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0061 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 61 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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blick in die Tibari mit ihren stämmigen Säulen, deren Fasen mit eingelegten Wellenranken geschmückt sind, dem reliefierten Springbrunnenbecken und den eigentümlichen Nischenwänden. Zu dem reichen Zierwerk der Wände, Säulen und Architrave stehen die glatten, ungeschmückten Halbkuppeln der Türmchen und Deckenflächen in wohltuendem Gegensatz. Die Außenhalle mit ihren wesentlich schlankeren Säulen zeigt Tafel 56 von zwei verschiedenen Seiten. Auf dem schmalen, vertieften Gang hinter dem Marmorgeländer pflegte man auf Kissen zu sitzen, wenn man die Abendkiihle und den Blick in die Landschaft genießen oder den Vorgängen unten im Zwinger der Burg, Tierkämpfen oder Hinrichtungen, zusehen wollte. Der indischen Sitzweise entsprechend sind die Brüstungen niedrig. Das Obergeschoß besteht nur aus einer Achtecktschhatri, die eine vergoldete Kuppel krönt — neben den drei Kuppeln der Perlenmoschee das weithin leuchtende Wahrzeichen der Agraer Burg. Von der Thronterrasse gesehen ist der Umriß des Musamman Burdsch nicht eben glücklich (Tafel 52), insbesondere nicht der der Tschhatri, die sich mit ihrer gedrückten Kuppel vereinsamt aus der Dachplattform heraushebt ohne klaren Zusammenhang mit dem Unterbau. Das häßliche zaunartige Geländer ist modern. Das untere Gemach, der Umgang und vor allem die Tibari mit ihrem reliefierten Becken und dem von durchbrochenen Marmorschranken umgrenzten Höfchen (Tafel 55) gehören indessen zu den erlesensten Köstlichkeiten des Palastes.

I)er Musamman Burdsch soll, wie gesagt, der Nur Dschehan und später ihrer Nichte Ardschumand Banu, die als Schah Dschehans Gattin Mumtas-i-Mahal hieß, als Wohnung gedient haben. Senanamäßig ist indessen seine Lage ganz und gar nicht, als nicht nur der Hof, sondern auch die Tibari, der Umgang und die Dachplattform nebst der Tschhatri vom Diwan-i-Chas und der Thronterrasse eingesehen werden können. So sehr sich die Stellung der Frau am Hofe Schah Dschehans gegen früher geändert haben mag — berichtet doch der Augustinerpater Sebastian Manrique von einem Festmahl in Lahor, an dem der Kaiser und die Damen des Senana, und zwar unverschleiert, teilnahmen —, so ist es doch einfach undenkbar, daß auf der Thronterrasse sich Prinzen und hohe Reichsbeamte zum Kronrat versammelten und dabei in die Schlafgemächer und in die Badewanne der Kaiserin — als solche wird das wegen seines reliefierten Bodens reichlich unbequeme schöne Becken in der Tibari erklärt ') — hinabsehen konnten! Weiter ist zu bemerken, daß die einzige unmittelbare Verbindung zwischen dem Diwan-i-Chas und dem Anguri Bagh über den Hof des Musamman Burdsch geht. Daraus möchte ich ebenfalls entnehmen, daß letzterer nicht zum Senana zu rechnen ist, sondern zum Privatgebrauch des Sultans bestimmt war. Die Überlieferung läßt ihn später von dem entthronten Schah Dschehan bewohnt werden.

Für die Hauptgemahlin erscheinen die Räume um den Südhof 14 als angemessenes Quartier, zumal deren zahl-eiche weibliche Dienerschaft in den vielen Gelassen des mit ihnen verbundenen „Roten Palastes" wohnen konnte `). Waren keine Empfänge oder Sitzungen im Diwan-i-Chas, so hatten die Frauen wohl auch Zutritt zum Matschhi Bhawan, zum Nadschina Masdschid und zum inneren Mina Basar, wo sie Einkäufe machen konnten und wo wohl

auch die von Bernier beschriebenen Scherzmärkte stattfanden, bei denen die Begums des Hofes, die Frauen und Töchter der Emire und der Sultan nach Art unserer Wohltätigkeitsbasare als Käufer und Händler auftraten. Auch den großen Audienzen im Diwan-i-Am konnten, wie gesagt, die Frauen unsichtbar hinter Gitterfenstern beiwohnen. Für gewöhnlich waren sie aber ohne Zweifel auf den Anguri Bagh und die um diesen gelegenen Räume beschränkt, während man sich in den Gelassen und Hallen um den Matschhi Bhawan die verschnittenen Leibsklaven des Sultans untergebracht denken mag.

Die großen, jetzt von den englischen Kasernen bestandenen Flächen waren selbstverständlich ebenfalls bebaut. Es mußte Raum vorhanden sein für den ungeheuren Troß von Sklaven, für die Hofbeamten und die Besatzung der Burg. Dazu muß man sich umfangreiche Küchenanlagen, Vorratshäuser, ein Arsenal und Ställe für Elefanten und Pferde vorstellen. Außer dem Matschhi Bhawan und dem Anguri Bagh waren zweifellos auch noch andere Gartenflächen vorhanden. Alles das ist spurlos verschwunden, manches anscheinend erst nach 1871, denn Cunningham erwähnt noch Bauteile, die heute nicht mehr zu linden sind.

Dem Palast zu Delhi ist es noch schlechter gegangen. Es stehen, aus dem Zusammenhang gerissen, nur noch wenige Einzelbauten. Die Höfe und ihre umschließenden Hallen sind völlig vernichtet. Es haben sich indessen Pläne des Palastes erhalten, ein indischer, der in Fer-

v nssons Besitz überging und von ihm veröffentlicht wurde') und ein zweiter, den Fanshawe in einer Umzeichnung wiedergibt ='). Beide weichen in wesentlichen Punkten voneinander ah. Ich habe sie zu dem auf Tafel 60 wiedergegebenen Grundriß der Gesamtanlage zusammenzuarbeiten versucht und dabei die noch stehenden Bauten nach eigener Messung eingetragen und als Festpunkte benutzt "). Beide Pläne waren indessen mit dem erhaltenen Bestand nicht überall in Einklang zu bringen. Der Plan Fanshawes geht gar nicht auf Einzelheiten ein und ist offenbar nicht von einem Architekten aufgenommen worden. Der Zeichner des Fergussonschen Planes hat an vielen Stellen entweder seine Phantasie frei walten lassen oder er gibt einen früheren Zustand wieder — oder endlich, er hat als Grundlage eine Entwurfszeichnung benutzt. Wertvoll ist sein Plan, als er das Gefüge des Palastes mit seinen vielen Höfen und Gärten erkennen läßt und zeigt, wie man sich dementsprechend auch das Schloß in Agra ergänzt denken muß. Im folgenden spreche ich von ihm als dem Hinduplan, von dem anderen als dem Fanshaweschen Plan.

Die Burg in Delhi, das Rote Schloß — Lal Kila — wurde seit 1638 von Schah Dschehan nördlich von Firusabad am rechten Dschamnaufer neu errichtet, und zwar im Zusammenhang mit der neuen, nach ihm Schahdschehanabad genannten Stadt, dem heutigen Delhi. Stadt und Burg sind nach einem einheitlichen Plan angelegt, der aber nicht vollständig zur Durchführung gekommen ist. Die Stadt sollte die Form eines Halbmondes erhalten und die Burg im Kreismittelpunkt amDschamnaufer stehen. Es ist indessen nur die südliche Hälfte des Halbkreises oder Halbpolygons zur Ausführung gekommen. Im Norden biegt die Stadtmauer scharf nach Osten um und schneidet die nördliche Spitze des Halbmondes ab. Für die allgemeine Richtung war die Kibla maßgebend, die in Delhi

  1. So von Villiers Stuart, Gardens of the Great Mughals S. 75.

  2. Der rote Palast war eine zeitlang die Wohnung der radschputischen Gemahlin Dschehangirs, Dschodh Bai, die fälschlich mit dem „Palast der Dschodh Bai" in Fathpur-Sikri in Verbindung gebracht wird.

  1. Hist. Ind. Arch. II fig. 431.

  2. Fanshawe. Delhi past and present. London 1902. Tafel bei S. 23.

  3. Den gleichen Versuch hat mit anderem Ergebnis La Roche gemacht. Indische Baukunst, Band VI, Doppeltafel XXXVIII.

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