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0090 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 90 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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da.N wird eher zutreffen, das► denn Architekten diese Arkadessfront etwas Ungewohntes war. Über der Arkade muß man sich als Abschluß wiederum ein gekurvtes Kabodam-Vordach ergänzen.

Einer der reizvollsten Bauten Widschajanagars, der

das Nebeneinander drawidischer und persischer Elemente in harmonischer Vereinigung zeigt, ist das sogenannte „Bad der Königin". Auch diese Bezeichnung stimmt zweifellos nicht, denn das Gebäude liegt weitab vom Senana und außer Zusammenhang mit den übrigen Bauten nahe der Südmauer der Zitadelle. Im Äußeren ein schmuckloser glatter Würfel, den ein einfaches Portal durchbricht, birgt es im Innern ein rechteckiges, von einem schönen Hallengang umschlossenes Becken, das durch die erwähnte Granitrinnenleitung mit Wasser versorgt wurde. Wetzels Aufnahme (Tafel 155 oben) gibt einen Einblick in diesen Wasserhof. Kielbogenöffnungen in flachen rechteckigen Rücklagen wechseln mit Erkern, die über den charakteri-

stischen südindischen Konsolen mit hängenden Lotusblüten — Bodigai genannt = auskragen. Die zweireihige An-os dnung der Fenster dieser Erker, unten spitzbogige Offnungen, darüber liegend rechteckige Oberlichter, ist kennzeichnend. Über dem Kabodam-Vordach, das sowohl die Erker wie die ganze Front beschattete — über letzterer ist es abgestürzt — steht jedesmal an Stelle des nordindischen Zinnenkranzes eine Blendarkade. Bemerkenswert sind die Decken des Hallenganges. Auf Tafel 155 sieht man links unten eine Flachkuppel auf persischen Rippenzwickeln, während die Kalotte als Lotusblüte gestaltet ist. Die Decke erinnert an ähnliche in Feria Bagh (Tafel 168 Mitte). Das danebenstehende Bild gibt — ebenfalls in Stuck geschnitten und geformt — eine südindische Holzdecke, ein dichtgesparrtes Zeltdach, in dekorativer Umgestaltung wieder.

Nach der Schlacht bei Talikot und dem Fall von Widschajanagar zog sich das Geschlecht Ram Radschas nach Südosten ins nördliche Arkot zurück und setzte sich in Wellur und Tschandragiri fest, bis es ein Jahrhundert später (1646) Dschemschid Kutub Schah von Golkonda unterlag. In T s c h an d r a g i r i steht noch der Palast, in dem Sri Ranga Raja 1639 den Engländern durch einen Erlaß das erste Fußfassen in Südindien mit dem Bau der Festung Madras ermöglichte. Später als Absteigequartier reisender englischer Beamter benutzt, ist er zu diesem Zweck instand gehalten und mehrfach ausgebessert worden.

Das dreistöckige, aus Stein und Ziegeln aufgeführte, durchweg verputzte Bauwerk steht am Rande des alten Palastgartens, dein es seine offene Arkadenfront zukehrt (Tafel 156). Der symmetrische Grundriß weicht von allem ab, was mir sonst an indischen Palastbauten bekannt ist, und erinnert mit seinem großen quadratischen Mittelsaal, an den sich jederseits Flügel mit Treppenhäusern an den Enden anschließen, stark an einem barocken Schloßplan französischer Art. Tafel 156 gibt die Grundrisse des Erdgeschosses und des 2. Obergeschosses nebst dem Aufriß der Rückfront und dem Längsschnitt nach der Aufnahme von Chisholm1). Der Kern des Raumgefüges besteht, wie man sieht, aus dem erwähnten quadratischen Saal, der im Erdgeschoß dreiseitig von einem Pfeilerumgang gefaßt wird und sich nach rückwärts in Fenstern und einem großen Erker öffnet. Beiderseits stoßen schmälere Flügelräume an, die aber nicht mit ihm verbunden sind, sondern wie er nur von der großen, das ganze Grundrißrechteck nach vorn ausfüllenden und in elf Kielbogenjochen nach dem Garten geöffneten Pfeilerhalle aus betreten werden können. Die Treppenhäuser und Ecktürme an der Rückfront fassen

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den Bau an beidem Enden. In den Obergeschossets wiederholt sich der Grundriß mit gewissen Abweichungen. Der quadratische Mittelraum geht als Fest- oder Durbarsaal indessen durch zwei Geschosse durch und öffnet sich nach der Gartenseite in Arkaden. Der Umgang ist zweigeschossig, bildet also eine umlaufende Empore. Das zweite Obergeschoß setzt zurück, so daß nach der Gartenseite eine breite, von den hochgeführten Flügeln beiderseits begrenzte Terrasse entsteht. Aus der obersten Dachterrasse erhebt sich über der Mitte ein viertüriger quadratischer Kuppelraum, der wie die Baradari im Senana in Widschajanagar einen Helm in Gestalt einer Stufenpyramide trägt, bekrönt vom Sikaram. Kleinere Stufenhelme betonen die Ecken, jederseits verbunden durch eine schmale Halle, in der die Treppe zur Dachplattform mündet. Schirmwände mit Fensteröffnungen schließen diese ab.

Die Architektur knüpft auch im übrigen erklärlicher-weise an die Art von Widschajanagar an. Es treten dieselben Erker mit zwei Fensterreihen auf wie im dortigen Bad, dieselben Pfeiler-, Konsol- und Cesimsformen, ebenso der Kielbogen, während der Zackenbogen fehlt. Indessen zeigt der Palast architektonisch mancherlei Schwächen. So sind die Kielbogenjoche der Rückfront im gleichen Geschoß von verschiedener Breite und Höhe, die trennenden Pfeiler ungleich breit. Die kleinteilige Gliederung des untersten Geschosses stimmt nicht zu der großteiligen der Obergeschosse, auch nicht in dem sonst am besten geglückten Mittelrisalit. Chisholm ') meint, die Unausgeglichenheiten der Flügelfronten wären nicht in Erscheinung getreten, weil man über den ausgekragten Balkons verschleiernde Gitterwände ergänzen müsse. Indessen ist, verglichen mit Widschajanagars Bauten, eine entschiedene Vergröberung des architektonischen Empfindens festzustellen, auch in den Einzelheiten. Das sieht man an der häßlichen Linienführung der Bögen und an anderem mehr. Gäbe es nicht aus gleicher Zeit Tempel, die Beweis für die ungebrochene baukünstlerische Kraft Südindiens wären, Bauten wie der Palast inTschandragiri wurden einem keine hohe Meinung von dieser beibringen. Man sieht aber gleich, daß es das Landfremde, Persische, ist, was dem Architekten nicht liegt. Im ganzen wird man dem Bauwerk eine gewisse Wirkung nicht absprechen können. Sie beruht aber nicht au[ den in Rhythmus und Verhältnissen verfehlten persischen Arkadenfronten, sondern im wesentlichen auf der fesselnden Erscheinung der Dachpyramiden -- und die sind in Ursprung und Wesen drawidisch.

Betrachtet man die Grundrisse auf die Art der Raumgestaltung, so erkennt man deutlich das Pfostenhaus: die Pfeilerhallen sind das Ursprüngliche. Ihrer drei bauen sich mit ihren in quadratischen Jochen stehenden Stützen übereinander, die beiden unteren in drei, die oberste in zwei Jochen Tiefe. Sieht man vom Mittelraum ab, der als besonderer Raumkörper in dieses Hallensystem eingestellt ist, so sind im übrigen die Räume so gewonnen, daß

man die gewünschte Anzahl der über den verbindenden

Bogen mit Flachkuppeln überwölbten Joche zusammen-

faßte und durch eingezogene Wände abgrenzte.

Zwischen Widschajanagar und den Hauptstädten der islamischen Staaten des Dekhan, Bidschapur, Ahmednagar und Golkonda, haben selbstverständlich nicht nur politische Beziehungen bestanden — freundliche oder feindliche —, sondern auch kulturelle, die sich in der Baukunst am sichtbarsten darstellen. Es ist aber nicht so, wie Havell das erweisen möchte, daß die Architektur dieser islamischen Staaten ganz auf siidindischeH Voraussetzungen beruhe, daß man das Werden ihrer ßauweise in Widschajanagar

1) Chisholm, F. R. The old palace of Chandragiri. Indian antiquary, vol. III. Bombay 1883 S. 294 f.

1) A. a. O. S. 295 f.