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0030 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 30 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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i.

tigen Tages stets vorkommenden Glieder auftreten, das Plattenvordach, der Tschhadscha, und der Zinnenkranz, der Kangara, der hier aus großen halbkreisförmigen Blockzinnen bestand und vielleicht wirklich noch als Befestigungsmittel gemeint war. Der Turm, den eine einzige mächtige Sandsteinplatte deckt, trug ebenfalls den beschattenden Tschhadscha, der in Nordindien das Haupt-und Geschoßgesims ersetzt und an Stelle des gekurvten

südindischen Kabodam tritt 1).   Wie heraustretende
Blöcke als sicher erscheinen lassen, schloß sich an den Turm noch eine Halle oder ein Raum als teilweise hochgeführtes drittes Geschoß. Der Kokai-Mahal in Ranod ist also ein Stufenhaus wie die altindischen Wohnbauten. Die Frontbildung ist die gleiche wie die des Hauses in Tschilla: die von Risaliten flankierte breite Stützenhalle, allerdings nur einseitig ausgebildet.

Beide Bauten dürfen nicht als allgemeingültige Beispiele frühmittelalterlicher Wohnbauweise in Hindustan gelten, da sie ein räumlich zu beschränktes Gebiet und zudem jedes eine Sonderart vertreten. In Ranod haben

wir es mit einem Hofhaus der Art zu tun, wie auch die Rani-ka-

Nur - Höhle eines ist1).

'

Abb. 2 '. Palast in Ranod. Nach Cunningham.

Von einem zweiten Bau, den Cunningham einmal ins B. Jahrhundert, ein andermal auf Grund der Buchstabenformen einer Inschrift um das Jahr 1000 datiert, gibt er außer einer Beschreibung eine Skizze der Hauptfront 1). Der Palast, den die Eingeborenen heute Kokai Mahal nennen, steht in R an o d (oder Narod), einer alten verfallenen Stadt zwischen Dschhansi und Guna, ebenfalls in Bundelkand. Nach Cunninghams Bericht ist es eine Hofanlage von etwa 37 m größter Ausdehnung, dreiseitig umschlossen von eingeschossigen Pfeilerhallen mit Räumen dahinter. Der Hauptbau, aus großen Sandsteinquadern und -platten mörtellos aufgeführt und im Grundriß ein Rechteck von etwa 14 m Breite und 12 m Tiefe, schließt die vierte Hofseite (Abb. 22). Er ist zweistöckig. Jedes Geschoß besteht aus einer breiten fünfjochigen Vorhalle und drei untereinander verbundenen Räumen dahinter. Links wird die Halle durch eine starke Außenwand begrenzt, rechts durch einen viereckigen Turm, der das Obergeschoß um ein weiteres Stockwerk überragt und die Treppe zu diesem und der Dachplattform enthält.

Die obere Halle ist durch über meterhohe

massive   Brüstungen
zwischen den in un-

gleichen   Abständen
rhythmisch verteilten untersetzten Vierkantpfeilern abgeschlossen. Die schweren Steinbalken der Hallendecken ruhen auf klotzi-

gen   Kreuzkapitellen,
der Rohform des der mittelalterlichen Baukunst Hindustans eigenen, überaus vielseitigen Kapitelltypus. Sie

tragen in jedem Geschoß

auch das weitvortretende, aus großen Steinplatten bestehende Vordach, den Tschhadscha, dessen schwach geneigte Oberfläche durch eingemeißelte Rillen und Wülste als das auch heute in Indien verbreitete Hohlziegeldach gekennzeichnet ist 2). Merkwürdig ist die Konstruktion der Decke des Obergeschosses, des Daches. Auf den Steinbalken liegen große Sandsteinplatten, 30 cm dick und zum Teil an 4 m im Quadrat messend, mit Leisten an den aneinandergestoßenen Längsseiten. Die Fugen werden durch lange rinnenförmige Decksteine, die über die Leisten greifen, gedichtet. Eine Erdschüttung, die dieses Dach begehbar machte und die Räume gegen die Sonnenglut schützte, wird man wohl annehmen müssen. Schmuckformen sind wenig verwendet. Die Pfeiler des Erdgeschosses stehen auf dreigliedrigen Basen. Die rechteckigen Türöffnungen haben versenkt profilierte Rahmen, ebenso die liegend rechteckigen Fenster, die wie in Tschilla mit einfachen Steingittern, Dschalis, wie man sie in Nordindien heute nennt, verwahrt sind. Cunningham erwähnt einen Zinnenkranz als oberen Abschluß, der auf seiner Zeichnung indessen nicht zur Darstellung gekommen ist und wohl nur noch über der Rückseite des Bauwerkes steht. Der Kokai Mahal ist meines Wissens der älteste bekannte Wohnbau, bei dem die beiden in der Baukunst Hindustans bis heu-

  1. Arch. Surv. Ind. vol. II, 1871, S. 303 f., Pl. LXXXV. Danach die Abb. 22.

  2. An den Vorhallen, den Mandaps nordindischer Tempel hißt sich das aus dem mit Hohlziegeln gedeckten Vordach abgeleitete Plattengesims, der Tschhadscha, bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgen. Vgl. den Tempel des Parasurameswar in Bhuwaneswar (Orissa), Fergusson, Hist. Ind. arch. II, Fig. 312.

Das Haus in Tschilla ist kein Hofhaus. Sein gesäulter Mittelraum ist

kein Hof, sondern ein durch ein Oberlicht erhellter Saal. Er steht

frei   innerhalb   des
Mauerringes, der den Ringhof umschließt. Gemeinsam ist beiden Häusern die lapidare Schlichtheit der Formgebung, und hierin stehen sie in einem

scharfen Gegensatz zu den üppig reichen Formen der gleichzeitigen Tempelbaukunst. Namentlich der KokaiMahal hat dadurch trotz seiner gar nicht großen Abmessungen etwas von Macht und Größe. Vielleicht ist diese Formenarmut, dieses Vermeiden alles Weichen und Zierlichen und Streben nach Kraft für den fürstlichen Wohnbau der Zeit und der Landschaft bezeichnend. Mangel an Mitteln kann den Bauherrn von Ranod kaum dazu gezwungen haben, sein Haus ohne allen Schmuck zu belassen, da er es sich leisten konnte, es aus gewaltigen Steinplatten und -quadern in sorgsamster Weise hoch-zuführen. Es ist wohl derselbe Gegensatz, der sich im abendländischen Mittelalter so häufig zwischen dem ritterlichen Wohnbau und dem Kirchenbau kundgibt. Fest sollte das Haus des wehrhaften Mannes sein und aussehen. Höchstwahrscheinlich haben die Holzhäuser der reichen Kaufleute in den Küstenstädten von Gudscherat, die Ibn Batuta einige Jahrhunderte später rühmt, auch damals schon mit üppigem Schmuckwerk geprunkt wie die Steinbauten der Waghelafürsten im gudscheratischen Dabhoi. Der Radscha des Hinterlandes, der den größten Teil seines Lebens mit seinen Nachbarn, seien sie Stammes- und Glaubensbrüder oder Muslime, in Fehde lebte, wollte gerade so wie sein Zeit- und Standesgenosse in Oberitalien oder Deutschland, daß sein Haus von seiner Macht und seinen kriegerischen Tugenden erzähle und nicht seinen Reich-turn zur Schau trage. Einige Jahrhunderte später macht

1) s. S. 8 und Abb. 21.