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0076 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 76 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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eisomilint

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Faßt man den Grundriß genauer ins Auge, so unterscheidet iiian im ?. Geschoß acht geschlossene Raumgruppen, vierteilig in den Ecken, sechsteilig in den Achsen, die durch dreijochige Bogenhallern mit dicken Pfeilern verbunden werden, und zwar sind die vier Eck- und die vier äußeren Achsenr äume größer und im Grundriß Quadrate, die Begleiträume Rechtecke. Den Achsengruppen entspricht der (ìrundril3 des Mittelturmes, der beim Planen so entstand, daß die Mauerbreiten der gegenüberliegenden Teile durchgezogen wurden. So ergab sich ein quadratischer Mittelraum, vier kleinere quadratische Eckzimmer und vier i3reiträume in den Achsen. Man sieht weiter, daß die Brückenpfeiler den Hallenpfeilern der Flügel genau entsprechen. Im nächsten Geschoß, das rnan über enge, in den Wänden hoclifiihrende Stiegen erreicht, sind nur Teile hochgefiihrt, und zwar die Eck- und Achsengruppen der Fliigel und der Turm. Die Hallen der Fliigel sind liegen geblieben und ihre Deckplattformen bilden acht Höfe, auf die sich jederseits Pfeilertibaris der Eck- und Achsengruppen auftun. Der Turmgrundriß zeigt in diesem Geschoß wieder den Mittelsaal und die Eckzimmer. während sich in den Achsen Tibaris auf die verbindenden Säulengänge öffnen und dementsprechend auch die Achsengruppen Tibaris nach dem Turm hin kehren. Es bestehen irr den Fliigeln also nur noch acht geschlossene Zimmer. Wiederum steigt man auf engen Treppen hinauf zum vierten Stockwerk und findet, daß nunmehr die Tibaris des dritten liegen geblieben sind und ihre Dächer Höfe für die allein hochgeführten und mit Kuppeln gedeckten Quadratzimmer in den Ecken und Achsen bilden (Tafel 107 oben). Viersäulige Tschhatris stehen vor den Achsentüren der mittleren vier dieser Kuppelräume nach dem Turm hin. Vorgekragte Säulengänge verbinden längs der Umfassungsmauer die von einer Brüstung umschlossenen Dachhöfchen. Der Turm umfaßt in diesem Geschoß einen großen Saal mit vier lnnenstützen. Von hier an geht er allein weiter in die Höhe, besitzt im fiinften Stockwerk einen kreuzförmigen Saal mit iiberkuppelter Mitte und flachgedeckten Kreuzarmen, in den Ecken wieder kleine quadratische Gelasse, während im sechsten und obersten Geschoß nur noch die Mitte als kuppelgedeckter Quadratraum steht, von einem Terrassenhof mit Schirmwand ringförmig umgeben.

So ist der Palast in Dattia ein echt indisches Stufenhaus, und zwar eines besonderer Art. Es zeigt geradezu

als akademisches Musterbeispiel, wie das Stufenprinzip auf ein Hofhaus angewendet werden kann. Das Stufenhaus braucht, wie man sieht, durchaus nicht nur eine Stufenpyramide zu sein, wie sie Fergusson als einzige Form für die buddhistischen Wiharas voraussetzt, oder nach der Mitte der Rückwand abgetreppt, wie der neunstöckige T schandra Mahal im Palast des Maharadscha von Dschaipur (Tafel 139 und 140), oder endlich ein nach einem Ende zurückgestufter Bau, wie der Nordfliigel von Kumbha Rauas Palast auf der Burg zu Tschitor. Hier in Dattia ist die Abstufung nach den Hofecken und Seitenmitten erfolgt, und zwar bis zur letzten Möglichkeit. d. h. bis jeweils nur noch ein Raunn übrig bleibt.

Ähnlich scheint auch der Palast in Urtschha gebaut zu sein, und wie in Dattia ist dort die Geschlossenheit des Aufbaus nach außen nur Schein, die Umfassungsmauern bilden also eine Hülle, die den sich nach oben auflösenden Stufenbau deckt 1). Der fiinfstöckige Mittelturm fehlt indessen dem Urtschhaer Schloß und ist mit seinen Brücken wohl eine nicht häufige Besonderheit des Palastes in Dattia, dessen Planbildung im ganzen aber, wie ich bereits

andeutete, der des Akbarpalastes in Adschmir nahezu gleichkommt — abgesehen von der dort ausgesprochen persischen Art der Iiofumbauung.

Havell, der das Schloß zu Dattia ziemlich allgemein beschreibt'), verlegt in die beiden überwölbten Unter-

geschosse die Repräsentationsräume, also den Durbarsaal,

in den Mittelturm die Privatgemächer des Fürsten. Ob es unter dem Hof in der Tat Räume gibt, von denen einer als

Thronsaal anzusehen wäre, konnte ich nicht in Erfahrung

bringen. Ein größerer düsterer Raum liegt über dem Osttor. In-1 allgemeinen pflegt der Durbarsaal im indischen

Fürstenschloß nicht innerhalb des Wohnpalastes zu liegen, sondern öffnet sich als Hallenraum nach einem besonderen Hof, doch gibt es auch Ausnahmen, wie im Burgpalast zu Dschodhpur. Die um den Mittelhof sich aufbauenden Obergeschosse erfüllten jedenfalls ausschließlich Wohnzwecke, und zwar bildeten die Einzelhäuser der oberen Stockwerke der Fliigel — insgesamt acht — das Senana. Damit erklären sich auch die mit heute größtenteils fehlenden Steingittern geschlossenen ausgekragten Galerien, die sich im 1., 2. und 3. Stockwerk urn den ganzen Bau herumlegen und mit den in den Achsen heraustretenden Dschharokas ein äußerst wirksames Mittel zur Gliederung der Fronten bilden. Diese Gauks, wie man sie nennt, dienten nicht dem ungesehenen Verkehr der Dienerschaft — eine häufig gehörte Erklärung —, sondern vielmehr den Senanadamen zum luftigen Aufenthalt, von dem aus sie die Aussicht genießen konnten, ohne gesehen zu werden.

Die Formen — große und kleine — tragen noch die Züge des 16. Jahrhunderts, so die zum Teil gerippten Kuppeln mit den vier in den Achsen stehenden Tschhatris, die Säulen, mit ihren durch Querschnittswechsel gegliederten Schäften, die Konsole der Tschhadschas und anderes mehr. Einige Räume sind durch reicheren Schmuck ausgezeichnet, so die Halle nach dem See, die hübsch ausgemalt ist, der Kuppelraum des Turmes im 5. Stockwerk mit einer schönen persischen Zellenkuppel und das oberste Turmgemach, dessen Kuppelfläche mit gemalten Pfauen geschmückt ist. Indessen ist es weder die gute aber nicht ungewöhnliche Behandlung der Einzelforrnen, noch die räumliche Gestaltung, die dem Schloß in Dattia seinen künstlerischen Wert gibt. Er beruht allein in der herrischen Größe des Aufbaus, wie sie kaum ein anderes Schloß in Hindustan erreicht, am wenigsten die flach gedehnten Paläste Schah Dschehans, die allerdings ganz anderen Wohnansprüchen genügen mußten.

In seiner vollkommen symmetrischen Durchgestaltung, in der sich doch wohl der Einfluß des persisch-islamischen Ideals zu erkennen gibt, hat das Schloß zu Dattia wohl wenige seinesgleichen. Mit seinem vielgeschossigen, gestuften Aufbau ist es aber ein Vertreter der eigentlich indischen Art des Palastbaus, von der es auch aus späterer Zeit noch viele Beispiele gibt. Als ein besonders schönes erwähne ich das alte Schloß zu B h a r a t p u r , das auf seinem hohen geschlossenen Unterbau selbstbewußt in die Lande schaut (Tafel 104), halb Palast, halb Burg, in seinem bewegten Umriß an einen deutschen Herrensitz des 16. Jahrhunderts erinnernd.

Ein solches Schloß, eines für viele, ist auch das des Dschatradscha Dschawahr Mall irr K u m b h e r zwischen Bharatpur und Dig, das aber wahrscheinlich bereits vom eigentlichen Griinder der Dschatdynastie, Badan Singh im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts gebaut wurde. Nach außen weniger imposant als das Bharatpurer Schloß (Tafel 101), umschließt es mit rechtwinklig aber unregelmäßig gefiihrter Mauer eine Anzahl von engen hoch um-

1) ~';;I. Havell. indian. architecture PI. XCiX,

1) a. a. U. S. 2i i I i.