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0025 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 25 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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dermaßen unverschleiert, daß ein größerer Gegensatz zu der mehr als klösterlichen Abgeschiedenheit, in der die Inderin in späterer Zeit bis heute lebt, kaum zu denken ist. Die mir in der Übersetzung zugänglichen alten indischen Architekturtraktate, die sich mit dem Wohnhausbau befassen, das Manasara und das Brhat Sanhita 2) besagen nichts über eine Trennung von Männer- und Frauenhaus, ebenso wenig das Manawa Dharma Sastra.

Für die äußere und innere Ausstattung der Häuser, die Behandlung der Wände, Decken, Fußböden, Säulen, Fenster und Türen mit Malerei, Stuckierung, Schnitzarbeit gibt die alte Literatur wertvolle Anhaltspunkte, die allerdings wie die Denkmäler, die man dafür heranziehen kann, aus sehr verschiedenen Zeiten stammen. Daß die Häuser farbig waren, glaubt man aus einem Vers des Ramajana herauszulesen, der von den buntgemalten, den Feldern eines Schachbrettes vergleichbaren Steinflächen der Häuser spricht 3). Meist heißt es aber, daß die Häuser „vollkommen weiß" waren und den Schneegipfeln des Himalaja glichen 4) oder den Wolken und dem Mondlicht 5). Der Inder pflegt in manchen Gegenden auch heute sein Haus zu verschiedenen Festen von oben bis unten neu zu weißen, so zum Diwali- oder Lampenfest im Monat Kartik (November), und eine dicke Kruste aus immer wiederholten weißen Kalkanstrichen deckt die Feinheiten sorgsamster Steinmetzarbeit und die natürliche Farbe oft kostbaren Steines vieler älterer Häuser zu.

Die Reliefs von Santschi geben nur das Äußere der Häuser in einer etwas summarischen Behandlung. Einzelheiten sind unterdrückt, und nur gelegentlich werden etwa Säulenkapitelle, einfache Sattelhölzer oder iranische Kompositkapitelle, gezeigt. Wie man sich aber um 100 v. Chr. und später das Holzwerk geschnitzt zu denken hat, lehren die Torane und Zaunpfosten von Santschi, Barahat und Amarawati, sowie die jüngeren ornamentalen Reliefs von Sarnath und Amarawati. Pflanzenwerk spielt die Hauptrolle, Rosetten, vor allem Lotus- und Weinranken, durchsetzt mit Figürlichem: Menschen, Mischwesen und Tieren. Alles das hat neben seiner schmückenden Bedeutung zweifellos auch eine symbolische, wie die in das Schmuckwerk verflochtenen Symbole selbst, Trisul und anderes 6). Von dem silbernen und goldenen Weinrankenornament, in dem Vögel sich tummeln, berichtet Curtius Rufus in seiner Geschichte Alexanders des Großen bei der Beschreibung indischer Paläste ' ). Das Mahawansa erzählt von den Blumenornamenten des Lohapasada, die mit Edelsteinen ausgelegt gewesen seien, von goldenen Gehängen, die die Gemächer geschmückt hätten, von goldenen Säulen in der Gestalt von Löwen und anderen Tieren, also wohl persisch beeinflußte Kapitelle oder Tiersäulen, wie sie die drawidische Kunst später kennt s). Hellenistische Formen

Diese Verbindung eines Hofhauses mit einem freistehenden Bau inmitten ist in Indien sicher alt. Der Gedanke daran hat den Höhlenarchitekten geleitet, der in Dhamnar einen Tschaitja in seinem Pfeilersaal stehen ließ' ). Er liegt auch der Anlage des Kailas zu Ellora und den jüngeren drawidischen Tempeln zugrunde, begegnet aber auch im indischen Palastbau der Neuzeit. Es liegt dem eine zweite Art der Hofbildung zugrunde, die anscheinend insbesondere indisch ist. Vom Bronzekloster des Duttha Gamani sagt das Mahawansa, es habe innerhalb einer Ringmauer mit vier — doch wohl in den vier Achsen zu denkenden — Toren gestanden 2). Von mehrfachen konzentrischen Umhegungen der Götterpaläste berichten die von Beal aus dem Chinesischen übersetzten buddhistischen Sasti a immer wieder 3) — und es scheint, daß der zaunumhegte Ringhof um die Einzelhäuser das Ursprüngliche in Indien ist — wie beim germanischen Haus 4). Der Ringzaun — kreisrund um den Stupa — kehrt wieder bei den umlaufenden Galerien, die die höheren Stockwerke der Häuser in Santschi umziehen.

Die inmitten der Höfe oder in Gärten frei stehenden Häuser mag man sich im Grundriß als vierseitig symmetrische Bildungen zu denken haben, wie die Raths des Dharmaradscha und Bhima (Abb. 6 und 7), ohne daß man sich den stufenförmigen Aufbau stets an die regelmäßige Plangestaltung des Erdgeschosses gebunden vorzustellen braucht, wenigstens nicht, wenn man spätere Gepflogenheiten im indischen Wohnbau zugrunde legen darf. Auf den Toranreliefs von Santschi sind anscheinend solche villenartige Bauten, die der Nordinder heute ganz allgemein Baradari 5) nennen würde, in mauerumschlossenen Gärten dargestellt (Abb. 19).

Im Haus des Inders von heute besteht, sofern er einer höheren Kaste angehört, eine scharfe Teilung zwischen Männerhaus und Frauenhaus, M a r d a n a und S e n a n a. Im Mardana lebt der Hausherr im Verkehr mit der Öffentlichkeit, empfängt Gäste, speist mit seinen Freunden, schließt Geschäfte ab. Im Senana spielt sich in strengster Abgeschlossenheit das Familienleben ab, in das Außenstehende keinen Einblick tun dürfen. Es fragt sich, inwieweit man beim alten indischen Haus eine solche Scheidung annehmen muß. Die überreiche Literatur, die uns in das tägliche Leben einführt, Dramen, Märchen, die buddhistischen Dschatakas, zeigt, daß die Frau im alten Indien eine wesentlich freiere Stellung einnahm als heute, daß sie ihr Leben durchaus nicht in strengster Abgeschlossenheit hinter dem Perda 6) zubrachte wie etwa die heutige Radschputni. Wir lesen bei Fa' Hien, daß der König mit der Königin und den Hofdamen von einem Altan über dem Stadttor der Prozession zusehen und Blumen auf den Buddhawagen werfen 7), und die Reliefs von Santschi geben zusammen mit einzelnen Fresken in Adschanta die glänzendsten bildlichen Belege für dieses Beieinander von Mann und Frau der höchsten Stände in aller Öffentlichkeit.. Namentlich die Frauen zeigen sich da

') Siehe Fergusson, Hist. Ind. auch. I Fig. 86.

  1. a. a. O. XXVII, S. 103 ff.

  2. Beal, A catena of Buddhist skriptures from the Chinese, 1871, wo es z. B. vom Palast des Höllenkönigs Dschemmara heißt, er sei 6000 Jodschanas lang und breit, umschlossen von sieben Mauern, sieben verzierten Zäunen, sieben goldenen Gittern, sieben Baumalleen.

`) Rank, Kulturgeschichte des deutschen Bauernhauses, 1913, S. 13.

5) Ueber Baradaris vgl. unten S. 71 ff.

e) Das aus dem Persischen entnommene Wort bedeutet die Scheidewand — wirklich oder bildlich — die die Frau von der Außenwelt trennt: Vorhang, Gitter, Schleier, die Tür zwischen Mardana und Senana, die Außenmauern des Senanabaus usw.

7) Beal, Si-yu-ki. Buddhist records I, S. XXV.

  1. Siehe oben S. 13, Fußnote 1.

  2. Das Brhat-Sanhitå des Varåha-mihira. Kap. 53. Engl. Uebers. von H. Kern. Journ. of the R. Asiatic Society N. S. Bd. 6. London 1873. S. 279 ff.

  3. Ramayana. Uebers. v. Menrad. 1897, S. 33.

') Mahabharata, Swayamwara Parva. Sect. CLXXXVII des Adi Parva. (Uebers. und herausgeg. von Pratapa Chandra Ray. Calcutta 1893.) S. 525.

  1. Ebenda, Viduragamma Parva (Sect. CCIX des Adi Parva). S. 577.

  2. Vgl. Brhat Sanhita a. a. O. 82, wo gesagt wird, daß man die Haustür mit glückverheißenden Symbolen, Wassertöpfen, Früchten, Blattwerk, Götterfiguren u. a. schmücken soll.

') Vgl. Strzygowski. Altai, Iran u. Völkerwanderung. 1917. S. 72.

8) a. a. O. S. 104.