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0029 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 29 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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Backsteinen zwischen persische Kielbogen im Palast des Maharadscha und schmückte seine Mauerflächen mit glasierten Fliesen in Schnittmosaik, einer insbesondere persischen Technik '). Man muß Havell darin zustimmen, daß viele der als eigentlich islamisch geltenden Elemente, namentlich die Bogenformen : Hufeisen-, Spitz-, Kiel- und Zackenbogen auf indischem Boden gar nichts Fremdes sind 2). Sie sind aus den zu Symbolen gewordenen altindischen Bogengiebeln abgeleitet und im buddhistischen Zentralasien in die Form gebracht worden, in der sie mit dem Islam nach Indien zurückkehrten. Auch Tonne und Kuppel haben als Raumformen, wie wir gesehen haben, in Indien uraltes Heimatrecht. Namentlich die Kuppel, das Dach des alten Rundhauses, ist mit dem Buddhismus ebenfalls als dessen Symbol in ihrer gebauchten indischen Form nach Turkestan gegangen, um von dort die iranische Wölbkuppel formal zu beeinflussen und als Wölbdecke mit dem Islam nach Indien zurückzuwandern, wo man ihr bezeichnenderweise bei der Ausführung in Stein die radialen Rippen gern wiedergab, die die alte indische Holzkuppel besessen hatte. Man darf aber doch nicht übersehen, daß diese Dinge in ihrer persischen Prägung in Indien auftreten, ihres ursprünglich indischen Wesens entkleidet, um nun erst wieder indisch zu werden. Manches, so vor allem die Wölbung, hat lange gebraucht, um sich in Indien durchzusetzen, sicher nicht, weil die indischen Architekten unfähig gewesen wären, die Fronten der Moscheen und ihre Kuppeln in Keilsteinen zu wölben, sondern weil sie ihr Oberkragungsverfahren, bei dem keine schwer zu berechnenden Schubkräfte auftraten und das kein Lehrgerüst erforderte, für besser hielten, und dazu auch bei dem leicht in langen Balken brechenden ausgezeichneten Steinmaterial berechtigt waren. Auch Indien hat in einigen Gegenden, so in Bengalen, den Backsteinbau seit alters gepflegt und, wie Havell glaubhaft macht, im Zusammenhang damit auch das echte Gewölbe, Tonne und Bogen, die von dort nach Birma gingen '). In Sind hat Cousens bei Mirpur ein buddhistisches Kloster aus dem 6. Jahrhundert gefunden, dessen Bogen im Keilschnitt gewölbt und nicht in der üblichen indischen Art durch Oberkragung geschlossen waren'). Indessen bleibt die Tatsache bestehen, daß sich das Wölbverfahren nicht vor der islamischen Durchdringung verbreitet hat. Es hat das zweifellos seine bestimmten Gründe. Die sprichwörtliche Wölbfeindlichkeit des indischen Architekten, der dem Gewölbe nicht traut, ist es nicht allein. Der Hauptgrund ist wohl der, daß der Inder kein Bedürfnis nach großen Räumen hat. Auch der Mann der vornehmen Schichten fühlt sich in seinem Haus in merkwürdig kleinen und niedrigen Gemächern wohl, und wenn er größere Räume braucht, so zieht er den flach gedehnten, vielsäuligen Saal, in dem der Blick nicht nur nicht in die Weite und Höhe gehen kann, sondern auch nach den Seiten bald eine, wenn schon unbestimmte Grenze findet, einem weiten und hohen einheitlichen Raum vor, als habe er das Gefühl, Wand und Stütze müßten seinem Körper möglichst nahe sein. Es ist klar, daß bei dieser offenkundigen Abneigung gegen große, einheitliche und eindeutige Räume das Gewölbe keine Entwicklungsmöglichkeit hatte, da die verhältnismäßig geringen Spannweiten mit anderen Mitteln leichter

und nach dem Empfinden des Inders sicherer zu bewältigen waren. Erst der Islam bringt den gewölbten Großraum nach Indien, und nur Landfremde, Türken, sind es, die ihn auch im Wohnbau verlangen — oder, was nahezu dasselbe sagen will, im Grabbau. Auch dann bleibt die weit gespannte gewölbte Decke im Palastbau eine Ausnahme. In den Schlössern der Großmoguln in Agra, Lahor und Delhi sind die Thronsäle vielsäulige Hallen mit flachen Steinbalkendecken, und eigentlich nur in den freistehenden Gartenpalästen, den sogenannten Baradaris, sind die Gewölbe wirklich raumbildende Elemente.

Wohnbauten aus den Jahrhunderten um die Jahrtausendwende bis ins 14. Jahrhundert hinein sind überaus spärlich erhalten — oder, besser gesagt, nur in sehr geringem Umfange bekannt. Was bekannt ist, ist in unzulänglicher Weise aufgenommen oder wenigstens ungenügend veröffentlicht. In den Archiven des Archaeological Survey mögen gute Pläne liegen. Das Wenige, was die alten Bände des Archaeological Survey über Wohnbauten dieser Zeit bieten, ist indessen doch so belangvoll, daß ich es erwähnen möchte, da sich hier eine Reihe von Eigenheiten des späteren mittelalterlichen und .neuzeitlichen Wohnbaues zum ersten Mal beobachten lassen. Es handelt sich um einige Paläste des mittleren Hindustan, wenn man diesen anspruchsvollen Ausdruck für die verhältnismäßig bescheidenen Bauten gelten lassen will.

Das Haus oder den Palast in T s c h i 11 a in Bundelkand habe ich bereits kurz besprochen (s. Abb. 8)'). Es wird von Cunningham in das B. oder 9. Jahrhundert datiert, doch ist die veröffentlichte Schnittzeichnung so klein im Maßstab, daß man Schlüsse aus den Formen nicht ziehen kann -). Der Bau steht inmitten eines „Kot", eines im Viereck geführten Mauerringes mit Türmen an den Ecken. Ein Graben verstärkt die Befestigung. Der kleine Palast ist jetzt eingeschossig, doch erwähnt Cunningham, daß zur Stützung gebrochener Architrave vier vierkantige Pfeiler mit Sattelholzkapitellen derselben einfachen Art, wie sie das flache Dach tragen, nachträglich eingestellt worden seien, und schließt daraus wohl mit Recht, daß auf der Dachplattform ein viersäuliger offener Pavillon stand, eine Tschhatri 3), wie sie auf ein nordindisches Haus gehört, Türen und Fenster sind rechteckig. Die kleinen Fenster liegen hoch und sind mit dicken steinernen Gittern verwahrt. Ober deren Form und die spärliche Ornamentik der Türrahmen und Pfeiler sagt Cunningham nichts. Der Portalvorbau mit zwei von niedrigen Dächern beschatteten Steinbänken zu beiden Seiten des Einganges, scheint mir, soweit ich das aus dem Plan herauszulesen vermag, eine spätere Zutat zu sein. Ursprünglich zeigte die Eingangsfront des niedrigen vierkantigen Blockes offenbar die zweisäulige Vorhalle, eingespannt zwischen die geschlossenen Ecken, wie sie bereits dem altindischen Wohnbau geläufig war. Auf der Schnittzeichnung Cunninghams ist keinerlei oberer Abschluß der Außenwände angegeben, obwohl man für diese Zeit einen Tschhadscha 4), ein beschattendes Vordach, anzunehmen berechtigt ist.

  1. Havell nimmt allerdings auch tür die Erfindung und Verwendung glasierter Fliesen als Bauschmuck indischen Ursprung an.

  2. Indian architecture, S. 44, 54, 79 f.

  3. ebenda, S. 54 f. u. 123.

  4. Nach einer Bemerkung von Har Bilas Sarda. Ajmer historical and descriptive. 1911, S. 73.

1)s. oben S.5.

  1. Arch. Surv. Ind. vol. XXI 1885. S. 8 f. Taf. V.

  2. Tschhatri = Schirm, Sonnenschirm, Schirm als Abzeichen des Herrschers. Im Bauwesen bezeichnet man mit Tschhatri die von Säulen getragenen Baldachine oder Pavillons, die auf den Dachplattformen der Häuser stehen.

') Tschhadscha = Vordach, ausgekragte Galerie. Man bezeichnet mit Tschhadscha auch die ausgebreiteten Zweige eines Baumes. Die Ableitung von Tschhadsch, einem Gerät zum Kornreinigen, die ich in Bharatpur hörte, ist wohl nur volksetymologisch.

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