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0088 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 88 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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alle verschieden geschmückte Decken haben. Im Erdgeschoß herrscht etwas mehr Gleichheit. Besonders reich sind die Kuppeln der Achteckräume 7, 9, 17 und 19 und die Decken der Breiträume 12 und 14 mit ihren schönen Stemmustern. Das technische Verfahren ist deutlich erkennbar. In die glatt geputzte Fläche der Gewölbe sowie der Leibungen der großen Liwanbögen wurde das Muster, solange die Stuckmasse noch nicht abgebunden hatte, eingeritzt, und dann die einzelnen Teilfelder,Sterne,Rauten und Vielecke mit dem Messer im Schrägschnitt eingetieft, und zwar so, daß die Trennungslinien als Stege stehen blieben, ein Verfahren, das auf alter Übung beruhend, heute in Persien und im Irak noch geübt wird und ein außerordentlich sicheres und rasches Arbeiten voraussetzt. In der Mitte der Kuppeln wie der Halbkuppeln sind in die kegelförmigen Schlußsteine eiserne Ringe eingelassen, an denen man wohl Lampen aufhängte.

An den Wänden, im besonderen bei den Umrahmungen der Schmucknischengruppen, ist ein zweites Verfahren angewandt worden. An Nischen, von denen das Stuckornament zum Teil abgefallen ist, erkennt man, daß die Profile nach Erhärtung des glatten Wandputzes aufgelegt worden sind, oft sogar in mehreren Schichten. Dabei wurden die jeweiligen Umrißlinien der mitunter sehr zierlichen Profile erst in die Unterfläche eingerissen und die Haftflächen mit einem messerartigen Instrument aufgerauht.

Die Anlage der Treppen ist, wie im indischen Wohnbau ganz allgemein, sehr stiefmütterlich behandelt. Man sieht am Grundriß deutlich, daß bei der Planung auf die Treppenläufe nicht die geringste Rücksicht genommen wurde. Sie

durften auf keinen Fall die schöne Symmetrie des Baues stören und wurden daher lediglich als notwendiges Übel betrachtet und als solches in den Kern der starken Mauern versteckt eingebaut. I)abei gab es natürlich des öfteren technische Schwierigkeiten zu überwinden, z. B. mußte der oberste Teil der vier Treppenläufe nach dem Obergeschoß hinauf um den spitzen Winkel einer 45 "-Ecke herumgeführt werden, was für den Passanten besonders beim Herabgehen im Dunklen recht halsbrecherisch gewesen sein muß. Ein zweiter schwacher Punkt war in beiden Geschossen die CTberbriicltung der tiefen Fensternische, wie man das im Schnitt Tafel 170 oben erkennt. Hierbei wußte der Architekt sich nicht anders zu helfen, als dadurch, daß er die Treppenstufe zugleich als Nischenwölbstein benutzte. Die Mauerkonstruktion ist daher an dieser Stelle sehr schwach. Bei der späteren Ausraubung der schön behauenen, glatten Basaltstufen entstand infolgedessen hier jedesmal ein verhängnisvolles Loch, im ganzen also acht große Offnungen, durch die während der Monsunregen die vom flachen Dach naturgemäß gerade über die Treppen herabstürzenden Gießbäche sehr zum Schaden des Baues in das Innere eindringen.

Leider schreitet der Verfall von Feria Bagh unaufhaltsam vorwärts. Die vielen offenen Wunden, die der Bau bereits hat, bieten den zerstörenden Einwirkungen von tropischen Regengüssen und dem den festesten Quader-verband sprengenden Pflanzenwuchs nur zu gefährliche Angriffspunkte. Bei dem bedauerlichen Mangel an staatlicher Pflege dürfte der Untergang des in seiner Art großartigen und wertvollen Denkmals besiegelt sein."

8. Südindische Palastbauten des 16. und 17. Jahrhunderts.

Feria Bagh und Tippu Sahibs Baradari in Seringapatam sind in Planbildung, räumlicher Gestaltung und Form nur aus dem Zusammenhang mit der Hofkunst der Mogulresidenzen zu erklären. Südindische Eigenart haben sie nicht. Diese im Wohnbau zu fassen hält allerdings schwer. Die Tempelbaukunst der Drawidaländer ist eine völlig klare Erscheinung und läßt sich in ihren aufeinanderfolgenden Entwicklungsphasen vom 7. bis zum 20. Jahrhundert genau verfolgen. Alte südindische Paläste gibt es aber nicht -- oder sie sind bisher nicht bekannt geworden. Erst aus dem 16. Jahrhundert sind Wohnbauten erhalten, aber nur zum geringsten Teil aufgenommen und veröffentlicht. So ist es kaum möglich, Typisches zu sehen und festzustellen, was nun eigentlich drawidisch, bodenständig ist, zumal es nichts gibt, was vor der Berührung mit dem Islam entstanden wäre. Widschajanagar, die Hauptstadt des großen südindischen Staatenbundes, und das dem Sinne nach gleichnamige Bidschapur stehen einander gegenüber, und wieder anders zeigt sich der Palastbau in Madura, wo sich unter Tirumalai Naik in der Mitte des 17. Jahrhunderts drawidische Eigenart noch einmal in großartigen Tempelbauten verkörperte.

Widsehajanagar fiel 1565, zwei Jahre vor Tschitorgarh. Die verbündeten islamischen Reiche des nördlichen Dekhan,Bidschapur,Ahmednagar und Golkonda vernichteten Ram Radschas Heer bei Talikot, die „Siegesstadt" fiel widerstandslos und ging in Flammen auf. Sie muß eine der seltsamsten Städte Indiens gewesen sein. Ein moderner Städtebauer würde kaum den Platz ausgewählt haben. Das ganze Stadtgebiet ist mit kleinen felsigen Hiigeln übersät, Granitfelsen, die in den abenteuerlichsten Formen aus dem hügeligen, von Rinnsalen

durchfurchten Gelände herausstarren. Riesige Granitblöcke liegen überall umher. Eine granitene Stadtmauer umzieht — geschickt einzelne Hügel und Felsblöcke nutzend — in unregelmäßigem Zuge, wie es die Anlage der Befestigungslinie im bergigen Gelände verlangte, eine Fläche von nahezu 20 Quadratkilometern. Die zahlreichen Ruinen, die zwischen Feldern, Baumpflanzungen und Gestrüpp das unübersichtliche Stadtgebiet bedecken, lassen sich ohne einen Plan nicht zu einem Ganzen zusammenfügen 1). Straßenzüge sind zum Teil noch erkennbar, so die langen Basarstraßen, die mit ihren Pfeilerhallen an die Säulenstraßen römisch-syrischer Städte erinnern. Von Häusern steht nichts mehr. Sie waren, wie der Italiener Cesare Federici, der die Stadt zwei Jahre nach ihrem Untergang als verlassene, von wilden Tieren bewohnte Wüstenei sah, aus Lehm gebaut, wie auch heute noch die meisten südindischen Stadthäuser. Am Westende der Stadt liegt die Burg mit den Palästen des Königs und der Großen des Reiches, Bädern, Kasernen für die Palastwache, einer Arena für Tierhetzen, einer Münze, Tempfln und anderem mehr. Der Portugiese Paes, der Widschajanagar in der Zeit seines höchsten Glanzes sah, beschreibt die Bauten „mit flachen Dächern, wie sie bei ihnen im Gebrauch sind". Er berichtet von Gärten und Baumalleen, die die ganze Stadt durchsetzt hätten. Eine offene Leitung aus Granitrinnen, die wie ein römischer Aquädukt die Unebenheiten des Geländes auf Pfeilern überwindet, versorgte von einem Stausee her die Palaststadt mit Wasser. Die Bestimmung der einzelnen Bauten stößt auf Schwierigkeiten und wird erst möglich sein, wenn genaue Pläne vor-

') Der Plan in Murrays Handbook of India (bei S. 381) genügt nur für eine allgemeine Orientierung.