National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0022 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 22 (Grayscale High Resolution Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000274
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

12

metrisch gruppiert. So zeigt ein solches Haus einen eben gedeckten Turm mit einer auskragenden Zinnenbrüstung, neben dem der Hauptbau zweigeschossig aufsteigt (Abb. 1S oben und ähnlich Abb. 14 a rechts). Den Eindruck bestimmen im wesentlichen die gekurvten Tonnendächer mit ihren Firstknäufen und den in der Art der „Zwerchhäuser" der deutschen Renaissance herausgezogenen Giebeln, die umlaufenden ausgekragten Balkone und Galerien mit ihren den Zäunen der Stupas völlig entsprechenden Brüstungen, ein stark bewegter, aufgelockerter Aufbau, der zu dem geschlossenen Untergeschoß oder dem straffen Hallengerüst in einem höchst wirkungsvollen Gegensatz gestanden haben muß.

I)ie hervorstechendste Eigenschaft dieser Häuser ist jedoch, namentlich wenn man sie mit anderen antiken Hausformen vergleicht, ihre Vielgeschossigkeit, und durch sie erhält das altindische Wohnhaus eine grundlegende Bedeutung für die ganze spätere Entwicklung der indischen Baukunst. Der Stockwerksbau ist der indischen Architektur, insbesondere der Sakralbaukunst, durch alle folgenden Jahrhunderte eigen geblieben, ist ihr leitendes Prinzip geworden, zu einem Symbol, das mit dem Buddhismus außer Landes ging, nach China, wo der in eingeschossigen Häusern zu ebener Erde lebende Chinese sich seine vielstöckigen „Pagoden" baut. Das Übereinander der Geschosse ist denn Inder zum Angelpunkt des architektonischen Denkens geworden. Die bekrönenden Pyramiden der Tempelzellen und Tempeltore Südindiens, Wimanams und Gopurams, türmten sich in zahlreichen Geschossen auf, und wenn man die Mihrabvorlage oder das Minare einer Moschee in Gudscherat auf die Profilierung untersucht, so findet man, daß da Geschoß über Geschoß angedeutet ist; immer wieder folgen sich Sockel, Schaftstück und Hauptgesims. Der Urgrund dieses Stockwerkprinzips, das schon im 2. vorchristlichen Jahrhundert die Gliederung der Felsfassaden von Höhlenkirchen und -klöstern beherrscht — sicher bereits mit symbolischer Bedeutung —, liegt im alten indischen Wohnbau. Iin Tropenland hat man dasBediirfnis, den Wohnraum über den feuchtheißen Brodem der bodennahen Luftschicht emporzuheben. 1)er indomalaiische Pfahlbau bezweckt ja nichts anderes. Sei es, daß der Pfahlbau der Keim zum mehrstöckigen indischen Haus ist, sei es, daß dieses einer Verschmelzung des Pfostenhauses mit dem Tonnenhaus seine Entstehung verdankt, in der Zeit, in der wir es aus Abbildungen kennen lernen, ist es ein vielgeschossiger Bau, und es hat sich die Meinung gebildet, daß das Wohnen im höchsten Stockwerk am angenehmsten und deshalb ein Recht des vornehmen Mannes sei. In der alten Literatur finden sich immer wieder Hinweise auf die vielgeschossigen hohen Häuser. Das Mahabharata erzählt im Swajamwara-Parwa von den siebenstöckigen hohen Häusern, die Draupada seinen Gästen zur Verfügung stellt, Häuser, die „weiß waren und den die Wolken küssenden Gipfeln des Kailas glichen')." Das Mahawansa, die Chronik von Ceylon, berichtet vom Bau des neungeschossigen Klosters Lohapasada oder Loha-Mahapaia, des „bronzenen Palastes", den der König Duttha Gamani der Legende zufolge nach dem Vorbild eines Götterpalastes errichten ließ 2). Es wird gesagt, daß das Gebäude, dessen 1600 aus Granit roh zugehauene Pfeiler in Anuradhapura noch aufrecht stehen 3), quadra-

ebene Erddächer. Es ist möglich, daß in diesen Getreideschobern ein Abbild der Uriórm heute noch lebend vor uns steht — was allerdings besagen würde, daß das altindische Langhaus mit dem Tonnendach, wenn es eine gewisse Größe überschritt, ursprünglich eine Reihe von Mittelpfosten zur Stützung der aus Bambus zu denkenden Firstpfette besaß. Die Umsetzung des Bauwerkes in eine wesentlich besser versteifte Holzkonstruktion mochte die Stützen überflüssig erscheinen lassen : sie fielen, aber die Firstzier blieb.

Die Reliefs auf den Toranas von Santschi, zu denen ergänzend die von Barahat und einige der allerdings wesentlich jiingeren Fresken in Adschanta treten, zeigen uns das vornehme altindische Haus als einen vielgliedrigen und vielgeschossigen Bau. Ich gebe in Abb. 18 und 19 zwei dieser Flachbildnereien nach Aufnahmen von

L. Preiß, die nach dem im Museum für Völkerkunde in Berlin stehenden Abguß des östlichen Torans gemacht sind, in Abb. 14 und 14 a zwei andere nach Fergnsson 1). Man sieht jedesmal in eine Stadt hinein, durch die sich eine Prozession zu einem Heiligtum, einem Bo-Baum oder Stupa bewegt, mit Elefanten, zweirädrigen, von reich aufgezäumten Pferden gezogenen Wagen, Reitern und Musikanten. Aus den die Gassen begrenzenden Häusern und Palästen sehen Männer und Frauen auf den Festzug herab. Sieht man sich die Häuser genauer an, so erkennt man die meisten im Vorhergehenden beschriebenen Hauselemente wieder. Die flachgedeckte Säulenhalle erscheint — eingeschossig — auf Abb. 18 rechts oben zwischen einem drei- oder viergeschossigen Haus links und der gleichfalls mehrstöckigen Giebelschmalwand eines tonnengedeckten Hauses oder Hausteiles rechts. Die von ihr getragene Plattform ist umhegt von einem Geländer, das den in Stein umgesetzten, die Stupas umziehenden Holzzäunen entspricht und als Geländer oder geschoßteilendes Horizontalglied immer und immer wieder auf den Reliefs und den Schauwänden der Felstschaitjas auftritt (Tafel 1 unten). Von einem gestuften Zinnenkranz umgürtet kommt diese Halle auf anderen Reliefs von Santschi vor. zwischen andere Bauten eingespannt oder anscheinend freistehend. An anderen Stellen trügt die Halle Aufbauten, Obergeschosse. Entweder es sind mehrere Hallen iibereinandergestellt, wie es ein Relief vom rechten Torm npfosten von Santschi wiedergibt, oder die Obergeschosse bauen sich mit ausgekragten Galerien oder Balkonen auf, auf die man au rechteckigen Türöffnungen heraustreten kann, und werden bekrönt von Raumgruppen, die das tonnenförmige Tschaitjadach tragen. Andere Bauten haben ein hohes, aus Mauerwerk zu denkendes Untergeschoß mit kleinen hochliegenden Fenstern, auf das sich drei oder vier in Holz konstruierte Geschosse der geschilderten Art aufbauen, jedes gegen das untere zurücktretend oder mit ausgekragten Galerien, offenen oder gedeckten, die durch eine Brüstung gesichert sind und oft rann das ganze Haus herumzulaufen scheinen. Die Fassaden bauen sich vielfach symmetrisch auf. Häufig ist namentlich eine Form, bei der Flügelrisalite eine mittlere Rücklage mit der Haustür fassen. Über ihnen kröpfen sich die Galerien mit Briistungen beiderseits vor, bekrönt von vorgezogenen Giebeln (Abb. 18 rechts unten, Abb. 19 links oben). Andere Häuser haben eine durch den vorgezogenen Giebel betonte Mitte. Statt des geschlossenen Untergeschosses kommen auch untere Hallengeschosse vor, auf deren Plattform sich die Obergeschosse mit kleinerer Grundfläche erheben — gelegentlich unsvm-

I) True and serpent worship.

i) Mahabharata. Engl. Uebersetzung herausgeg. von Pratapa Chandra Ray. Calcutta 1893. Adi Parva Sect. CLXXXVII, S. 525.

  1. Mahawansa. Englische Uebers. von Tumour und Wijesinha. Colombo 1898. Kap. XXVII, S. 103 ff.

  2. Abgeb. bei Woermann, Gesch. d. Kunst aller Zeiten und Völker. Bd. 2. Leipzig 1915. Abb. 168.