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0066 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 66 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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öffnet sich im größeren Raunt zwischen zwei Fronten nach dem Fluß und bot Gelegenheit zur Aussicht. Reliefierte Wasserbecken mit Springbrunnen sollten die Luft kühlen. Über den vom Kanal durchströmten Gang gelangt man in das Kaltbad 1). Im Hauptraum tieft sich hier das große quadratische Becken mit umlaufender Sitzstufe und erhöhtem, außen profilierten Rand in den Boden ein. Zur Kühlung der Luft ist in den rings um das Becken liegenden Gang eine flache Wasserrinne eingeschnitten, die man in den Türachsen auf Brückchen überschreitet. Das Licht fällt durch eine achteckige Öffnung im Scheitel der als Klostergewölbe gebildeten Decke ein. Im kuppelüberwölbten Beiraum steht ein marmornes Ruhebett. Über einen zweiten Gang betritt man das Dampfbad mit der westlich angebauten Heizung. Ein quadratisches Becken für warmes Wasser tieft sich im Beiraum ein. Wandsockel und Fußboden sind in allen Räumen mit Marmor belegt und mit Rankenfriesen und Blumen in Einlegearbeit geschmückt. Die oberen Wandteile und die Wölbdecken sind und waren wohl stets mit feinem weißen Putz überzogen und nicht farbig behandelt, wie Fanshawe angibt. Die einfache Rahmenteilung der Wände und das feine gerautete Zellenwerk der Bogenleibungen, Zwickel und Kuppelflächen wirken mit dieser glatten, sauberen, weißen Haut überaus klar und geben den Räumen die kühlfrische Stimmung, die man im heißen Land vom Bad verlangt. Das Kaltbad gibt sich auch mit seinem üppig mit Steineinlagen geschmückten Fußboden als der wichtigste Raum.

Die enge Nachbarschaft von Bad und Thronsaal, die sich ja auch in Agra findet2), mag befremden. Der islamische Osten hat von der antiken Kultur das Erbe des Luxusbades überkommen, das das christliche Abendland verkümmern ließ. Welche Rolle das Bad im Leben islamischer Fürstenhöfe spielte und welch nach unseren Begriffen groteske Szenen sich dort abspielten, erfährt man aus dem Kitab el Arani 3), das beschreibt, wie der Ommajade Walid II. sich vor seinem ganzen Hofstaat in das mit Rosenwasser gefüllte Badebecken warf und sich dann von dem medinensischen Sänger Ma'bud ansingen ließ. Auch Baber berichtet, daß ihm seine Truppenführer nach der siegreichen Schlacht gegen die Bengalis ihre Aufwartung machten, während er ein Bad nahm, und von ihm bei dieser Gelegenheit mit Auszeichnungen bedacht wurden. War aber das Bad des Fürsten sozusagen eine offizielle Handlung wie die Levée des französischen Königs, so war der Baderaum ein Repräsentationsraum und mußte dementsprechend angelegt und ausgestattet werden. Bezeichnend ist, daß die Benennung Ghasl Chane — Badehaus — auf den ganzen Diwan-i-Chas ausgedehnt wurde. Schah Dschehans Architekt hat es verstanden, dem Gedanken des Repräsentationsbades künstlerische Gestalt zu geben. Ein vornehmeres Bad dürfte in nachantiker Zeit kaum irgendwo entstanden sein. Wenn Baber die Einführung des Bades in Indien, das dort, wie er sagt, vor ihm unbekannt gewesen sei, für sich in Anspruch nimmt, so ist das natürlich mit starken Einschränkungen zu verstehen. Auch der Inder hat seit jeher im Freien wie in seinem Hause gebadet — gehört doch das Bad zu den wichtigsten rituellen Handlungen —, und daß die islamischen Türken die Therme in Indien nicht ebenso eingeführt haben sollten wie der Islam in allen von ihm eroberten Ländern, wäre äußerst verwunderlich, obzwar das Tarich-i-Firus Schahi des Schems-i-Siradsch

'Afif bei der Aufzählung der von Finis Schah errichteten Bauten keine öffentlichen Bäder aufführt, ebensowenig Ibn Batuta in seiner Beschreibung Delhis zur Zeit Mohammed Tughlaks. Bäder pflegen von den islamischen Autoren sonst selten vergessen zu werden.

Westlich des Badgebäudes und von ihm durch einen Zwischenraum getrennt steht in gleicher Flucht mit seinem etwas zurücktretendem Westflügel das Moti Masdschid, die Perlenmoschee, die 1659 von Aurangseb den Bauten seines Vaters hinzugefügt wurde, wie er auch in Agra das Nadschina Masdschid beim Matschhi Bhawan als Palastkapelle erbaute. Bei seinen weniger zelotischen Vorfahren war das Betbedürfnis nicht in dem Maße entwickelt. Auf Tafel 65 sieht man aus dem Diwan-i-Chas auf die drei geschwollenen Marmorkuppeln und zahlreichen Schein-minarets des kleinen, von zinnenbekriinter, gefelderter Sandsteinmauer kastenartig umhüllten Bauwerks, das den seltsam raschen Verfall des Stiles während der Regierung Aurangsebs deutlich vor Augen führt. Indessen ist der weißmarmorne Hof mit dem dreischiffigen Sanktuarium nicht ohne Stimmung.

Die geradlinige Verlängerung der Rückwand des Bades und der Nordwand der Perlenmoschee grenzte dem Hindu-plan zufolge den mittleren Streifen der Palastanlage gegen den nördlichen mit den Gärten ab. Was an Baulichkeiten zwischen diesen und dem Diwan-i-Am-Hof lag, ist restlos zerstört. Den mutmaßlichen Kavalierbau zur Aufnahme vornehmer Gäste erwähnte ich bereits. Westlich von ihm verzeichnet der Plan ein größeres Gebäude von rechteckigem Grundriß, das vierseitig Hallen nach einem Binnenhof kehrt und dadurch auffällt, daß es frei auf einem Platz steht, also von einem zur Bewachung geeigneten Umgang umschlossen ist. Zugänglich ist es durch das nördliche Achsentor des Diwan-i-Am-Hofes. Aus der isolierten Lage mag man schließen dürfen, daß hier besonders wichtige Dinge aufbewahrt wurden, und etwa das Archiv oder eher noch das Schatzhaus in ihm sehen wollen. Dunkel bleibt der Zweck des westlich anschließenden Hallenhofes, der nach dem Vorhof des Nekare-Chane übergreift. Solche Hallenbauten pflegen Ställe zu sein, doch bestand dem Hinduplan zufolge nur eine Verbindung nach dem Diwan-i-Am und nicht unmittelbar nach außen.

Von den beiden Gärten, die den Nordstreifen der Palastanlage einnehmen, besteht nur noch der östliche, der Hajat Baksch oder „Lebensspender", der wie die noch stehenden Palastteile in den letzten Jahrzehnten in seinen Hauptzügen wiederhergestellt wurde '). Es ist wie der Anguri Bagh in Agra der typische Tschar Bagh, der Vierungsgarten der Mogulzeit, nur ist die Viertelung doppelt durchgeführt, d. h. jedes der durch das Kanalkreuz abgeteilten Viertel des Quadrats ist durch schmälere Kanäle wieder geviertelt, und in den Kreuzungspunkten erheben sich wie in der Mitte des Hauptkreuzes vier- oder achteckige Tschabutras, auf denen man sich, vom Wasser umgeben, zur Unterhaltung oder auch zum Mahl niederließ. Der große Tschabutra in der Gartenmitte trägt einen kleinen quadratischen roten Sandsteinbau mit Tiiren in den Achsen der von Dschalifenstern durchbrochenen Wände und einem heute hofartig offen liegenden Mittelraum, der ursprünglich wohl überdeckt war. Auf dem Plan, Tafel 60, ist diese lnselbaradari, die den Namen Safar Mahal führt, nicht dargestellt. In den Kreuzachsen standen sich am Gartenrand Einzelbauten gegenüber. Der auf der Flußplattform, den der Hinduplan ebenso wie der

  1. Daß dieser Gang, wie Fanshawe a. a. O. S. 38, die Männerabteilung von der Frauenabteilung geschieden habe, ist mehr als unwahrscheinlich.

  2. S. oben S. 49.

  3. S. Musil, Kuseir Amra S. 159.

1) Wie weit sich die Wiederherstellungsarbeiten erstreckten, vermag ich nicht zu sagen. Nach Fanshawe, a. a. O. S. 39, scheint nicht eben icl mehr erhalten gewesen zu sein.