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0065 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 65 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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westlich an das Dschalau Chane anschließenden Hof mit seinen kleinen quadratischen Zimmern ihr Quartier, wo sie dem Sultan ständig zur Verfügung standen. Durch diesen Hof konnte man vom Diwan-i-Am-Hof her durch kleine Verbindungshöfe mit Torbauten zum Dschalau Chane gelangen. Es bestand also die Möglichkeit, daß die zu den privaten Audienzen Zugelassenen oder zur kaiserlichen Tafel Geladenen sich zum Diwan-i-Chas begaben, ohne den für den Sultan und seine Familie bestimmten Palastteil betreten zu müssen. Weiter stand durch diesen Dienervorhof der nördlich vor dem Diwan-i-Am-Hof gelegene, durch größere Räume ausgezeichnete Wohnhof mit dem Dschalau Chane in Verbindung, den Fergusson wohl mit Recht als das Quartier für vornehme Gäste bezeichnet. Auffallend an der ganzen Anlage ist, daß der Diwan-iChas und sein Thron nicht in der Hauptachse hinter dem Diwan-i-Am folgt, wie man das nach dem Vorgang in Agra erwarten sollte.

Der Delhier Diwan-i-Chas ist durch die in zahlreichen Handbüchern wiedergegebenen Abbildungen als besonders bezeichnendes Beispiel indoislamischer Architektur der bekannteste Teil von Schah Dschehans Palast geworden. Der geschlossene Saal, der in Agra vorhanden ist, fehlt ihm. Es ist ein freistehender, allseitig offener Hallenbau von 27 zu 21 m Grundmaß, dessen flache Decke nicht in der üblichen Weise von gekreuzten Bogenreihen getragen wird, sondern von zwei umlaufenden (s.Grundriß Tafel 60). Will man den Diwan-i-Chas mit einer dem Europäer geläufigen Bauform vergleichen, so könnte man ihn als Dipteros ohne Cella bezeichnen. Die Stützen, Vierkantpfeiler mit eingebundenen Ecksäulchen, altes islamisches Erbgut, stehen an den Breitseiten in gleichen Abständen. anden Schmalseiten nach den Plattformhöfchen im Norden und Süden in ungleichen, zwei größeren an den Enden, drei engeren in der Mitte. Die innersten Stützen, zwischen denen der Kanal in den Saal eintritt, sind zudem von halber' Breite der übrigen. Die verbindenden Zackenbögen sind an den Schmalfronten dementsprechend von verschiedener Höhe, und der so erzielte Rhythmus mit den stärksten Hebungen an den auch noch durch Ecktschhatris betonten Enden und einer schwächeren Hebung in der Mitte ist eigenartig und ungewöhnlich (Tafel 64). Die Breitfront nach dem Hof ist mit dem gleichmäßig ruhigen Takt ihrer fünf Joche und dem sicheren Verhältnis der kräftigen Stützen zu den Öffnungen eine besonders gute Leistung mogulischer Architektonik, die hier das Überzierliche der dünnbeinigen Säulenarkaden vermeidet. Basen und Kämpfer der Pfeiler sind gleich — nur im Gegensinn — gestaltet: Karniese, die mit hängenden oder stehenden dreilappigen Akanthen belegt sind. I)ie Pfeilerflächen sind über den Sockeln in zwei Nischengeschosse aufgeteilt und setzen sich über den Kapitellen in gleicher Weise bis unter die

Deckenkehle fort, von Rundstäben begleitet, die die Bogenfelder rechteckig rahmen. Die Zackenbogen haben schmale,

glatte, unprofilierte Archivolten, aber dreistufige Leibungen, als deren Mitten um ein weniges zuriickliegen. Der Schmuck der Pfeiler und Bogenzwickel mit eingelegtem Blumenwerk aus Carneol, Jaspis, Lapis Lazuli und anderen

farbigen Halbedelsteinen gehört zum Vollendetsten, was im Indien der Großmoguln in dieser Technik geleistet worden

ist. Prachtvoll ist auch die Deckenkehle, auf der die einst

mit getriebenem, teilweise vergoldetem und emailliertem Silberblech verkleidete Decke aufliegt. Der Silberbelag

wurde von den Dschats von Bharatpur 1) geraubt, und die Decke wurde bei der Wiederherstellung bemalt in einer Weise, die der unaufdringlichen, gediegenen Pracht des in

festlicher Heiterkeit strahlenden Raumes keinen Abbruch tut. Schah Dschehan, der Bauherr, ließ die stolze Inschrift

anbringen : „Wenn es einen Himmel auf Erden gibt, so ist es hier, so ist es hier, so ist es hier!" und gab so zu erkennen, daß dies Werk seines Architekten seinem Ideal voll entsprach.

Benutzt wurde der Saal nicht nur zu den Empfängen der männlichen Verwandten und der Vertrauten, die der Sultan, wie Baber seinem Sohn Humajan schreibt, täglich zweimal um sich versammeln sollte, um mit ihnen Rats zu pflegen, sondern auch für die kaiserliche Tafel, wenn man Ibn Batutas allerdings eine weit frühere Zeit schildernden Bericht über das Leben am Hof zu Delhi auch für das 17. Jahrhundert zugrunde legen darf. Aber auch Baber erzählt in seinen Erinnerungen von Gastmählern, die der Sultan in seinem Prunksaal gibt, und erwähnt das von den

Fürsten aus Timurs Geschlecht dabei beobachtete Zeremoniell, das auf Verordnungen Dschingis Chans (Tureh-iDschingis oder Jasa Dschingis) zurückging und genau vorschrieb, in welcher Reihenfolge und in welcher Weise die Teilnehmer sich niederlassen und aufstehen mußten ').

Auch die Höhe der Kissen, auf denen die Speisenden knieten, war der Rangordnung entsprechend verschieden. Der Augustinermissionar Sebastian Manrique beschreibt ein Bankett, das Asaf Chan, Schah Ischehans Schwager, in seinem Palast gibt, bei dem der Sultan zugegen ist und außerdem Damen von Rang unverschleiert teilnehmen. War das in Babers Zeiten wohl noch unmöglich, so dürften Schah Dschehans Gastmähler wohl kaum so ausgelassen geendet haben wie die seines Urgroßvaters in dessen jüngeren Jahren, bei denen mancher alte würdige Offizier zu tief in den Becher sah und die Gesellschaft mit Singen und Tanzen ergötzte. Im Diwan-i-Chas in Delhi stehen zwei der niedrigen Throne aus weißem Marmor — einer im Ostarm des Umgangs, ein zweiter im mittleren Rechteck des Saales. Am Ende des 18. Jahrhunderts war der Pfauenthron hier aufgestellt. Der Kanal floß im Mittelteil des Saales unter dem Marmorfußboden, so daß dort Platz für die Versammlung war.

Nördlich des Diwan-i-Chas steht symmetrisch zum Chas Mahal das Bad. Seine Südfront öffnet sich wie dessen Nordseite in einer dreijochigen, von geschlossenen Räumen beiderseits gefaßten Tibari mit breiterem Mitteljoch (Tafel 71 oben). Trotzdem die Fassade der des Chas Mahal in der Anlage völlig entspricht, ist sie ihren gröberen. schematischer behandelten Formen zufolge anscheinend später entstanden und vielleicht erst in Aurangsebs Zeit fertig geworden, obzwar die Form der Säulen und der Bogenansätze noch auf Schah Dschehan weisen. Das Fehlen des Tschhadscha und der Kangara aus zackenbogig ausgeschnittenen Zinnen wiederholen sich aber in genau derselben Weise bei dem daneben stehenden Moti Masdschid Aurangsebs. Hinter der Tibari und den sie flankierenden kleinen Gemächern besteht das Gebäude aus drei durch Gänge geschiedene Raumgruppen, die jedesmal aus einem größeren quadratischen oder rechteckigen Raum und einem kleineren mit diesem durch eine breite Kielbogenöffnung verbundenen, beiderseits durch Halbachtecknischen erweiterten Kuppelgemach bestehen (s. Grundriß Tafel 60) 2). Die östliche dieser Zweiraumgruppen diente als Kleiderablage und Ruhegemach. Ein Erker

     
 

') Kaiser, Denkwürdigkeiten, S. 369.

2) Der von mir aufgenommene Grundriß weicht sehr stark von dem ab, den La Roche veröffentlicht hat (Indische Baukunst V Abb. 318). Da ich meinen Plan an Ort und Stelle maßstäblich aufgetragen habe, möchte ich .die Richtigkeit für ihn beanspruchen, bis ich eines besseren belehrt werde. Die Möglichkeit einer Nachprüfung besaß ich nicht. Andere Planaufnahmen sind mir nicht bekannt geworden.

       
 

1) Nach Fanshawe a. a. O. S. 35 von den Mahratten.