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0048 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 48 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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kantigen Schaft sind aus dem vierkantigen Pfosten herausgeholt, und zwar ist der Übergang an Kapitell und Basis durch die Figur eines Zackenbogens vermittelt, der in der irakischen Baukunst heute den Namen Kufuli 1) führt und in zahllosen Abarten den Schluß der Ziernischen bildet. Diese Basen sind in Indien im 17. Jahrhundert an allen I3auten der Großmoguln ganz und gäbe 2). Sie sind offenbar aus der Anähnlichung einer alten indischen Form, des zum Pipalblatt umgedeuteten Tschaitjagiebels an den Zackenbogen entstanden. Kennzeichnend sind weiter die Konsole, die über dem Kapitellwürfel ansetzen, dreistufig ausgeschnitten, die einspringenden Ecken mit geschweiften Übergangsformen oder den erwähnten Nagelköpfen gefüllt. Im Wesen gleich sind die entsprechenden Bildungen in Gwalior, nur steinmäßiger empfunden und abgewandelt, während in Fathpur Sikri das Holzvorbild sofort erkenn-

bar ist.

Wände, Stützen und Decken sind mit Flachschmuck in feinster Meißelarbeit ziseliert. Naturalistische Wein-und Blumenranken und Fruchtzweige, arabeske Wellenranken, Bogenfriese mit hängenden Blüten, islamische Polygonalmotive sind die Ornamentgattungen, die nebeneinander auftreten, verschiedener Herkunft zwar, aber zu vollem Zusammenklingen gebracht. Im Innern zeigen die Sockel Palmen, Cypressen, blühende und fruchtbeladene Bäume, ganze kleine Landschaften, in denen sich Fasanen und andere Vögel nebst vierfüßigem Getier tummeln. Die Art, wie die Wolken gestaltet sind, hat zur Vermutung geführt, daß Chinesen in Fathpur Sikri gearbeitet hätten. Sie weist aber nur auf die Herkunft dieser naturalistischen Motive, die sich ja auch in der persischen Kunst der Zeit, auf den Jagdteppichen z. B., zeigen. Die Steinmetzen, die diese Dinge mit feinfühligem Meißel aus dem roten Sandstein herausschnitten, waren aber ohne Zweifel Landeskinder, unter deren Händen selbst ein so starres und an sich lebloses Ding wie der Zickzack dazu gebracht wurde, der Wandfläche zitterndes und flimmerndes Leben zu geben, ohne daß die feine Stille, die das ganze kleine Bauwerk atmet, gestört wird. Etwas grob erscheint im Innern die Musterung der oberen Wandteile durch ein großmaschiges geometrisches Netz, dessen Polygonalfiguren zu kleinen Nischen eingetieft sind. Vielleicht standen in ihnen kostbare Porzellan- und Fayencegefäße oder Bücher? Als Bibliothek oder Porzellankabinett kann man sich den kleinen Bau eher vorstellen wie als Wohnung einer Fürstin, für die er allzuwenig „Zubehör" besitzt.

Eine keine Villa ist das Haus der Miriam oder wie es auch genannt wird, das Sonahra Makan, das „Goldne Haus". Die Zueignung an die legendäre christliche Frau Akbars, Bibi Miriam, die eine Portugiesin gewesen sein soll, beruht wie die Benennung der übrigen Wohnbauten in Fathpur Sikri auf der örtlichen Überlieferung. Der wegen seiner Fresken bekannte Bau hat einen eigentümlichen Grundriß (Tafel 34 Mitte links). Vier Räume sind in T-Form zusammengestellt, und das Grundrißrechteck ist durch Umlegen einer U-förmignn Halle ergänzt. Halle und Mittelraum gehen durch zwei Geschosse. Über den drei hinteren Zimmern liegen drei niedrige Obergeschoß-räume auf engen Treppen in der Rückwand erreichbar. Auf dem flachen Dach erhebt sich ein Einzelraum mit einer Tschhatri darüber. Das Haus ist also in gewissem Sinne ein Stufenhaus. Die U-förmig um einen Raum herumgelegte Halle begegnet in späterer Zeit nicht selten (vergl. Tafel 59 Grundriß a und Abb. 34) und gehört möglicherweise zum altindischen Bestand; wenigstens kann

man das vom Brhat Sanhita als „ Hiranjanabha" bezeichnete Schema darauf beziehen: ein Haus mit drei Hallen, dem die nördliche Halle fehlt 1).

Eine geradezu akademische Lösung für ein zweistöckiges Wohnhaus im indischen Sinne ist das Haus des

Radscha Birbal, so genannt, weil die Überlieferung in ihm

die Wohnung des geistreichen Günstlings Akbars sieht. Es steht aber im Senanabezirk und war deshalb wohl von einer

der Frauen des Kaisers bewohnt. Das Haus erhebt sich

wieder auf einer niedrigen, durch Stufen zu ersteigenden Plattform (s. Grundriß und Schnitt Tafel 34 Mitte). 1m

Erdgeschoß bilden vier quadratische zu einem Quadrat zusammengesetzte, durch Achsentüren untereinander verbundene Räume den Kern, dem auf zwei gegenüberliegenden Seiten, der nördlichen und südlichen, schmale Vorhallen angeschlossen sind, und zwar im Gegensinn gestellt. Das Grundrißbild erhält dadurch etwas sehr Eigentümliches, und ergänzt man es durch zwei weitere Vorhallen gleicher Art, so kommt einem das Hakenkreuz vor die Augen. In der Tat enthalten die Silpa Sastra und das Brhat Sanhita Regeln darüber, daß man Stadtpläne und Hausgrundrisse in der Form eines Siwastika zeichnen könne 2). Vor jeder Vorhalle liegt bei Radscha Birbals Haus eine offene Fläche gleicher Größe, die den Grundriß zum Rechteck ausgleicht. Wir haben also wieder die Dreiheit : geschlossener Raum, Halle und offene Plattform. Um diese letztere auch im Obergeschoß zu erzielen, müssen Teile der Erdgeschoßräume liegen bleiben. Der Architekt hat dazu zwei diagonal gegenüberliegende Räume gewählt, so daß er im Obergeschoß zwei Zimmer behält, die nur mit einer Kante zusammenstoßen und die Plattformen in den einspringenden Ecken umfassen. Radscha Birbals Haus ist also ein Stufenhaus. Durch die beschriebene Anordnung ist erreicht, daß immer eine der beiden Plattformen im Schatten liegt, abgesehen von den Mittagsstunden, während derer die Sonne nahezu senkrecht niederbrennt. Die beiden Obergeschoßräume haben zweischalige Kuppeln. So sind über ihnen Luftpolster als Wärmeschutz geschaffen, ein Verfahren, das auch bei ebenen Decken zur Anwendung kommt und die scheinbar oft übermäßig großen Stärken der Decken der Obergeschoßräume indischer Häuser und Paläste erklärt, die eben doppelt sind und eine isolierende Luftschicht einschließen. Auch bei Wänden hat der indische Architekt dieses Zweischalensystem offenbar aus dem gleichen Grunde gelegentlich angewendet, wie ich es f ür die Doppelwände der Ankh Mitschauli annehmen möchte.

In die äußere Erscheinung des Hauses bringt dieser altindische gestufte Aufbau die starke Betonung des Körperlichen (Tafel 36). Der Beschauer, der die zwei einander gleichen Kuppeln stets in verschiedener Entfernung vor sich sieht, wird geradezu gereizt, sich von der Körperlichkeit des Aufbaus Rechenschaft zu geben, mit den Augen um ihn herumzugehen, und erkennt so die Regelmüßigkeit.

Im ganzen Haus gibt es keine freistehende Stütze und doch sieht man, daß dem Architekten das Pfostengerüst vorschwebte. Innen- und Außenpilaster treten einander genau entsprechend aus den starken Wänden vor, die anscheinend nur als Füllungen zwischen die zuerst hingestellten Pfosten gesetzt sind. Das Holzmäßige der ganzen Formgebung wird aus den Bildern auf Tafel 36 klar. Persisch-islamische Elemente, wie die Wandnischen und die Blendbogen, insbesondere der Außenwände des Obergeschosses, können das rein indische Wesen der Archi-

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  1. S. Reuther, Das Wohnhaus in Bagdad S. 46.

  2. Vgl. Taf. 38, 51 und 54.

1) Brhat Sanhita LIII 37.

') Rant Raz a. a. O., S. 91 f. Brhat Sanhita LIII. 34.

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