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0084 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 84 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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der doppelten Steinbalkendecke insgesamt mit etwa 120 Tonnen belastet ist, also mit 120 kg auf den Quadratzentimeter, d. h. so ziemlich dem Vierfachen von dem, womit nach deutschen Vorschriften ein Sandstein dieser Art auf Druck beansprucht werden darf. Technisch ist zu bemerken, daß die sämtlichen Bögen in Dig nicht gewölbt, sondern durch Überkragung gebildet sind. Die Steinverbände sind außerordentlich sorgfältig, die Fugen haarfein. So sind die Tschhadschaplatten auf Nut und Feder aneinandergefügt, und auch sonst sieht man, daß das Verfahren vieles vom Holzbau übernommen hat. Zur Verbindung der Blöcke im Innern der Mauern sind nach indischer Weise eiserne Dübel und Klammern verwendet.

Die Architektur der I)iger Bhawans bewegt sich im allgemeinen in dem Formenkreis, der im 17. Jahrhundert sich in ganz Nordindien verbreitet, unterscheidet sich aber von der auf malerische Wirkungen ausgehenden Art der älteren Paläste in Dig und Kumbher und der schmuckfrohen Weise der jüngeren Radschputenkunst in Dschodhpur etwa. Zackenbogen, Balustersäule und Bangaldar fallen unter den Elementen, die die Diger Richtung mit der Kunst am Mogulhof verbinden, wiederum zunächst in die Augen. Der Zackenbogen tritt nicht in den manirierten Formern auf wie etwa in Udaipur, sondern ist in der feinen Kurve geführt, die er zuerst im Dekhan besitzt. Kennzeichnend ist das Belegen der Bogenlinie mit aufgerollten Ranken und die reiche Scheitelbliite, geradezu Parallelen zu unseren gotischen Krabben und Kreuzblumen. Die Balustersäulen mit blattbelegter Glockenbasis und ebensolchem Kapitell, dickem gerippten Torus und stark verjüngtem Bestäbten Schaft, der aus einem Blattkelch herauswächst, herrscht ausschließlich. Andere Stützenformen gibt es n ficht. Besonders stark entwickelt zeigt sich in Dig das akanthusartige Blatt, das auf dem Abakus der Säule aufstehend sich vor den Bogenfuß legt, oft doppelt übereinander. Es tritt stets zusammen mit der Balustersäule auf und zeigt sich in Delhi bereits an den Bhawans des Hajat Baksch und am Schah Burdsch. Den genannten Delhier Bauten gegenüber sind in Dig alle Formen saftiger und geschwellter. In einem kleinen Bhawan, der einsam an einem See unweit von Kumbher steht (Tafel 99 unten), anscheinend als Teil einer nicht vollendeten Anlage, macht sich diese kraftvolle, fast barocke Üppigkeit der Formen besonders stark geltend

(Tafel 100). Bangaldars, die den älteren Bauten der Dschatradschas das Gepräge geben, vor allem Badan

Singhs Palast in Dig selbst, wo sie in ganzen Gruppen sich

außerordentlich eindrucksvoll neben- und hintereinander aufwölben, decken nur die beiden kleinen Hallen zu Seiten

des Gopal Bhawan (Tafel 89 unten) und bilden im übrigen

die sich stets wiederholenden Verdachungen von Fenstern, 1 iiren, Dschharokas und dergleichen. Die Bhawans haben

durchgehend ebene Dächer, und zwar ist die Horizontale

als oberer Abschluß doppelt unterstrichen, da über dem Tschhadscha nicht der übliche Kangara folgt, sondern die

Dachplattform über Konsolen weit vortritt und einen

zweiten starken Schattenstreifen bildet. Das Übereinander eines Tschhadscha und einer solchen ausgekragten Galerie gibt es schon im Roten Palast in Agra (s. Tafel 44), indessen nicht in dieser unmittelbaren Aufeinanderfolge, die für die Bauten in Dig kennzeichnend ist.

Es ist indessen nicht der architektonische Eigenwert, der für die Diger Paläste stark in die Wagschale fällt, als vielmehr das große Zusammenklingen von Bauwerk, Pflanzenwuchs und Wasser. Das üppig wilde Gewächs, das ungebändigt heute den Garten füllt. durchschwärmt von Papageien, wilden Pfauen und anderem Vogelvolk (Tafel 90 und 92), muß man sich selbstverständlich wegdenken

und die tiefliegenden Pflanzflächen im Geist mit niederen Blütenstauden, Liliazeen und Rosen in regelmäßigen Feldern bepflanzt vorstellen. Am Rand, in den Ecken und vor den Terrassen stehen große Bäume. die ehedem den Übergang aus der Ebene des Gartens zum Aufstehen der Baukörper vermittelten. Die Verbindung von Garten und Bauwerken und dieser untereinander wird aber vor allem andern durch das Wasser gegeben, das als Springbrunnen in den Becken auf den Terrassen sprudelt, sich in Kaskaden vom Plattformrand herab in die langen Bahnen der Kanäle ergießt, um dort abermals in hunderten von Springbrunnen aufzusteigen. Wenn die Wasserkünste, die das auf der Südseite des Gartens angelegte und durch ein primitives Schöpfwerk gefüllte Hochbecken speist, ihre langen Reihen dünner Wasserstrahlen emport tizen lassen und die Oberfläche der Becken zu zitternder- Bewegung bringen, ist auch heute die Stimmung im Diger Garten noch der verwandt, die der Künstler seiner Schöpfung geben wollte. Auf andere Art verbinden sich Bauwerk und Wasser an den See-f ronten im Osten und Westen. Die Bauten steigen ohne Uferrand unmittelbar aus dem Wasser auf, sodaß das unterste Geschoß der Seehalle des Gopal Bhawan mit seinen Arkaden zur Hälfte untergetaucht ist (Tafel 89). Praktisch ist das sinnlos, da diese überflutete Halle nicht etwa eine Unterfahrt für Boote ist. Es ist nur die innige Verbindung zwischen Haus und Wasser, die so sinnen-fällig gemacht werden soll. In den Gärten von Damaskus pflegt man hölzerne Estraden über den Barada zu bauen, und die Besucher genießen, ihren Kaffee schlürfend, das Vergnügen, dicht Tiber dem murmelnden Fluß zu sitzen. Genau so soll der, der in der Seehalle des Gopal 13hawan sitzt, das Gefühl haben, daß er über dem kühlen Element schwebt, und vom Wasser aus gesehen machen die beiden kleinen Bhawans zu Seiten des Gopal Bhawan in der Tat den Eindruck von großen seltsamen Barken, die auf dem Wasser schwimmen (Tafel 89).

Noch vollkommener ist die Vermählung von Bauwerk, Garten und Wasserspiegel bei den Inselpalästen im See von

Udaipur. Die Inseln — Hügel, die aus dem unter Wasser

gesetzten Talgrund aufragen — sind zu regelmäßiger Grundform gebracht und mit den Palastflügeln oder mit

Hallenarmen umfaßt. Drinnen sind Gärten angelegt, deren

Baummassen, von schlanken Palmen überragt, über den marmorweißen Rand herausquellen. Das ruhige Schwimmen des Bauwerks über dem Wasserspiegel ist etwas, was ins-

besondere denn Behagen des Inders entspricht. Von jeher hat er seine Stauseen architektonisch so ausgenutzt, während das rieselnde und plätschernde Wasser der Tschar Baghs mit ihren Kaskaden und Springbrunnen zum persisch-türkischen Ideal der Gartenstimmung gehört, das aus der Erinnerung an die murmelnden durch frühlingsgrüne, blumige Matten fließenden Gebirgsbäche entstand. Im Udaipurer See schwimmen eine ganze Anzahl solcher Inselgärten mit ihren Palastgürteln, und der schöne Vergleich des Inders, sie lägen auf dem Wasser grün und weiß, wie ein erblühter Lotus, liegt nur zu nahe. Tafel 114 zeigt im oberen Bild die Insel Dschag Niwas mit dem Dilaram Mahal bei Niederwasser, im unteren den G u 1 Mahal auf der kleineren Insel Dschag Mandir bei hohem Wasserstand des Pitscholasees, insofern eine historische Berühmtheit, als der nachmalige Großmogul Schah Dschehan als Kronprinz Churram in ihm wohnte. Der Maharana von Udaipur hatte dem aufrührerischen Sohn Schutz gegen den Vater und Zuflucht gewährt 1).

       
       
       
             

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1) S. oben S. 63.