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0101 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 101 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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kronleuchter herabhängen. An das Frontzimmer stößt nach rückwärts meist eine kleine Kammer, in der man Teppiche, Kissen und dergleichen aufbewahrt. Um den Hof liegt wie im Erdgeschoß eine Halle (14), gegen die vergitterte Öffnung durch ein Geländer abgeschlossen. Im Hause des G. A. Latif stößt an sie nach hinten ein großes Zimmer (15), das über das Diwan Chane im Erdgeschoß und seine Hinterräume weggeht und auch nach dem Hinterhof Fenster hat. Es diente zur Zeit den zahlreichen Söhnen des Hausherrn als Schlafraum. Eine hölzerne Treppe kommt vom Diwan Chane 6 herauf.

Genau so ist das zweite Obergeschoß eingeteilt, während das dritte nur über dem rückwärtigen Teil hochgeführt ist und ein einziges großes Zimmer mit vorgelagerter offener Plattform und einen Erker nach dem Hinterhof bildet, dessen Seiten sich in farbig verglasten Türen mit Brüstungen ins Freie öffnen. Verglaste Fenster kennt der Inder im Unterschied zum Perser, Syrer und Osmanen nicht. In keinem der älteren Paläste und Wohnhäuser sind die Fensteröffnungen anders verschlossen als durch die steinernen und hölzernen Gitter, die das grelle Tageslicht wohltuend dämpfen und der auch in der kühlen .Jahreszeit stets erwünschten Luftbewegung nicht hinderlich sind. Will man sich gegen Zug schützen, so hängt man Matten vor die Fenster. Die Fenster des gudscheratischen Hauses sind meist durch einfache eiserne Gitter verwahrt und haben überdies nach außen schlagende hölzerne Klappläden (Tafel 148 links). Die Gepflogenheit, die Fenster zu verglasen, ist erst durch die Berührung mit den Europäern aufgekommen. Die Portugiesen pflegten ill Indien, wo sie kein Glas fanden, statt Butzenscheiben die durchscheinenden Schalen einer Muschel zu verwenden (Placuna placenta), die auch in südchinesischen Küstenstädten zum gleichen Zweck Verwendung finden.

In Hinduhäusern Ahmedabads pflegt man im Erdgeschoß beiderseits des Vorderhofes je zwei schmale Räume abzutrennen. Einer davon ist meist die Küche — Rasodu — mit dem Wasserplatz daneben, ein anderer die Kapelle mit den Bildern der Hausgötter. Da sich über diesen Räumen keine Zimmer befinden, ihre Decken vielmehr nur die Verbindungsgänge zwischen den Vorderund Hinterräumen des Obergeschosses bilden, ist durch diese Anordnung der Forderung Genüge geschehen, daß über dem Kultraum und der gleich diesem für heilig erachteten Küche niemand wohnen dürfe. Selbstverständlich ist in diesem Fall der ganze Hof mit den ihn umschließenden Räumen Senana. Der Hausherr empfängt seine Gäste im Frontzimmer — Medi — des 1. Obergeschosses, das stets seine besondere Treppe hat, oder falls es sich um Besucher handelt, auf die man weniger Rücksicht zu nehmen braucht, im Parsal, d. i. dem Raum zwischen Haustür und Perda.

Lahor ist eine Backsteinstadt, ohne daß man von einem ausgesprochenen Backsteinstil sprechen könnte. Tafel 146 zeigt zwei Straßenbilder, oben zwei Häuser mit einem Erkerstockwerk über den Läden des Erdgeschosses, das 2. Obergeschoß mit einem Dachhof zwischen den allein hochgeführten seitlichen Räumen. Auf dem unteren Bild sieht man durch eine enge Basarstraße auf die Schmalfront eines Hauses, aus der sehr wirkungsvoll einer der für Lahor kennzeichnenden hölzernen Erker von halbpolygonförmigem Grundriß mit kuppliger Bedachung heraustritt. Man nennt diese „Chörlein" Bochartscha. Sie sind zu unterscheiden vom Wada, einer Galerie, die dem Gauk des radschputischen Hauses gleichkommt und nicht wie die Dschharokas • mit dem Zimmer räumlich verschmolzen ist. I)as Stufenhaus tritt, wie man auf dem Bild sieht, wieder deutlich hervor.

Ob das Haus, dessen Grundrisse Tafel 147 unten gibt, für Lahor typisch genannt werden darf, vermag ich nicht zu sagen. Es ist das einzige, in das ich Zutritt erlangte, und auch das nur, weil der Hausbesitzer, ein Mohammedaner und Kaufmann, mit seiner Familie auf einer Pilgerfahrt begriffen war und es während seiner Abwesenheit neu streichen und weißen ließ. Es ist ein Eckhaus. Nach den zwei Straßenseiten gehen im Erdgeschoß Läden. Die Haustür öffnet sich ungefähr in der Mitte der Nordseite auf einen überwölbten, dunklen Lagerraum, aus dem zwei Treppen zur Wohnung hinaufsteigen, eine (7) auf den im

  1. Obergeschoß liegenden Hof, von dem die Wohn- und Schlafräume der Familie zugänglich sind, eine zweite (1) zu den Frontzimmern. Erstere dient dem Senanaverkehr, die zweite den Gästen und Geschäftsfreunden des Besitzers, die so unmittelbar zum Empfangszimmer — Batak — (2) hinaufgehen können. Es steht mit dem Zimmer des Hausherrn in Verbindung und besitzt wie dieses nach der Straße eine der erwähnten offenen Galerien. Nach dem Hof hat es vergitterte hochliegende Fenster. In einer Schmalwand tieft sich zwischen zwei Fenstern ein Kamin ein, dem man die Kohlen für die Wasserpfeife entnimmt und an dem man den Thee für die Gäste bereitet. Vom Podest der Treppe 1 kann man weiter auch in das Zimmer des Hausherrn gelangen, anderseits in das Schlafzimmer (4), Dalan genannt, das die Südseite des Hofes einnimmt und eine T iir sowie zwei vergitterte Fenster nach diesem besitzt. Auf der Ostseite des Hofes öffnet sich dem Empfangszimmer gegenüber eine tiefe, zweisäulige Tibari (6), in der Ecke zwischen dieser und dem Schlafzimmer liegt der Baderaum (5) mit einer Nische und einem aus Ziegeln gemauerten Konsol — Almari — auf dem das Wassergefäß steht. Beim Baden pflegt man sich in Indien allgemein mit Wasser zu übergießen. Wannenbäder gibt es im Privathaus nicht, und auch in mohammedanischen Häusern habe ich nie die üppigen Warmbadeanlagen gesehen, wie sie sich in vielen Häusern in Bagdad, Aleppo und Damaskus finden. Im

  2. Obergeschoß stehen nur über dem Bad und dem Herrenzimmer Räume, einer die Küche (8), der andere (9) ein Schlafraum mit zwei Balkons, daneben ein Abort und eine nach dem Dachhof geöffnete Tibari (10). Gegen die Straße und die Nachbarhäuser ist der Dachhof wie üblich mit hohen, teilweise vergitterten Schirmwänden abgeschlossen.

Indiens Städte verlieren mehr und mehr ihre Eigenart. Wer durch die Straßen von Calcutta oder Bombay geht, wandert zwischen Steinwänden, die all die öde Langeweile unserer älteren Großstadtstraßen -zeigen und ebenso gut in Australien, Südamerika oder sonst irgendwo sein könnten. Nur abseits vom Wege, in den Städten Radschputanas, in Mathura und anderwärts lebt die indische Baukunst noch. Aber auch hier wird sie eines Tages sterben, wird die im Kastenwesen beruhende jahrhundertelange Überlieferung gesunder Künstlerschaft erlöschen, weil der Nährboden verdorrt. Es ist nicht das Eindringen fremder Formen, der tausendfach abgegriffenen und entwerteten Formen europäischer Baukunst des vorigen Jahrhunderts, das zersetzend wirkt. Diese hätte die indische Kunst ebenso aufgenommen ohne Schaden zu nehmen, wie sie sich andere Fremdformen angeeignet, sie aufgesogen und verarbeitet hat. Die Bauten der Nawabs von Audh in Lakhnau, Agra und anderen Orten zeigen, mit welch starker umgestaltender Kraft die indische Baukunst sich unsere Renaissanceformen zu Willen zwang, mögen diese Dinge uns auch oft nicht zusagen (Tafel 173-176). Zersètzénd wirkt die westliche Zivilisation, die das -Land durchdringt. Die kulturtragenden Schichten der Bevölkerung werden durch sie am stärksten beeinflußt. Sie gehen

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