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0071 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 71 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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letztere mit weißen und gelben Spiegelstücken in teppichartigen Mustern verkleidet sind, sind erstere — wenigstens in der großen Halle unter der schönen, mit Mukarnaszellen geschmückten Deckenkehle — unangenehm bunt und viel gröber gearbeitet. Es sind also wohl nur die Decken und "feile der Wandverkleidungen ursprünglich, während diese letzteren größtenteils während der Sikhherrschaft als Ersatz für ältere, schadhaft gewordene in roherer Technik

erneuert worden sind' ). Die Wirkung im ganzen ist indessen trotzdem stark und übertrifft bei weitern die der

Spiegelsäle unseres Barock. Zumal wenn die Spätsonne schräg auf den Hallenboden scheint und ihr warmes Licht sich in der Spiegeldecke tausendfach bricht, lösen sich Wände und Decken in spriihendem Gefunkel auf. Die ganz prachtvollen Einlegemuster der Bogenzwickel auf der Innenseite der Arkaden werden allerdings durch diesen Feuerzauber sozusagen weggebrannt.

An der Westseite des Hofes steht einzeln ein weißmarmorner Bau mit gekurvtem Bangaldardach, das Naulakha genannt, weil seine Errichtung angeblich neun Lakh, d. i. 9 X 130 000 Rupies gekostet haben soll. Der Schmuck der Sockel mit Einlegearbeiten aus Halbedelsteinen, den der Hofchronist Abd el-Hamid im Badschah Nameh in überschwenglichster Weise lobt, kommt dem der Bauten in Agra und Delhi in keiner Weise gleich.

Zum Senana Schah Dschehans gehören noch die nach Osten folgenden Höfe 3, 5 und 14. Hof 5 trägt den Namen Chil'at Chane, was besagt, daß hier vom Herrscher die die Stelle unserer Orden vertretenden Ehrenkleider verliehen wurden, augenscheinlich aber erst in der Zeit Randschit Singhs 2). An der Burgmauer steht ein dein Naulakha ähnlicher kleiner Bangaldarbau. Südlich begrenzten den Hof die Bäder, von denen nichts mehr zu sehen ist, ebensowenig von dem Wohntrakt auf der Ostseite des Hofes und den Räumen, die sich über zwei Turmvorsprüngen der Burgmauer erhoben, dem „Schwarzen" und dem „Roten Turm" — Kala und Lal Burdsch. Der Hof ist im übrigen durch englische Militärbauten entstellt. Den nächstöstlichen Hof (14) nennt der Sikhplan Tschhoti Chwabgah — Kleines Schlafhaus —, zum Unterschied vom angrenzenden Bari Chwabgah. Er ist mit seinem kleinen Vieruiigsgarten wiederhergestellt worden. Auf der Plattform am Fluß steht der kleine weiße Marmorbau, der Schah Dschehan als Wohnung diente und von dem er sich einmal zum Diwani-Chas, der, wie gesagt, im Bari Chwabgah zu suchen ist, begeben konnte, andererseits in seine Frauenhäuser, die aus den Höfen 3, 4 und 5 bestanden. Das Tschhoti Chwabgah hat auf dem Sikhplan den gleichen Grundriß wie die Baradari des Akbarpalastes in Adschmir (Tafel 26), doch stimmt das mit der Wirklichkeit nicht überein. Der kleine Bau wurde seit 1633 errichtet, in welchem Jahre Schah Dschehan seinem Statthalter Wesir Khan die Erbauung eines Ghasl Chane, d. i. eines Bades — und eines Chwabgah befahl.

Der Sikhplan verzeichnet noch eine Reihe anderer Höfe, so 12, dessen westlicher Hallenbau als Gästewohnung gedeutet werden kann. In den Zellen um Hof 7 mögen Sklaven untergebracht gewesen sein, ebenso in den Höfen 16, 17 und 18. Der Küchenhof (9) liegt südlich des Aufganges vom sogenannten Akbar-Tor, wiederum südlich davon der große Stallhof mit umlaufenden Hallen und zwei Brunnen um den Hof des Diwan-i-Am herumgreifend. An des letzteren Südwand baut sich das Gerätehaus — Toscha Chane — an, in dem Teppiche, Prunkzelte

u. dergl. für Schmuck und Ausstattung der Palasträume nötigen Dinge aufbewahrt wurden.

Große Gartenflächen wie in Delhi scheinen sich in

Lahor nicht innerhalb der Burgmauer befunden zu haben. Ein Gartenhof (6) wurde offensichtlich durch das von Aurangseb im Zusammenhang mit seiner BadschahiMoschee angelegte Akbari Darwase zum Teil verbaut, nachdem bereits Schah Dschehan seinen Vorhof 1 in ihn hineingebaut hatte. Der Hasuri Bagh, der sich zwischen die Moschee und die Burg legt und in dessen Mitte Randschit Singh aus dem von Dschehangirs Mausoleum geraubten Marmor sich eine Baradari erbaute (Tafel 172), war ursprünglich zweifellos kein Garten, sondern der große Außenhof, auf dem Truppenbesichtigungen u. dergl. stattfanden. Den gleichen Hof gab es in Agra zwischen der

Burg und dein Dschum'a Masdschid und zu eben dem

Zweck diente in Delhi der große Platz vor dem Lahorer Tor, auf dem die radschputische Ritterschaft ihre Zelte aufzuschlagen pflegte, wenn sie die Palastwache stellen mußte.

In Lahor sieht man den höfischen Stil der Zeit Schah Dschehans im Werden. Neben Dschehangirs Bauten stehen hier solche aus der Frühzeit seines Sohnes und Nachfolgers und lassen erkennen, welche Elemente hauptsächlich den Unterschied bedingen, wie sich der Ausdruck, das ganze Wesen der Architektur, der Baugesinnung ändern. Viel unvermittelter sieht man die Gegensätze zwischen der Kunst des ausgehenden 16. und der des 17. Jahrhunderts in Agra. Wer da aus dem Roten Palast Akbars in den Auguri Bagh tritt, kommt in eine völlig andere Welt. Ganz abgesehen von dem hier besonders starken Unterschied in der Planbildung und im gesamten Aufbau ist auch sonst alles und jedes anders, Linienführung, Rhythmus, Formen, Schmuck und Stimmung. Wer etwa aus dem Hof des Dresdener Schlosses über die Straße hinüber in Pöppelmanns Zwinger geht, hat vielleicht ein ähnliches Erlebnis. Man erklärt sich diesen schroffen Wandel des stilistischen Ausdrucks auf verschiedene Weise. Einmal wird das Übergewicht des persischen Wesens in den Vordergrund gestellt, das unter Akbars Nachfolgern mehr und mehr durchgedrungen sei und vom Hof unterstützt, das indische unterdrückt und beiseite geschoben habe. Anderen gilt die Bekanntschaft mit Europa und seiner Kunst als das, was diesen Umsturz herbeigeführt hat. Für beides gibt es Belege und beides spielt eine Rolle. Der Zustrom persischer Baumeister an den Hof der Großmoguln ist ebenso erwiesen wie das Auftreten abenteuernder europäischer Künstler im Indien Schah Dschehans. Dschehangirs Interesse für europäische Malerei bezeugen uns Roe und andere, wie uns die Miniaturen sagen, daß Persiens Maler von den Großmoguln und der Hofgesellschaft geschätzt waren. Und doch ist der Einfluß dieser von außen eindringenden Kräfte auf die Baukunst verhältnismäßig gering. Es läßt sich vielmehr, glaube ich, nachweisen, daß das Wesentliche, das, was die Erscheinung des Bauwerks bestimmt, indisch ist oder doch bereits seit langem in Indien heimisch geworden war.

Ins Auge fallen zunächst die anderen Formen. Die Stütze und ihre Verbindung mit der Decke spielen für das Aussehen eines indischen Gebäudes beim Vorwiegen des Hallenbaues besonders stark mit. In Akbars Bauten liegt auf den außerordentlich vielseitig gestalteten Säulen und Pfeilern über einem mehrschichtigen Sattel der Steinbalken, der Architrav, der die Decke trägt. Sieht man von ganz wenigen Ausnahmen ab, wie den Seitenhallen des Schisch Mahal in Lahor (Tafel 75), den beiden Goldenen Pavillons und dem Musamman Burdsch in Agra sowie den

') Dasselbe bemerkt auch Vogel a. a. O. Nr. 114 S. 11). 2) S. Vogel a. a. O. Nr. 119 S. 111.

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