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0089 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 89 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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liegen, die ältere und jüngere Teile unterscheiden und auch die unter Gestrüpp liegenden Mauerzüge verzeichnen. Soviel läßt sich aber sagen, daß von einer Regelmäßigkeit der Gesamtanlage, auch nur in dem Sinne, wie sie in Tschitorgarh beobachtet ist, nicht die Rede sein kann. I)ie einzelnen Bauten sind ganz verschieden orientiert, die sie umschließenden Mauerzüge schiefwinklig und gebrochen gefiihrt. Offenbar aus der Schwierigkeit heraus, sie in einen Zusammenhang zu bringen, hat man ihnen — ähnlich wie in Fathpur Sikri — phantasievolle Namen gegeben, die zweifellos ihrer ursprünglichen Bestimmung nicht entsprechen. Man spricht vom gleichen Gebäude als einem Schatzhaus, einer Konzerthalle oder Reitschule, von Elefantenställen, einem Rathaus und dem Bad der Königin. Longhurst hat in seiner anschaulichen Schilderung der Ruinen von Widschajanagar 1), der leider keine Pläne beigegeben sind, in diese, zum Teil auf Sewells 2) im übrigen schönes Buch zurückgehende Wirrnis Ordnung zu bringen versucht und die Bauten auf wahrscheinlichere Namen umgetauft.

Eines der seltsamsten GebäudeWidschajanagars ist das sogenannte Rathaus, das durch Abbildungen bei Fergusson, Smith und Woermann bekannt ist ') (Tafel 153). Longhurst gibt ihm den Namen Lotus Mahal. Es steht innerhalb der hohen, aus wuchtigen Granitmauern gefügten und nur durch ein enges Tor im Westen durchbrochenen Ringmauer, die das Senana in unregelmäßigem Zug umschloß, und kann wohl mit gutem Recht als Baradari bezeichnet werden. I)er kleine Bau ist zweistöckig und enthält in jedem Geschoß nur einen Raum, einen quadratischen Saal mit vier im Quadrat gestellten, durch Bogen unter sich und mit den Wänden verbundenen Innenpfeilern, denen kurze, in den Achsen ausgestülpte Raumarme entsprechen. Man kann also von einem kreuzdurchsetzten Quadrat als der Grundrißfigur des Raumes sprechen. Das Erdgeschoß ist eine nach allen Seiten in Zackenbogen geöffnete Halle, das Obergeschoß ein Saal mit einstmals vergitterten Fenstern, rechteckigen in der unteren, zackenbogigen in der oberen Reihe. Die Räume wirken durch die eigenartige Form der einander kreuzenden Zackenbogen, die auf den basislosen schwerköpfigen Kreuzpfeilern aufsetzen und die flache Steinbalkendecke tragen (Tafel 153 unten). Der Rang Mahal in Delhi wiederholt diesen Gedanken, jedoch mit ganz anderem Ausdruck (vgl. Tafel 66). Kleinformen, feinere Profile und dergleichen sind vermieden — wenigstens jetzt nicht mehr vorhanden. Es scheint, daß einmal eine rohe Ausbesserung vorgenommen worden ist. Die Außenerscheinung des Lotus Mahal ist überaus wirkungsvoll (Tafel 153 oben). Die Raumarme geben sich als stark heraustretende Vorlagen. Das Obergeschoß setzt über dem umlaufenden gekurvten Kabodam-Vordach, dessen Abkunft vom Halbtonnenpultdach der Tschatja-Basilika oben gedacht wurde 4) und das in Südindien den Tschhadscha ersetzt, ziemlich stark zurück. Sehr eigenartig wirken die mehrfach eingestuften Zackenbogenöffnungen des Erdgeschosses — im Prinzip das nämliche wie die gestuften Portale unseres Mittelalters. Im Obergeschoß ist über die Fenster und diese teilend noch einmal ein horizontaler Ciürtel um den ganzen Baukörper gelegt. Den stärksten Eindruck macht indessen das Dach, eine Gruppe von neun Stufenpyramiden, die höchste in der Mitte, um die sich an Größe abnehmend die übrigen über den Achsenvorlagen

und den Ecken gruppieren, jede aus einer Folge kleiner Scheingeschosse mit stark betonten, unterschnittenen Horizontalen aufgebaut. Die Stufenpyramide des Drawidatempels wird hier zur Grundlage einer Dachform, die auch sonst in Südindien weit verbreitet ist. Gestört wird die Erscheinung des Baus durch einen viereckigen Treppenturm, den man in eine der einspringenden Ecken gestellt hat.

Im Mauerring des Senana müssen noch mehrere dieser Baradaris gestanden haben, wie ich von Wetzel erfuhr, der die Grundmauern mit dem nämlichen Grundriß gesehen hat. Der eigentliche Wohnbau des Senana, der in der Nordwestecke des Mauerrings steht, ist größtenteils verfallen. An den Ecken der Umfassungsmauer erhoben sich drei Türme. Den noch stehenden zeigt Wetzels Aufnahme auf Tafel 153. Er ist achteckig, verbreitert sich über dem Erdgeschoß und trägt ein ähnliches Schmuckdach wie die Baradari. Diese Türme dienten den Insassinnen des Senana zur Aussicht und zum luftigen Aufenthalt. Im übrigen muß man sich die ganze umschlossene Fläche als Garten vorstellen, aus dem sich die anscheinend willkürlich gestellten und verschieden orientierten Bauten erhoben. Ein Wasserbecken, in dessen Mitte ein zierlicher Pavillon steht, diente wohl als Bad.

Ganz anderen Charakter zeigt das Gebäude, das östlich des Senana steht und als Elefantenstall bekannt ist. Havell sieht in ihm die Moschee, die Dewa Radscha II. für seine muslimischen Soldaten baute (1419 bis 44) , ). Nach dem Cbersichtsplan bei Murray, auf den man im einzelnen indessen kaum viel geben kann, ist das Gebäude aber nicht in die Kibla eingestellt. I)ie große, mit elf Kuppeln gedeckte Halle hat eine in ebensoviel Kielbogenportalen geöffnete Breitfront und könnte so gut der Haram einer Moschee sein (Tafel 154). Sehr eindrucksvoll ist der Rhythmus. Die großen Bogentüren stehen im Wechsel mit den breiten Pfeilern, in die sich Kielbogennischen eintiefen, eine größere unten, drei kleinere darüber. Eine andere in der Mitte betonte rhythmische Folge bilden die verschieden umrissenen Kuppeln. Die Hauptkuppel in der Mitte erhebt sich aus einem quadratischen Säulenmantel über einem Tambur hoch über die anderen. Das trennende Vordach, das das Aussehen dieser Front wesentlich mit bestimmte, fehlt heute. Nur die Kragsteine sind noch erhalten. Was die Bestimmung des Gebäudes auch gewesen sein mag, es ist unmöglich, es mit den Senanabauten in eine Linie zu stellen, so grundsätzlich anders ist es in seinem ganzen Wesen, bei dem trotz der vielen drawidischen Kleinformen, wie der Sikarabekrönungen der kleinen Kuppeln, die persisch-islamische Note stark mitspricht.

Nordwestlich des Eiefantenstalles und im Winkel zu ihm auf den Senanabau zu steht das sogenannte Schatzhaus des Ram Radscha, auch als Konzerthalle oder Reitschule bekannt (Tafel 154 unten). Longhurst bezeichnet es als Kaserne der Senanawache, was indessen auch nur auf Vermutung beruht. Die Portugiesen erzählen nicht nur von einer Eunuchenwache, sondern auch von einer Amazonenkompagnie, die sich die Könige gehalten hätten. I)ie Lage unmittelbar nordöstlich des Senana würde zu Longhursts Deutung stimmen, doch liegt dessen Eingang auf der Westseite. Ich erwähnte das Gebäude bereits, da an seiner Hallenfront, sieht man von der Haramfassade von Iltutmischs Moschee in Adschmir ab, der Zackenbogen zur Arkade gereiht vor der Mogulzeit auftritt. Die Bögen sind über den Granitpfeilern aus Ziegeln gewölbt und waren ursprünglich verputzt. Aus den Sattelkreuzkapitellen, zu denen sie nicht stimmen, möchte man schließen, daß ursprünglich eine andere Lösung beabsichtigt war oder, und

') Longhurst, A. H. Hampi ruins. Described and illustrated. Madras 1918.

  1. Sewell, R. A forgotten empire.

  2. Fergusson, Hist. Ind. Arch. I Fig. 243. Smith, History of fine arts in India and Ceylon Fig. 15.

  3. S. S. 8.

1) Indian architecture S. 181.