National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF Graphics   Japanese English
0072 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 72 (Grayscale High Resolution Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000274
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

62

I(i

3

1

Abb. 33.
Säule vom Badschah-ka-
Tacht derAdinah- Moschee
in Panduah.

Nach Ravenshaw.

Baradaris in Adschmir, so herrscht in Schah Dschehans Bauten ausschließlich die Arkade, und zwar die Zackenbogenarkade. Sie ist ganz gewiß nicht persisch, da die persische Baukunst der gleichen Zeit die Arkade auf Freistützen nicht kennt, sondern, da sie Hallen nur mit Holzsäulen baut, ausnahmslos die Deckenbalken auf die von diesen getragenen Architrave liegt. Um in der islamischen Baukunst gleicher Zeit Säulenarkaden zu suchen, muß man nach Syrien, Ägypten oder Stambul gehen. Aber man braucht nicht an Sinans Schiller zu denken, die Baber sich kommen ließ. In Indien war die Arkade ja längst zu Hause. Sie tritt nur jetzt mit der besonderen Bogenform in den Vordergrund. Der Zackenbogen findet sich in Indien -überall und ist keineswegs erst mit dem Islam ins Land gekommen. Über Pfeilern gereiht, und zwar im größten Maßstab, tritt er zu Beginn des 13. Jahrhunderts an der Front der großen Moschee in Adschmir auf, urn dann in Nordindien hinfort eine bescheidene Rolle zu spielen, so als Nischenabschluß in Akbars Bauten, als i h r und Mihrabbogen in Bengalen, im Gudschari Mahal

in Gwalior 1). Als Arkade Tiber dünnen Pfeilern braucht man ihn aber zuerst anscheinend wieder im Dekhan, so beim sogenannten Schatzhaus des Ram Radscha in Widschajanagar (Tafel 154 unten), das von Longhurst als Senanawache erklärt wird, ein Bauwerk, das im Ausdruck Schah Dschehans Hallenbauten überaus nahe kommt. In Widschajanagar wird der Zacken-bogen auch bereits bestimmend für die Raumwirkung, und zwar in dem merkwürdigen zweistöckigen Bau, der meist als „Rathaus" bezeichnet wird, aber zum Senana gehört (Tafel 153). In der Architektur von Bidschapur spielt der Zackenbogen ebenfalls eine große Rolle und kommt hier in der fein gekurvten Form vor, die sich nachher an Schah Dschehans Bauten noch vollkommener zeigt. Bedenkt man, daß Schah Dschehan an der Unterwerfung des Dekhan und seiner Angliederung an das Mogulreich persönlich den größten Anteil hat und als Kronprinz Jahre im Süden lebte,

so ist das Auftreten der so überaus charakteristischen Bogenform gerade in seinen Bauten nicht eben verwunderlich. Die zwölfkantige Säule mit der Pyramidenstumpfhasis und dem Mukarnaskapitell ist bereits akbarisch. Das an byzan

tinische Bildungen erinnernde Kämpferkapitell mit dem akauthisierenden Blätterkranz und den Eckvoluten mag auf europäische Anregung zurückzuführen sein wie überhaupt das Auftreten von akanthusartigen Blattformen. Es wäre wunderbar, wenn die architektonischen oder ornamentalen Kupferstichwerke in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts nicht durch Missionare und andere nach Indien gekommen sein sollten, wie sie wenig später nach China kamen. Auch für die Balustersäule, die seit Aurangsebs Zeit in Nordindien alle anderen Stützenformen verdrängt und vom Dekhan bis nach Zentralasien hinein vorkommt =), ist man versucht, auf die gleiche Quelle zu schließen. Allerdings lassen sich sowohl für das blattbelegte Kämpferkapitell wie die Balustersäule Vorstufen in Indien finden. Für ersteres kenne ich zwar nur ein ~ilteres Beispiel am Badschah-ka-Tacht der AdinahMoschee im bengalischen Panduah (Abb. 33), das freilich nicht aus der Erbauungszeit um 1360 n. Chr. stammen, sondern wesentlich später eingebaut worden sein dürfte,

keinesfalls aber nach der Einverleibung Bengalens in das Mogulreich 1573, die den Niedergang der alten Hauptstädte Gaur und Hasret Panduah zur Folge hatte. Die Balustersäule, die so außerordentlich an Bildungen der lombardischen Frührenaissance erinnert, läßt sich aus den vasen- oder balusterartigen Zwischengliedern entstanden denken, die vielfach an eingebundenen Ecksäulchen der Delhier Bauten des 15. Jahrhunderts vorkommen und auch in Persien häufig sind und die man herausgriff, vergrößerte und aus einer nebensächlichen Stellung in die erste Linie rückte. Unbestritten ist jedenfalls auch die Herleitung der Balustersäule aus dem europäischen Formenschatz nicht.

Unter den übrigen Elementen des inneren Aufbaues behalten der indische Tschhadscha und der Kangara ihre Geltung, beides Glieder, die die Erscheinung des Bauwerks in erster Linie bestimmen. Es bleiben die Tschhatris, mit denen man Gebäudeecken betont und die man jetzt in ganzen Reihen verzwergt auf Portale setzt (Tafel 61). Dazu tritt als neue, sehr stark wirkende Form das gekurvte bengalische Dach, das der heutige Architekt in Nordindien

mit Bangaldar bezeichnet. Vom bengalischen Bambusdach, das aus zwei rechteckigen Rahmen unter Ausnutzung der elastischen Eigenschaften des Materials gebogen wird und heute noch die Hütten des Landes deckt, ist die gekurvte Dachlinie in die alte Backsteinarchitektur Bengalens übergegangen, hat zur Kurvung der Horizontalen geführt, sicher nicht zuerst an Tempeln und dann an den Moscheen der islamischen Hauptstädte, sondern im Wohnbau, als dieser zur massiven Bauweise

was in Bengalen heißen will, zum Ziegelbau — überging. Bangaldardächer kommen in Stein ausgeführt in Schah Dschehans Zeit noch selten vor. Die ältesten mir bekannten sind die der „Goldenen Pavillons" in Agra. Sie werden bald allgemein beliebt, werden mit ebenen Dächern zusammengestellt und zur Bereicherung ganzer Baugruppen benutzt. Das Bedürfnis nach der bewegten Bogenlinie, das sich im Ausschluß der starren Horizontale des Architravs und in dessen Ersatz durch den Zackenbogen zeigt, hat ohne Zweifel auch dem Bangaldar zum Sieg verholfen, der als Zwergform über Tschhatris, Fenstern und Ädikulen für die radschputische Baukunst des 18. Jahrhunderts kennzeichnend

wird und sich bis nach Afghanistan hinein verbreitet.

Kann man also hinsichtlich der Hauptformen des Baukörpers keinesfalls von einem Erstarken oder Neuauftreten persischer Elemente sprechen, so auch nicht bei den Raumformen. Der Wölbraum bleibt anscheinend auf bestimmte Bauteile beschränkt, insbesondere auf Tore, Serdabs und Bäder, die auch in Akbars Zeit bereits die typischen persischen Raumverbindungen zeigen — das durch halbachteckige oder rechteckige iiberwölbte Arme ein-, zwei- oder mehrseitig erweiterte Kuppelquadrat. Aber für den Wohnwie den Repräsentationsraum behält die indische flache Steindecke ihr Recht, von Wand zu Wand gelegt oder häufiger von Stützenreihen getragen. Daß an Stelle der Sattelkreuze, die die Deckenbalken ehedem trugen, sich nunmehr Bögen iiber den Säulen kreuzen, bedeutet technisch keine Änderung, denn diese sind aus den in alter Weise übereinandergelegten Steinbalken ausgeschnitten und nicht gewölbt. Persisch ist im Raum indessen der Aufbau der Wand, die stets einen hohen, gegen den oberen Wandteil unterschiedlich behandelten Sockel besitzt. Die indische Architektur kennt diesen altvorderasiatischen„Orthostatensockel" nicht. Ihre Wand ist Füllwerk, das funktionslos

1) S.obenS.34.

I ) Vgl. Saladin, Manuel d'art musulman Fig. 327 u. 328.