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0097 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 97 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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das mittlere (39), das sich wieder als Tibari naclt denn Binnenhof auftut, hat außer dschalivergitterten Fenstern einen erhöhten Dschharoka, aus dem man in den Vorhof hinabblicken kann. Auf der Nordseite ist nahezu der ganze Rauni bis zur Nebenstraße zu einem großen vierschiffigen Säulensaal (30) zusammengefaßt, von dem seitlich ein langes schmales Zimmer (32) und in der Nordwestecke — aber erst nachträglich — ein quadratisches Gelaß (31) abgespalten sind. Das Prinzip des Pfostenhauses, das dem ganzen Hause zugrunde liegt, wird gerade hier überaus deutlich. In der Tat sind die Stockwerke aus gleichlaufenden Stützenreihen gebildet, die den Hof umschließen. Sie sind das Primäre; die Wände sind nach Bedarf eingefügt, wie das auch beim Haus in Tschilla (Abb. 8) und vielen späteren Palastbauten zu erkennen ist. Der niedrige Saal mit seinem Wald dünner Säulen, der trotz der offenen Tibarifront nach dem Hof und der Fensterreihe nach der Straße in dämmerigem Licht liegt, ist in der Unbestimmtheit seiner Begrenzung eigentlich indisch.

Im 2. Obergeschoß beginnt die Auflösung. Um den

Hof A, den wiederum eine Galerie rings umläuft, legen sich in den Achsen, ein Kreuz bildend, vier Terrassenhöfe (B, C, D, E). Um den Nordhof C gruppiert sich wie um B jedesmal eine in sich geschlossene Wohnung mit ihren Tibaris, großen Säulenräumen und kleinen Zimmern. Auf E öffnet sich die Küche. Im dritten Obergeschoß, in das sich bei meiner Anwesenheit die Frauen des Hauses zuriickgezogen hatten und das ich deshalb nicht aufmessen konnte, setzt sich die Auflösung weiter fort. Nur über 56, 57 und 43 bis 48 stehen wieder einzelne Hallen und Zimmer, getrennt durch die gegen die Straße und die unteren Höfe mit hohen steinernen Schirmwänden abgeschlossenen Terrassenhöfe.

Die heutige Benutzung des Hauses entspricht nicht

mehr der ursprünglichen. In den Räumen und Hallen des Erdgeschosses, die jetzt als Werkstätten und Warenlager dienen, drängten sich früher die Diener und Klienten des hochgestellten Hausherrn, der hier seine Geschäfte erledigte. Im Vorhof standen seine Pferde, seine Kühe, die dein indischen Haushalt ja außer Milch und Butter noch andere, kaum minder wertgeschätzte Stoffe liefern müssen. Ini 1. Obergeschoß waren die Räume dem geselligen Verkehr gewidmet, während die beiden obersten Stockwerke, wie heute noch, dem Senana vorbehalten waren. Die hohen Perdawünde der umlaufenden Galerie und der Dachhöfe schützten die Frauen gegen Sicht, erlaubten ihnen aber durch Gitterfensterchen den Ausblick auf Höfe und Straße. Wie mir der jetzige Besitzer mitteilte, bestand ursprünglich ein Eingang von der Nebenstraße durch die Räume 29 und 28, der den Frauen den Zugang zur Treppe ungesehen ermöglichte.

Dieser großartige Haustypus ist in Dschaipur, wie ich bereits andeutete, verhältnismäßig selten, obschon man sich über die große Zahl vornehmer Wohnhäuser wundert. Meist haben die Häuser etwa die halbe Länge. Der Vorhof fehlt dann, und auf dem Grundstück sind oft zwei Höfe mit einer durchgehenden Zwischenwand hintereinandergestellt. Die tiefen Säulensäle sind bei dieser Plananordnung selbstverständlich nicht möglich.

Die Räume sind in allen Dschaipurer Häusern verhältnismäßig niedrig und durchweg nicht höher als 3,20 m. Sie wirken durch die Zackenbogenreihen über den dünnen Balustersäulen noch niedriger, namentlich die großen Hypostylsäle, deren größter in dem beschriebenen Hause ursprünglich 16 zu 12 m maß. Wände, Säulen und Decken sind heute vielfach weiß getüncht, in dem Haus in der Bhumiastraße so oft, daß die fein gemeißelten Formen der Säulen und das die Zackenbogen begleitende Laubwerk

unter der Kruste fast verschwinden. Die Räume waren indessen ursprünglich farbig behandelt. Die Sockel waren gelblich oder blaßrot getüncht, mit weißen und schwarzen Linien gerahmt und abgeschlossen, die oberen Wandteile je nachdem anders getönt, blaßgrün oder blau. In den Wandnischen waren in kräftigen, dunklen Farben Vasen mit Blumen, langhalsige Flaschen, Schalen mit Früchten, Cypressen gemalt oder auch figürliche Dinge: Tänzerinnen, Götterbildchen, Elephantenreiter, völlig handwerksmäßig und unbeholfen, aber mit guter Schmuckwirkung. In manchen verwahrlosten Häusern Dschaipurs kann man Reste dieser Wandmalereien unter der abblätternden Putzkruste sehen. Zur Raumwirkung tragen aber noch andere Dinge bei. Die mit Steinplatten, in manchen Häusern mit Marmor belegten Böden muß man sich zum Teil mit Teppichen belegt denken, dazu ein paar Sitzkissen, niedrige Gurtbetten mit farbigen Matratzen, in den Wandnischen Vasen, Lampen und etwas blinkendes Metallgerät. Die häßlichen modernen Möbel, die heute in den Zimmern stehen, namentlich die vielen Spiegel an den Wänden und die Kristalleuchter, die kurz unter den niederen Decken hängen, zerstören den eigentümlichen Reiz dieser Räume vollständig, den man erst empfindet, wenn man in indischer Weise am Boden sitzt und dann das unbehagliche Gefühl verliert, mit dem Kopf im Bereich der Zackenbogen zu sein. Der Raum ist ja auch ein Naschast, ein „Sitzraum". Man soll zwischen den Säulenreihen nicht auf und abwandeln wie in einem europäischen Gesellschaftsraum von gleicher Grundfläche.

Nach außen zeigt sich das Dschaipurer Haus wie alle indischen und insbesondere die radschputischen Häuser viel prunkvoller als im Innern, das, etwa verglichen mit der geschmackvollen Pracht syrischer und ägyptischer Wohnräume aus gleicher Zeit, recht nüchtern ist. Von dem beschriebenen Haus in der Buhmiastraße kann ich leider kein Lichtbild beibringen, da die Platten verunglückt sind. Die Eigenart der Straßenfronten geben aber die Bilder auf Tafel 142 und 143. Es sind immer die gleichen Elemente, mit denen der radschputische Architekt im 18. Jahrhundert seine Fassaden aufbaut und unter denen die Dschharokas, rechteckig oder halbachteckig, mit ihren hübschen Dschalifenstern, Kuppelbedachungen oder Bangaldars am stärksten in die Erscheinung treten. Sieht man näher zu, so findet man, wie zäh der Inder an gewissen Dingen festhält, wie er über einem Tschhadscha fast nie das Zinnenband ausläßt, das auch im 18. und 19. Jahrhundert in der Form nicht wesentlich von dem des 14. Jahrhunderts abweicht. Das Hauptgewicht liegt in der Regel auf der Haustür. Sie wird oft zu einem großartigen Bogenportal mit seitlichen Sitznischen, in dessen Grunde sich die reich gearbeitete Tür zweiflügelig auftut. Die Steinmetzarbeit ist in Dschaipur nicht so wertvoll wie etwa in Dschodhpur, Adschmir oder Gwalior. Dafür sind aber die Kompositionen der Fassaden besser, mit sicherem Blick für das Gleichgewicht aufgebaut und in Zusammenklang mit dem Nachbar gebracht. Man beachte einmal das Durchgehen der Wagerechten oder .die rhythmisch bewegte Wellenlinie des oberen Abschlusses. Die Vorschriften des Manasara fallen einem dabei ein, das verlangt, daß die Höhe der Häuser in jeder Straße möglichst gleich sein müsse und daß sie einander in allen Abmessungen und der Zahl der Stockwerke entsprechen sollen 1). Wenn man Dschaipurs Straßen aufmerksam durchwandert, so kehren bestimmte Fassadenlösungen häufig wieder, und man sieht, daß die scheinbare Vielseitigkeit auf einer geschickten Zusammenstellung einer verhältnismäßig ge-

 

1) Ram Raz a. a. O. S. 46.