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0091 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 91 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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geradezu verfolgen könne'). Die Dinge liegen genau wie in Nordindien. Persisch-islamisches mischt sich mit Bodenständig-indischem und verschmilzt mehr oder minder innig. Wenn die Architekten in Widschajanagar in den Palast- und Prof anbauten dem Kielbogen eine entscheidende Stellung einräumen, die Decken als Kuppeln über Rippenzwickeln wölben, so tun sie das nicht, wie Havell meint, weil diese Formen eigentlich indisch sind, sondern gerade weil sie persisch sind, weil der Bauherr, in dessen Heer muslimische Truppen dienten, der den Mohammedanern eine Moschee baute und ein Toleranzedikt erließ, ganz selbstverständlich als Kulturmensch seiner Tage sich dem Wesen seiner Nachbarn nicht verschließen konnte. In den Tempelbauten Widschajanagars sucht man diese Dinge vergebens. Da herrscht die Regel der Silpa Sastra unbedingt, die jede Form, jede Profilfolge vorschreibt. Der Architekt hätte sich schwerlich erdreisten dürfen, dem Mandapam seines Tempels statt der Reihe der altheiligen Pfeiler mit dem Bodigai-Kapitell und dem vom Kabodam beschatteten Architrav eine Kiel- oder Zackenbogenarkade als Front zu geben, wie er das auch heute noch nicht darf. Umgekehrt wäre keiner der Adil Schahi oder Kutub Schahi in Bidschapur oder Golkonda auf den Gedanken gekommen, auf seine Moschee oder sein Grab — oder auch seinen Palast — einen drawidischen Stufenhelm setzen zu lassen. Für Moschee und Grab war die Kuppel da, die der südindische Architekt allerdings in seinem Sinne gestaltete, wie er sich auch im übrigen der ihm geläufigen Formensprache bediente, wo es angängig war.

Die großartigen Bauten B i d s c h a p u r s, das seine Gegnerin um wenig mehr als ein Jahrhundert überlebte, sind in der Hauptsache Moscheen und Gräber und die mächtige, aus Granitquadern gefügte Stadtmauer. ihre in einfachen festen Formen erbauten Tore (Tafel 157) schauen viel trotziger und mannhafter drein als das gezierte Delhier Burgtor Schah Dschehans mit seinem unkriegerischen Tschhatrischmuck und seinen Zackenbogenzinnen. Von den Wohnbauten der Nachfahren des abenteuernden Osmanenprinzen Jussuf, Murads II. Sohn, der Stadt und Reich der Adil Schahi gründete, ist innerhalb der Burg noch mancherlei erhalten. Ohne Pläne läßt sich über die Gesamtheit der Anlage indessen wenig sagen. Ich greife nur einige charakteristische und gut erhaltene Bauten heraus.

Als Stufenhaus baut sich das Sat Mansil — das „Siebenstockwerkshaus" — turmartig über der Westmauer der Burg auf (Tafel 158) 2). Es steht vor der Nordwest-ecke eines großen rechteckigen Hofbaues, von dem man durch einen verdeckten Gang zu ihm hinübergehen konnte. In diesem, dessen verfallener Südflügel wegen der zahlreichen Reste von farbigen Fliesenverkleidungen den Namen Tschini Mahal oder Porzellanbau führt, ist wohl der Wohnpalast — oder ein Teil von diesem, vielleicht das Senana — zu suchen. Der malerische Stufenturm des Sat Mansil enthält in den mittleren beiden seiner fünf — nicht sieben — Stockwerke luftige Hallenräume mit Wasserbecken. Im vierten Stock treppt er sich zurück, im fünften abermals, jedesmal eine brüstungumhegte Plattform bildend. Von ihnen genoß man in frischer Luft die Aussicht fiber die in der Ebene gebreitete runde Stadt.

Zwei große Hallenbauten sind von besonderem Belang, weil sie zeigen, wie sich der südindische Architekt mit einem rein persischen Baugedanken abfand. Der eine ist der Gagan Mahal, der „Himmlische Palast", der mit der Front nach Norden nördlich des Tschini Mahal steht und von Ali Adil Schah 1561 als Audienzhalle gebaut wurde.

 

Eine Achsenbeziehung zwischen ihm und dein Wohnpalast besteht indessen nicht. Der breitrechteckige Grundriß ist zweigeteilt (Tafel 159 Mitte). Von der Rückwand treten bis zur Hälfte vier Zungenmauern vor, die in derMitte eine breite zweigesäulte Tibari oder, wie der Perser sagt, ein Talar einschließen, an den Seiten je einen schmalen Liwan. Während sich diese Teile in zwei Stockwerken übereinander wiederholen — die Treppen zum Obergeschoß führen in der Rückwand hoch —, bildet die vordere Hälfte des Baues eine große, durch beide Geschosse gehende Halle. Ihre Front öffnet sich über vier den Zungenmauern entsprechenden Pfeilern in drei Bogen. Es ist die persische Liwanfassade, die hier zugrunde liegt und als Kulisse vorgestellt ist. Das Nebeneinander der schmalen hohen Seitenjoche und des breiten Mitteljochs ist, wie auch La Roche bemerkt 1), wenig glücklich. Mit so großen einfachen Formen und Linien umzugehen war der Südinder nicht gewohnt. Hilflos klebt er allerlei unorganisches Schmuckwerk als Stuckrelief an die Flächen ; so setzt er in die Bogenwinkel eine Rosette, die von einem S-förmig gebogenen Arm getragen wird, ein Motiv, das in Bidschapur verschiedentlich wiederkehrt.

Rund um ein Jahrhundert später entstand ein verwandter Hallenbau, der Asar Mahal. Er steht außerhalb der Burg, mit der er durch eine Bogenbrücke über den Graben verbunden ist, und spiegelt seine Säulenfront in einem rechteckigen Wasserbecken (Tafel 160). Erbaut von Mohammed Adil Schah diente der Asar Mahal ursprünglich als Thron- und Gerichtshalle. Aurangseb, der Bidschapur 1686 eroberte, ließ eine Reliquie, einige Barthaare des Propheten, die im Kadam-i-Rasul aufbewahrt wurden, in das Gebäude überführen und machte es dadurch zuni Heiligtum der Asar-i-scherif, der „erhabenen Reliquien", woher es seinen heutigen Namen hat. Diesem Umstand verdankt der Asar Mahal seine gute Erhaltung, freilich auch wiederholte entstellende Instandsetzungen. Wie der Gagan Mahal ist der rechteckige Bau zweigeteilt: einem rückwärtigen zweigeschossigen Trakt legt sich eine hohe Fronthalle vor (s. Grundriß und Schnitt nach HartFergusson, Tafel 159 unten). Die flache Balkendecke der großen Halle wird aber von schlanken achtkantigen Holzsäulen getragen, die die Erscheinung der Front bestimmen. Sie stehen in verschieden großen Abständen, und zwar, wie der Grundriß zeigt, entsprechend den Quermauern, die die Räume des hinteren Teils begrenzen: wiederum ein zweisäuliges Talar in der Mitte — aber nur im Obergeschoß — das wegen seiner vergoldeten Holzdecke und Wände als „Goldene Halle" bezeichnet wird, und zwei nach der großen Halle in vergitterten Kielbogenfenstern geöffneten Nebenräumen auf jeder Seite. Dem Gagan Mahal gegenüber ist die Raumgruppe um einen hinter ihr liegenden großen Breitsaal bereichert, von dem jederseits durch vergitterte Bogen Beiräume abgetrennt sind. Die nächsten Verwandten des Asar Mahal stehen in Persien und in dem, was seine Baukunst anlangt, im späteren Mittelalter und in der Neuzeit völlig persischen Irak el-arabi. Es gibt in Indien kaum einen Profanbau, der in seinem Wesen so ausgesprochen persisch wäre, wie der Asar Mahal in Bidschapur — auch in den Einzelheiten. Die hölzernen Gitter der Fenster und Geländer, die mit ihren Stäben den Fugenschnitt von dekorativen Backsteinverbänden nachahmen, das Kleintäfelwerk der Decken (Tafel 160 links unten), die Nischenarchitektur der Wände 2) (Tafel 160 rechts unten), alles das ist persisch. Auch die schlanken, aus mehreren Stücken zusammengefügten hölzernen

           
 

') Indian architecture S. 183.

2) In der Unterschrift steht irrtümlich: Stadtmauer.

 
  1. Indische Baukunst V S. 188.

  2. Die hübsche Wandmalerei ist neueren Datums.