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0057 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 57 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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sich noch nicht, ebensowenig das Dekhan. Merkwürdig scheint es, daß das unfern von Agra liegende Gwalior am Akbarstil sozusagen gar nicht beteiligt ist. Die Obereinstimmung des Roten Palastes in Agra und des Man Mandir in Gwalior erstreckt sich nur auf die Plananlage, auf Raumformen und allgemein indische Elemente — Tschhadscha, Kangara, Tschhatris und anderes mehr.

Es kann keine Rede davon sein. daß der Rote Palast, wie Cunningham sagt'), „eine unmittelbare Nachahmung sowohl im Plan wie im Detail des Man Mandir in Gwalior" ist. Formenwelt und Ornament sind vollständig verschieden, und es dürfte schwer halten, in Akbars Bauten Pfeilerformen, Kapitelle, Knaggen und andere charakteristische Einzelformen des Man Mandir wiederzufinden.

5. Die Paläste der Grossmoguln im 17. und 18. Jahrhundert.

Vom „Großen Mogul" begann man in Europa zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu sprechen, und bald war der Sultan des Wunderlandes Indien und sein Hof der Inbegriff unermeßlichen Reichtums und märchenhafter Pracht. Portugal war aus dem Felde geschlagen, Holländer und Engländer kämpften um das Handelsmonopol. Aber auch andere europäische Völker wollten an den Reichtümern Indiens teil haben. Die Franzosen und Dänen gründeten Handelsgesellschaften mit Niederlassungen in Indien, und um 1725 gab es auch eine Kaiserlich deutsche Ostindische Kompagnie, die in Koblon bei Madras und Banhipur am Hugh befestigte Faktoreien besaß. Europa begann auf Indien einzuwirken. Missionare gingen hinüber, von Akbars gleich ihm toleranten Sohn Dschehangir wohlwollend aufgenommen. Europäische Gesandte und Reisende kamen an den Hof des Großen Moguls, Hawkins, Roe, Finch, Fryer und andere Engländer, der Deutsche

v. Mandelslo, die Franzosen Tavernier und Bernier., die Italiener Pietro della Valle, Careri und Manucci. Sie sahen sich mit offenen Augen um, erfreuten sich zum Teil vertraulichen Umgangs mit dem Märchenkaiser, den sie auch von sehr menschlichen Seiten kennen lernten, und berichteten darüber. So ist das Indien der Großmoguln, das Indien Dschehangirs, Schah Dschehans und Aurangsebs, den Europäern bekannt geworden, das Land, dessen Herrscher im weißen Marmorschloß auf goldnem, juwelenübersäten Throne saß. Damit hat sich in Europa eine Ansicht über indische Kultur und Kunst festgesetzt, die bis vor gar nicht zu langer Zeit die herrschende war. Außer dem alten Indien, dessen Geistesleben man zu studieren begann, weil man glaubte., dort den Urquell der arischen Welt gefunden zu haben, kannte man und schätzte eigentlich nur das Indien des 17. Jahrhunderts, das Land der Paläste und Moscheen aus weißem Marmor, das Land der Großmoguln. Schah Dschehans Bauten galten als die vollendetsten Schöpfungen der indischen Architektur und an ihnen wurde Anderes gemessen. Islamische Architektur in Indien beginne erst nach der Eroberung durch die Großmoguln schön zu werden, meint noch Beglar'). Den Werken eigentlicher indischer Baukunst stand man, soweit sie in schlechten Abbildungen bekannt waren, zumeist verständnislos und ablehnend gegenüber, namentlich denen des Mittelalters. Daß die Baukunst der Mogulzeit so überschätzt wurde, hat aber noch einen anderen Grund. Es war nicht nur die Kostbarkeit des Baustoffes, der Adel des Schmuckes. Man sah Schah Dschehans Bauten durch die Brille einer auf den Anschauungen der Antike und der Renaissance beruhenden Ästhetik an und fühlte sich ihnen verwandt, weil ihre Linienführung, ihr Rhythmus, ihre Formen und ihre Ornamentik in der Tat mit dem zusammenklangen, was dem Europäer als schön in der Architektur galt.

Von Dschehangirs Palastbauten ist nicht viel erhalten. Die Ruinen seiner Schlösser in Dacca, der vor ihm an Stelle von Gaur neugegründeten Hauptstadt Bengalens,

sind mir nicht bekannt geworden. Auch den Kantsch Mahal 2) in Sikandra bei Agra, der ein Landsitz Dschehangirs gewesen sein soll, habe ich nicht gesehen, ebensowenig seinen Palast in Gwalior, von dem Cunningham einen Übersichtsplan gibt 3). Was Dschehangir auf den Burgen zu Agra und Lahor an Palästen gebaut hat, ist von Schah Dschehan, der Platz für seine eigenen Bauten brauchte, bis auf geringe Reste niedergelegt worden. Umstritten ist es, ob der Musamman Burdsch in Agra noch auf ihn zurückgeht (Tafel 55 und 56). Ein einzeln stehender zweistöckiger Pavillon westlich des Diwan-i-Am-Hofes in Agra soll der Rest eines Palastes Dschehangirs sein, den er als Kronprinz bewohnte und der nach ihm Salimgarh hieß ein Name, der an dem kleinen Bauwerk noch haftet 4).

Während Schah Dschehans langjähriger Regierung haben die Kaiserpaläste in den drei Hauptstädten des Mogulreiches im wesentllichen die Gestalt angenommen, in der sie sich bis zur Besitzergreifung durch die Engländer erhalten hatten. Seither ist vieles verschwunden, weil man das für Kasernen und Baracken benötigte Baugelände nicht anders gewinnen zu können glaubte als durch Niederlegen der alten Bauten. Mag manches, was 1857 noch stand, als Bauwerk einen geringen künstlerischen Wert besessen haben, für das Verständnis des Ganzen wären auch die nebensächlichsten Bauten nötig. So hat man z. B. in Delhi die die Thronsäle, die kaiserlichen Wohnräume und Bäder enthaltenden Bauteile stehen lassen, die sie verbindenden und die ihnen vorgelagerten Höfe umschließenden Gebäudeflügel aber weggenommen, auch da, wo man keine Baracken hingestellt hat. Heute stehen der Diwän-i-Am, der Diwan-i-Chas, der Rang Mahal und andere Bauten aus dem Zusammenhang gerissen da— aus ihrer Fassung herausgebrochene Juwelen — in einer denkbar häßlichen Umgebung. Man muß vielleicht dankbar sein, daß der englische Militärbaumeister nicht geglaubt hat, seine Baracken dem Ort anzupassen und „indisch" herausputzen zu müssen. Man kann sich aber denken, daß er sie unauffälliger und mit etwas weniger herausfordernder Nüchternheit hätte bauen können. Eine spätere Generation hat sich bemüht, das wieder gut zu machen, was die frühere gesündigt hat, und es ist aller Anerkennung wert, was auf Betreiben von Lord Curzon zur Instandsetzung und Erhaltung der Bauten getan worden ist. Man muß auch bedenken, unter welchen Verhältnissen die Engländer in den Besitz der Festungen gelangten. Krieg und Denkmalpflege sind Dinge, die einander widersprechen. Um gerecht zu sein, muß auch gesagt werden, daß der Palast in Delhi vor

1) Arch. Surv. Ind. IV S. 64.

') Arch. Surv. Ind. IV 1874 S. XII.

  1. Kantsch ist farbiger Glasfluß. Der Bau heißt nach den farbig glasierten Fliesen, mit denen er geschmückt ist.

  2. Arch. Surv. Ind. I 1871. Pl. LXXXVIII.

  3. Salim war Dschehangirs eigentlicher Name, den er als Prinz führte. Nach Havel!, Agra and the Taj 1912 ist es auch möglich, daß die Ruine nach Salim Schah Sur heißt, dem Sohne von Humajuns Gegner Scher Schah, und noch ein Rest von dessen Palast ist. Formen und Schmuckwerk stimmen mit denen des Roten Palastes iiberein.