenfelder. Die zwölfkantigen kräftigen Säulen stehen auf glattflächigen Pyramidenstumpfbasen, die vom Quadrat zum Rund oder Zwölfeck im Zackenbogen übergeführt sind.

Ein Blattkranz hängt von e;nem aus Kehle und Rundstäben gebildeten Abschlußglied auf die Zwickelflächen herab. Hängende Blatt- oder Blütenkränze kennzeichnen auch das Halsglied, aus dem das Kämpferkapitell mit Eckvoluten und großen dreilappigen Mittelakanthen herauswächst, das Ganze ein Gebilde, das ohne die Patenschaft der europäischen Formenwelt des 16. Jahrhunderts nicht möglich erscheint und doch bis auf ganz Weniges, wie eben die Blattformen, auf indischem Boden erwachsen sein muß.

In die geschlossene Rückwand der Halle tieft sich die Nische mit der hier im Unterschied zu Agra frei in den Raum herausgebauten weißmarmornen Thronestrade ein. Unter dem mit Edelsteineinlagen reich geschmückten Baldachin, der mit seinem gekurvten Bangaldardach auf Balustersäulen keinesfalls aus Schah Dschehans Zeit stammt, stand anfänglich der von Tavernier und Bernier beschriebene Pfauenthron, ein an Kostbarkeit ungeheuerliches Stück Juwelierarbeit, das der französische Goldschmied Austin von Bordeaux für Schah Dschehan angefertigt haben soll. Später wurde er im Diwan-i-Chas aufgestellt. Das die Rückwand der Thronnische schmückende Feld, das in Einlegearbeit naturalistisch aufgefaßte Früchte und Tiere mit dem lyraschlagendenOrpheus auf schwarzem Marmorgrund zeigt, wird indessen wohl mit Unrecht dem Franzosen zugesprochen, da es dem Stil nach nicht mehr in Schah Dschehans Zeit entstanden sein kann. Wahrscheinlich sind die Tafeln fertig aus Italien eingeführt worden.

Man muß sich den ganzen Bau wie den Diwan-i-Am in Agra mit dem feinen, polierten weißen Tschunamstuck überzogen denken, der den roten Sandstein der Säulen, Bögen und Decken in ganz dünner Schicht überdeckte, einzelne Teile mit Gold aufgehöht. Wie man sich damit nicht recht einverstanden erklären kann, so kann man sich auch schwer eine Vorstellung davon machen, wie der Hallenbau mit seinen Gehängen aus Brokaten und farbigen Seidenstoffen wirkte, die seine Linienführung stark gestört haben müssen. Die eisernen Ringe zu ihrer Befestigung sind auf Tafel 63 unter dem Tschliadscha zu erkennen').

Die den Hof umschließenden Flügel sind, wie gesagt, seit 1857 niedergelegt worden. Sie bestanden nach dem Hinduplan aus zahlreichen, meist zu zweien hinterein-

andergeschalteten Zimmern, unter denen man sich wohl Kanzleiräume und ähnliches vorzustellen hat. Man muß sich an Ibn Batutas Beschreibung von Mohammed Tughlaks Palast erinnern, der am dritten Tor, d. i. vor dem Raum für die öffentlichen Audienzen, die Hofsekretäre auf Tribünen sitzen läßt. Der gesamte Meldedienst, die Vorbereitung der an den Sultan zu richtenden Gesuche, der Rechtsfälle, die er in öffentlicher Sitzung persönlich zu entscheiden pflegte, wird hier vor sich gegangen sein. An besonderen Festtagen wurden diese Zellen nach Berniers Bericht von den einzelnen Großen des Reiches geschmückt, was aber wohl nicht bedeutet, daß sie ihnen ständig zur Verfügung standen.

Während durch die Hofmitten nach den im Norden und Süden anschließenden Palastteilen architektonisch bedeutende Tore führten, war die Verbindung zwischen dem Diwan-i-Am und dem hinter ihm liegenden, dem Eigengebrauch des Sultans vorbehaltenen Palastteil wieder so unauffällig wie möglich. Durch eine Tür, die sich anscheinend in nichts von den sich auf den Hof öffnenden Zimmertüren unterschied und die nur der Eingeweihte kannte, gelangte man aus der nordöstlichen Hofecke in eine verwickelte Toranlage, die den Namen Lal Perda — Roter Vorhang — führte, und von ihr über Nebenhöfe und abermals durch Tore in den großen Gartenhof des Dschalau Chane mit dem Diwan-i-Chas einerseits oder den hinter dem Diwan-i-Am in der Westostachse folgenden kleinen Gartenhof vor dem Rang Mahal andererseits. Eine ebenso unscheinbare Tür leitete aus der Südostecke über verschiedene Zwischenhöfe zu den Senanabaulichkeiten. Der Sultan konnte sich durch kleine bescheidene Räume und über eine enge Treppe aus der Thronnische in den hinteren Palastteil zurückziehen, dessen privater Charakter durch diese unauffälligen, leicht abzuriegelnden Verbindungen gekennzeichnet wird. Die Dinge liegen also genau wie in Agra, und wie dort, aber noch weit augenfälliger, tritt eine merkwürdige Unstimmigkeit zwischen der Plananlage und den Verbindungen der Palastteile in die Erscheinung. Wie in Agra der Diwan-i-Am und der Matschhi Bhawan mit der Thronplattform des Diwan-i-Chas auf eine große Achse gestellt sind, ohne daß eine Achsenverbindung besteht, so auch in Delhi, wo die Hauptachse durch eine ungleich großartigere Folge von Höfen und Räumen ging. In der Tat besteht oder bestand der achsiale Zusammenhang des vorderen und hinteren Palastteils gar nicht, da er nicht wahrgenommen werden konnte und niemand sich seiner bewußt wurde. Heute, wo die trennenden Hofwände und die verbindenden Tore sämtlich fehlen und man ohne weiteres vom Diwan-i-Am zum Rang Mahal gehen kann, kann man sich von den ursprünglichen Verhältnissen schwer eine Vorstellung machen, wenn man nicht den Hinduplan zu Hilfe nimmt. Es lagen beim entwerfenden Architekten zwei Forderungen im Kampf — einmal die der achsialen Symmetrie und zum zweiten die in der Art des orientalischen Herrscherlebens begründete Forderung der scharfen Trennung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Teil des Palastes. Er half sich dadurch, daß er die Symmetrie zwar durchführte, ihr aber durch Unterbinden der achsialen Durchgangsmöglichkeit den kiinstlerischen Sinn nahm, den sie nur besitzt, wenn sic am Bauwerk auch wahrgenommen werden kann.

Auf einer etwa 22 m breiten marmorgepflasterten Plattform, die sich auf der Mauerkrone am Ostrand der Burg geradlinig erstreckt, stehen in verschieden großen Abständen die noch erhaltenen Einzelbauten des Diwan-iChas und des Wohnpalastes. Die ganze Terrasse, die nur in der nördlichen Hälfte im Zusammenhang erhalten ist,

1) Diese Eisenringe finden sich überall in indischen Bauten — auch im Innern der Räume. Vgl. oben S. 33 und Taf. 20, 21, 55, 64, 71, 73. 91, 92, 100, 121.

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