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0023 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 23 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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Fisch angelegt gewesen sei und 100 Ellen Seitenlänge bei gleicher Höhe gehabt babe; in jedem seiner neun Stockwerke habe es 100 Wohnungen für Priester enthalten, in der Mitte eine große Halle, deren Decke von goldenen Säulen, die Löwen und andere Tiere dargestellt hätten, getragen worden sei. Es wird dann der Thron beschrieben, der in der Halle stand, und weiter gesagt, daß der ganze Bau von einer hohen, von vier Toren durchbrochenen Mauer umschlossen war. Besonders bemerkenswert ist der Satz, der besagt,

daß die Stockwerke verschieden-

wertig waren, daß in den unteren niedere, in den oberen, der Rangordnung nach aufsteigend, • höhere Priester wohnten. Dieser Gedanke, daß das Wohnen in hohen, vielstöckigen Häusern ein Vorrecht ist, spricht sich auch in den Regeln aus, die das Manasara, einer der alten Architekturtraktate, der Silpa-Sastra, über den Bau von Wohnhäusern gibt '). Es heißt da: „Wohnhäuser können 1 bis 9 Stockwerke hoch sein, je nach dem Rang der Besitzer,

d. h. deren Kaste. Die unteren Volksklassen dürfen nur in eingeschossigen Häusern wohnen. Die Höhe der Häuser soll in jeder Straße, soweit als möglich, gleich sein." Diese Vorschrift ist verständlich. Wenn jeder hoch bauen darf, geht die Annehmlichkeit des Wohnens im neunten Stockwerk verloren. Die Masse muß unten im Brodem der Stadt bleiben, damit der Bevorzugte seine Wohnung in reinere, frischere Luftschichten erheben kann. Was dem hochgestellten Menschen zugebilligt wird, ist selbstverständlich in erster Linie das Recht der Götter. Die Götter Indiens wohnen wie die Fürsten in vielgeschossigen Palästen. So sagt der „Lotus des guten Gesetzes", eines der neun Dharmas des nördlichen Buddhismus: „Möge er die Bodhisatvas sehen, wie sie in Häusern wohnen, deren Stockwerke hoch sind" 2). Die alten buddhistischen Sastras beschrei-

ben Indras Palast inmitten der Götter- 9    

stadt Sudarsana auf dem Gipfel des Weltberges Meru und sprechen von 1000 Türmen, in denen der sehr

umfangreiche Harem des Götterkönigs wohne 3). Von Brahma wird gesagt, daß er in der Mitte des Brahmapurohita-Himmels in einem vielstöckigen Turm residiere.

Zum Prinzip der Vielgeschossigkeit, das das architektonische Denken des Inders beherrscht, kommt aber noch ein zweites: das des stufenförmigen Aufbaues. I)er Grund liegt aber wieder im Wohnbedürfnis des Inders. Ein Wohnhaus ist für den Inder nur dann vollständig,

Schnitt

wenn es drei Teile hat, einmal den von Wänden und Decke umschlossenen Raum, zum zweiten eine nach außen geöffnete Schattenhalle und drittens eine unbedeckte Fläche, sei es der Hof, sei es eine Plattform, auf der man unter freiem Himmel sitzen und die Ausstrahlungskühle des Abends genießen kann. Im eingeschossigen Haus sind diese drei Dinge ohne weiteres zu' vereinigen. Baut sich aber das Haus in mehreren Stockwerken auf, so kann man die oben offenen Plattformen durch Auskragen von Balkons gewinnen, wie es die Reliefs von Santschi zeigen.

Da man aber die Balkone nicht beliebig weit auskragen lassen kann, ist diese Möglichkeit beschränkt. Will man in den oberen Geschossen größere Plattformen oder Hofflächen haben, so muß jedesmal ein Teil der im nächstunteren Geschoß bebauten Fläche liegen bleiben. Das Haus treppt sich also nach oben hin ab, und wenn man diesen Gedanken folgerichtig durchführt, so verjüngt sich der Bau nach oben, bis im obersten Geschoß nur noch ein umschlossener Rauni mit seiner Vorhalle und dem Altan davor übrig bleibt. Das indische Haus ist also ein vielgeschossiges Stufenhaus. Fast an jedem Wohnhaus — wenigstens des nördlichen Indien — läßt sich diese Bauweise beobachten und ist, weil sie den klimatischen Verhältnissen in ausgezeichneter Weise Rechnung trägt, auch bei der Errichtung englischer Staatsbauten und Gasthöfe zur Anwendung gekommen. Daß sie aber den altindischen Wohnbau bereits beherrschte, zeigen die Flachbildnereien von Santschi und Barahat. Das Zurückspringen der Geschosse — und zwar sämtlicher oder nur des obersten — läßt sich in allen dar

gestellten Gebäuden feststellen. Es

20 m

Abb. 20. Rani-ka-Nur-Grotte in Udajagiri.

Nach Fergusson.

  1. Ram Raz, Essay on the architecture of the Hindus. London. Parker 1834. S. 42.

  2. Burnouf, M. E. Le lotus de la bonne loi. Paris 1852, S. 205.

  3. Beal, A catena of Buddhist scriptures from the Chinese. London 1871. S. 75. (Uebersetzung chinesischer Uebertragungen buddhistischer Sastras, darunter einer Abhandlung des Priesters Dschin-tsch'ou über den buddhistischen Kosmos.)

Es haben sich indessen nicht nur Abbildungen, sondern auch einige sozusagen noch bewohnbare altindische Stufenhäuser erhalten — Felsenklöster. Eins liegt in Orissa, das Rani Gumpha oder Rani-ka-Nur („Palast der Königin") bei Kattak am Unterlauf des Mahanadi, eine zwei

geschossige Anlage, die mit drei Flügeln einen in den Felsen gearbeiteten, ursprünglich wohl auch nach der vierten Seite irgendwie abgeschlossenen Hof umfaßt (Abb. 20). Das obere Stockwerk springt gegen das untere zurück, wie das aus dem Schnitt ersichtlich ist. Ein vierstöckiges Stufenhaus ist die Undawillahöhle am Krischna bei Bedschwara, unweit von Amaravati'), mit breiten, in die Bergflanke gearbeiteten Terrassengeschossen.

Der Aufbau eines solchen Stufenhauses kann sich sehr verschieden gestalten, je nachdem das Zurückspringen der Geschosse, wie bei der Rani-ka-Nur-Höhle, von einem Binnenhof nach außen erfolgt oder bei einem ge-

sind durchweg Stufenhäuser.

1) Siehe Fergusson-Burgess, Cave Temples of India. S. 95 ff, Fig. 23 und 24.