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0073 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 73 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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von Udaipur, den um 1623 Maharana Karna für den mit seinem Vater zerfallenen Schah Dschehan, damals noch

Prinz Churrain, ausstattet, und das etwa gleichzeitig

begonnene Mausoleum des Itimad-ud-Dauleh in Agra, an dem gewöhnliches Marmormosaik und Einlegearbeit in

Marmor nebeneinander vorkommen. Aus Einzelteilen mosaikartig zusammengefügte Platten sind etwas grundsätzlich anderes, mögen auch dieselben Materialien verwendet sein. Zur Eigenschaft der Pietra dura gehört es, daß die ausgeschnittenen Teile, Ranken, Blätter und Blüten, in flache Vertiefungen des Marmorgrundes eingelassen werden, wie es bei den Florentiner Arbeiten aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Fall ist. Um größere Stücke der Einlagen an senkrechten oder überhängenden Flächen gegen ein Herausfallen zu schützen, sollen die indischen Arbeiter kupferne Fallstifte verwendet haben. Während die europäischen Pietra dura-Arbeiten durchweg Gegenstände kleineren Umfangs betreffen, werden in Indien Schah Dschehans im Gesamtmaß ungeheuerliche Flächen der Innen- und Außenwände der Bauten in dieser kostbaren Weise geschmückt, im Bad in Delhi sogar die Fußböden (s. Tafel 71). Nirgends in der Welt ist der Luxus in der schmückenden Behandlung der Wand auf eine solche Höhe getrieben worden wie in Indien in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Ungleich weniger kostbar, aber zu außerordentlich reizvollen Wirkungen fähig ist die in der Mogulzeit beliebte Technik des Spiegelmosaiks. Die erwähnten Arbeiten in den Schisch Mahals in Agra und Lahor (s. Tafel 76) erschöpfen die Möglichkeiten allerdings keineswegs. Man muß nach Udaipur oder Amber gehen, um zu sehen, was sich mit Stuck und kleinen Spiegelstückchen machen läßt (vgl. Tafel 82-85). Die Herkunft des Spiegelmosaiks ist unsicher. Abd el-Hamid aus Lahor, der sein Badschah Nameh als Zeitgenosse verfaßte, erwähnt die Halle des Schisch Mahal, die er Iwan nennt, und berichtet, sie sei mit „Aleppoglas" geschmückt. Auf Syrien als Herkunftsland des Spiegelmosaiks deutet die von Nöldeke angeführte Tatsache, daß chinesische Schriftsteller des Mittelalters von Palastbauten im Lande Ta-ts'in erzählen, deren Säulen und Wände mit Kristall bedeckt seien. Nach Hirth ist aber unter Ta-ts'in Syrien zu verstehen'). Es scheint indessen auch in Indien solche spiegelgeschmückte Gemächer, die man später allgemein Schisch Mahal nennt, schon lange vor der Mogulepoche gegeben zu haben. Im Tarich-i-Firus Schahi des Siah ed-Din Barni wird erzählt, daß Sultan Balbans Enkel Kaikobad im Spiegelzimmer seines Palastes in Kilughari ermordet wurde (1290) 2). Aus Persien kenne ich keine Spiegelmosaikarbeiten, die älter wären als die indischen; die des Palastes Tschehel Sutun in Isfahan sind erst um 1700 entstanden. Im arabischen Irak übt man die Technik heute noch und nennt das Spiegelwerk Bellur d. i. Kristall. Die schiitischen Grabmoscheen in Kerbela und Nedschef sind zum Teil im Innern über den Wandsockeln vollständig mit Spiegelmosaik bedeckt, und in Bagdad finden sich in älteren Wohnhäusern schöne Wandverkleidungen und Decken aus Bellur. Von der persisch-irakischen, die kleine ebene Spiegelstückchen flach oder in Pyramiden zu geometrischen Mustern in den Stuckgrund setzt, unterscheidet sich die indische Technik durch Verwendung convex gebogener Spiegelteile, aus denen auch größere Stücke, Vasenkörper und dergleichen geschnitten werden.

zwischen die tragenden Pfosten des Gerüstes gesetzt wird -- so in Gwalior und einer großen Reihe von Akbars Bauten in Fathpur Sikri. Doch findet sich die Orthostatenwand in vielen Bauten akbarischer und früherer Zeit. Auch die in Persien weiter entwickelte Gliederung des oberen Teiles der Wand und der als Wandteile behandelten Pfeiler durch Nischen ist schon lange in Indien üblich. Akbars Defter Chane zu Fathpur Sikri zeigt bereits die gleiche Anordnung der rechteckig gerahmten, kurvig ausgeschnittenen

Nischen in mehreren Reihen übereinander ') — hoch- und quergestellt — wie sie die Wände von Schah Dschehans Bauten kennzeichnet und weiterhin im ganzen Bereich neuzeitlicher ostislamischer Baukunst fast das einzige Auskunftsmittel für die Wandgliederung bleibt 2).

Endlich das Schmuckwerk, seine Motive und die Techniken. L)as islamische Polygonalornament, das in Akbars Zeit noch eine große Rolle spielt, in feinem Netzwerk Wände und Pfeiler iiberspinnt, in Dschehangirs Bauten aus farbigen Steinen ausgeführt oder aus weißem Marmor in den roten Sandsteingrund eingelegt die Außenfronten teppichartig belegt, tritt ganz zurück und beschränkt sich hinfort auf Fenstergitter und -Brüstungsgeländer. Auch die Arabeske spielt nur noch eine nebensächliche Rolle. An den Portalen von Akbars und Itimad-ud-Daulets Mausoleen füllt sie großmusterig in breiter Fläche die Zwickel der Torbogen. Später rückt sie mehr und mehr in zweite Linie. Am Musamrnan Burdsch in Agra kommen noch ausgedehnte Arabeskenflächen vor, so in den Bogenzwickeln (s. Tafel 55). Dann sieht man echte Arabesken gelegentlich in den Rahmen von Wandflächen auftreten, wo sie dann einem anderen Rankenwerk Platz machen, dis mit naturalistischen Blütenformen das unorganische Wachsen der Ranke aus Blatt und Blüte, das die Arabeske kennzeichnet, mehr und mehr abstreift. Flächenschmuck im Sinne der islamischen Kunst gibt es nicht mehr. Die Muster ohne Ende verschwinden — wenigstens an der Wand. Die Einzelpflanze tritt in den Vordergrund, und zwar ganz naturalistisch aufgefaßt. Aus farbigen Halbedelsteinen in den weißen Marmor eingelegt oder aufgemalt steht sie in den Wandnischen auf dem Stückchen Boden, das der Künstler nie vergißt darzustellen (Tafel 68 und 70), oder in einer Vase. Iii weichem Relief ausgeführt schmückt sie die Wandsockel (vgl. Tafel 59 und 72), die mit ihren locker, zumeist in zwei Reihen übereinander-gestellten Rosen, Iris, Lilien, Kaiserkronen, Tulpen, Narzissen und anderen Blumen in der Tat nichts anderes sind

als Darstellungen der Blumenbeete des persischen Gartens. Der Garten dringt ins Haus. Es ist aber wohl nicht der Garten unmittelbar, dem der Schmuckkünstler in Agra und Delhi seine Modelle entnimmt, sondern die Miniaturmalerei, und dieser entstammen auch die feinlinigen Rankenkanten, die die Wandfelder umziehen oder die Deckenkehlen schmücken.

Unter den Schmucktechniken tritt als die kostbarste

und edelste die Einlegearbeit aus Halbedelsteinen in Marmor in den Vordergrund. Ob sie aus Italien gekommen ist oder sich in Indien aus eigenen Vorstufen entwickelt hat, ist eine umstrittene Frage. Solange von dem von Tod erwähnten Tempel, den Kumbha Rana im Sadri-Paß erbaute und im Innern mit Mosaiken aus Karneol und Achat schmücken ließ 3), nichts Näheres bekannt ist, lassen sich in Indien echte Pietra dura-Arbeiten nicht vor das dritte Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts zurückführen. Die ältesten in dieser Art geschmückten Bauten sind der Obergeschoßrauln des Gul Mahal auf der Insel Dschag Mandir im See

  1. Havel!, Indian architecture Pl. LXXII.

  2. Saladin, Manuel d'art musulman, Fig. 318.

  3. Tod, Raiast'han I S. 289.

  1. Nöldeke, A., Das Heiligtum al-Husains zu Kerbela. Berlin 1909 S. 64.

  2. Elliot, History of India as told by its own historians vol. III S. 135. Wie das im Originaltext gebrauchte persische Wort lautet, das Elliot mit mirror chamber wiedergibt, kann ich nicht sagen.