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0095 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 95 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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die rituelle Reinigung des Bauplatzes, die Wahl des Bauholzes und die beim Fällen der Bäume zu beobachtenden Riten. Den Grundriß soll man (99) auf dem geebneten Baugrund mit den Fingern, mit einem goldenen oder silbernen Gegenstand aufreißen oder mit Perlen, saurer Milch, Früchten, Blumen oder Gerste durch Ausstreuen oder Ausgießen bezeichnen, nicht aber mit Eisen, Häcksel, Asche oder Holz. Dabei soll man krumme und geknickte Linien vermeiden, da diese Unglück bedeuten.

Soweit das Brhat Sanhita. Die Regeln des Manasara gehen bei weitem nicht so ins einzelne. Merkwürdig ist bei aller sonstiger Verschiedenheit die Übereinstimmung hinsichtlich der Lage der Haustür, die auch nach dem Mana-sara nicht in der Mitte der Front liegen darf, sondern nach links verschoben sein muß. Im übrigen wird verlangt, daß die Türen in gleicher Höhe und in einer Achse liegen sollen.

Für Mohammedaner gelten die Regeln der Wastu Sastra allerdings nicht -- oder vielmehr, sie haben wie die Parsi ihre eignen. So kann man beispielsweise in Ahmedabad Häuser von verschiedenartiger Planbildung nebeneinander finden, deren einzelne Teile auch verschieden benannt werden, je nachdem der Besitzer ein brahminischer Hindu, ein Dschaina oder ein Mohammedaner ist.

Es gibt indessen gewisse Gemeinsamkeiten, die, sieht man von den Niitten der primitiven Stämme und den kümmerlichen Behausungen der in manchen Gegenden unsagbar verarmten bäuerlichen Bevölkerung ab, alle indischen Hausformen verbinden, sei der Bewohner Kaufmann, Priester, Handwerker oder Fürst. Es sind das die Dinge, die insbesondere auf den Eigenschaften von Boden und Klima beruhen. In erster Linie steht da die bereits oft erwähnte Dreiheit der Wohnelemente, die uns auch im Wohnbau älterer Zeiten auf Schritt und Tritt begegnet ist und die da sein muß, soll ein indisches Haus vollkommen sein: Hof = tschok, Halle = tibari und Zimmer = kothri. Forderungen des Klimas haben dazu geführt. In den kühlen Nächten der Wintermonate hat der Inder das Bedürfnis nach dem umschlossenen Raum, in dem an einem Maiabend der Aufenthalt unerträglich sein würde. Dann flüchtet männiglich auf den Hof oder ersteigt die Plattform des Daches, um unter freiem Himmel die Kühle des Abends zu genießen. Der Glut der Nachmittagsstunden sucht man in manchen Gegenden in den Serdabs zu entgehen. Während der Monsunzeit hält man sich vornehmlich in der Halle auf oder in den Tschhatris, sicher vor den Regengüssen und doch an der freien kühlen Luft, weil gerade in dieser Zeit die Zimmer dumpf und modrig sind. Auch unter den bescheidensten Umständen ist das städtische eingebaute Wohnhaus in Indien ein Hofhaus, aber die durch Regeln sanktionierte Macht der Gewohnheit hat es mit sich gebracht, daß der Hof auch unter Verhältnissen da sein muß, in denen er nur Nachteile bringt. Gesetzt den Fall, ein eingebautes Haus mit schmaler Front erstrecke sich in die Tiefe, so hat es wohl nach hinten einen verhältnismäßig großen offenen Platz, an dem der Kuhstall, Wirtschaftsräume, Brunnen und dergleichen liegen mögen. Der vordere Teil hat aber seinen besonderen Hof, oft einen kleinen, gepflasterten Raum, der durch die enge Öffnung zwischen den nach innen geneigten Dachflächen der Tschadschas dürftig erhell t wird. In der Regenzeit ergießen sich die Wassermassen durch dieses Impluvium auf den Hof, können nur mit Mühe

abgeleitet werden und durchfeuchten alles. Es wäre ein

Leichtes, diesem 'Feil des Hauses von der Straße her und

von hinten Luft und Licht zuzuführen, aber „die Sonne muß in das Haus scheinen können", und deshalb weicht man von der hergebrachten Regel nicht ab.

Will man die Dreiheit der Wohnelemente bei mehrgeschossigen Häusern in jedem Stockwerk haben, so führt das, wie man gesehen hat, zum Stufenbau, und in der Tat war jedes Haus, das ich kennen gelernt habe, ein Stufenhaus, wie ja auch die Mehrzahl der Paläste älterer und neuerer Zeit unter der Herrschaft des altindischen Stufenprinzips steht.

Da die einzelnen Teile des Hauses nicht ständig, sondern je nach der Tages- und Jahreszeit bewohnt werden, ist ihre Unterscheidung nach der Art der Benutzung nicht streng durchzuführen, insofern als Schlafräume, Wohnzimmer, Eßzimmer, Arbeitszimmer auch im vielräumigen Haus des begüterten Mannes je nach dem Bedürfnis ständig wechseln. Die wenigen Möbel, Teppiche, Matten, Kissen, einige leichte Bettgestelle, Hocker und dergleichen sind wirklich Möbel, die schnell nach Wunsch umgeräumt werden können. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. In einem gudscheratischen Haus sind z. B. die einzelnen Räume schärfer nach ihrem besonderen Wohnzweck unterschieden und haben auch eine ständige Einrichtung.

Zu diesen allgemeinen Zügen, die die Häuser der indischen Städte — und nur von solchen ist hier die Rede — insgesamt aufweisen, kommt noch ein weiterer, der sie insbesondere von denen der islamischen Welt unterscheidet. Durch die engen Straßen von Damaskus kann man lange gehen, ohne etwas anderes zu sehen, als kahle häßliche, schadhafte Lehmwände, ab und zu einmal eine hiibsche Haustür, einen vergitterten Erker, ohne zu ahnen, daß sich hinter dein abstoßenden Äußeren marmorgepflasterte Höfe mit sprudelnden Brunnen auftun, von üppig ausgestatteten Räumen umschlossen. Das indische Haus kehrt, gleichviel ob es in einer Küstenstadt Gudscherats steht, ob in Labor, in einer Radschputenstadt, in Madura in Südindien, sein Gesicht der Straße zu. Der Inder zeigt seinen Reichtum dadurch, daß er sein Haus von Außen schmückt, und verwendet selbst unter beschränkten Verhältnissen unverhältnismäßig viel Mittel auf die Fassade seines Hauses, während das innere oft dürftig genug behandelt wird. In den Wohnstraßen einer persischen, syrischen oder maghrebinischen Stadt, sieht man wenig Menschen. Sie gehen durch die Straße von und zum Hause. Wer außerhalb dessen Gesellschaft sucht, geht in den Basar, das Kaffeehaus, das Bad. Der Inder sitzt mit seinen Freunden auf der nie fehlenden Plattform seines Hauses, und in manchen (legenden, so in Gudscherat und in vielen Städten Südindiens, hat das Haus auf dieser längs seiner ganzen Front eine gesäulte Straßenhalle.

In A m b e r , der Vorgängerin Dschaipurs, hatte ich gehofft, ein günstiges Feld zum Studium radschputischer Wohnbauweise zu finden. Die Stadt liegt seit 1728 verlassen. Meine Erwartungen wurden aber getäuscht, da die Mehrzahl der Häuser so verfallen und verwachsen ist, daß sich zusammenhängende Pläne nicht gewinnen ließen. I)ie von Langurs und wilden Pfauen bevölkerten Ruinen mit der üppigen, überall eindringenden Pflanzenwelt bieten zwar dem Wanderer die reizvollsten Bilder, dem suchenden Forscher aber wenig geeignetes Material. Die wenigen besser erhaltenen Häuser aber werden von Jogis und anderen armen Leuten bewohnt, die meinem Tun das größte Mißtrauen entgegenbrachten.

Aus den meist lückenhaften Grundrissen, die ich in Amber aufgenommen habe, greife ich nur einen vollständigen heraus (Tafel 144). Das Grundstuck liegt mit einer Breitseite nach der Straße. Ein Außenhof legt sich euer vor das eigentliche Haus, nach der Straße durch einen Trakt von Läden begrenzt, gegen die Nachbarhäuser durch eingeschossige, zum Teil verfallene Hallen. Gut erhalten ist der stattliche Eingang mit seinem Kielbogen-

 

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