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0069 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 69 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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gegeben. Das zweite Stück, Abb. 273, ist zeitlich schwerer zu bestimmen. Es könnte be, trächtlich jünger sein, obwohl die Adler noch durchaus romanisch stilisiert sind. Nach J. Lessings Mitteilung kommen derartige Gewandmuster an den bemalten Apostelfiguren des 13. Jahrhunderts im Cölner Dom mehrfach vor; aber auch auf einem umbrischen Gemälde von 1404, der thronenden Muttergottes von Ottaviano Nelli in Gubbio,') ist als Behang des Hintergrundes ein ganz verwandtes Muster dargestellt. Es bleibt nur die Erklärung, daß ähnlich wie die sassanidischen Motive im Orient und in Byzanz, sich auch in Italien manche Muster jahrhundertelang im Gebrauch erhalten haben, sogar über die Zeit einer einschnei, denden Stilwandlung hinweg. Der auf Tafel 84a abgebildete Brokat mit romanischen Vögeln und palmettenartigen Bildungen in spitzbogig geschweiften Feldern ist nach Stil und Textur in demselben Betrieb wie die Kreuz: und Sterngewebe angefertigt, schwerlich vor Anfang des 14. Jahrhunderts.

Den besten Beweis für das zähe Festhalten an begehrten Seidenmustern liefert die nächstfolgende umfangreiche Gruppe Luccanischer Gewebe sarazenischen Stils, die wir in Italien durch ungefähr 300 Jahre verfolgen können. Ihre Blütezeit fällt ins 14. Jahrhundert; da die Muster jedoch, an Arbeiten der 12. Jahrhunderts anknüpfend, schon im 13. Jahrhundert fertig ausgebildet waren, muß die Gattung noch im Zusammenhang mit der vorgotischen Seidenkunst des hohen Mittelalters behandelt werden. Unter den Namen Dyasprum, Diasper oder Pannus diasperatus werden in den Inventaren des 13. und 14. Jahrhunderts, am allerhäufigsten im Schatzverzeichnis von S. Peter zu Rom aus dem Jahre 1361, Seiden, stoffe mit Papageien in Kreisen (Abb. 274) oder mit Paaren von Vögeln und Vierfüßlern ohne Kreise (Abb. 275) beschrieben, bei denen die Köpfe und Füße der Tiere und die Rund: felder der Vogelflügel aus Gold eingewebt sind. Der Gattungsname Diasprum bezieht sich nicht auf die Farbe, sondern er bezeichnet eine besondere Art der Damastbindung. Diese Stoffe waren ursprünglich nur einfarbig, und zwar ganz vorwiegend weiß, seltener grün oder rot;2) daneben erscheinen schon 1295 zweifarbige Diasperstoffe, bei welchen rotes Muster auf grünem Grund (wie Abb. 274), immer mit goldbroschierten Köpfen und Füßen, während des 14. Jahrhunderts vorherrschend bleibt. Das Muster ist sowohl bei den einfarbigen Damasten wie bei den zweifarbigen Stücken aus dicken ungedrehten und daher sehr glän, zenden Schußfäden so hergestellt, daß es in merklichem Relief von dem matten Grund sich abhebt. Sowohl an den Abbildungen 274, 275 wie an den Damasten Tafel 85 und 86 ist diese eigentümliche Diasperbindung deutlich zu erkennen.

Der Haupterzeugungsort dieser Diasperstoffe ist mindestens vom Ende des 13. Jahr, hunderts ab Lucca gewesen; die Schriftquellen lassen darüber keinen Zweifel. Auch An, tiochia wird oft als Heimat von Diaspern im Allgemeinen und von solchen mit gold, köpfigen Tiermustern im Besonderen erwähnt ;3) und da die Stadt im 13. Jahrhundert mit den syrischen Kreuzritterstaaten den Mamluken zugefallen war, ist es nicht verwunderlich, wenn ihre Seidenweberei dieser Zeit dem westislamischen Stil sich anschloß. Für Lucca sind die Zeugnisse zahlreicher. Mit dem rotgrünen Diasper Abb. 2744) stimmt zunächst eine

') Klassischer Bilderschatz nr. 175.

  1. Im römischen Inventar von 1295 finden sich die zahlreichsten Diaspergewebe in der Rubrik der Paramenta alba, nr. 906, 911, 913 bis 915, 917, 918, 921, 923 bis 926, 935 bis 937, 941.

  2. Franc. Michel I S. 32, 236: Im Inventar der Londoner Paulskirche von 1295: „Capa domini Ed, mundi Comitis Cornubiae (Graf seit 1272, Sohn König Richards von Cornwall) de quodam diaspero An= tioch. coloris tegulata cum arboribus et avibus diasperatis, quarum capita, pectora et pedes et flores in medio arborum sunt de aurifilo contextae." Ferner im Paramentenverzeichnis der Kirche zu Canterbury von 1315: „Vestimentum de panno rubeo Antioche, cum avibus et bestiis viridis, et capitibus et pedibus aureis; duae capae de panno albo de Antioche, cum avibus et bestiis rubeis, et capitibus et pedibus aureis."

') Originalstücke befinden sich im S. Kens. Mus., danach unsere Abbildung; im Museum Brüssel, abgeb. Katalog Errera nr. 9; in Lyon, abgeb. Cox, T. 20 fig. 2; im Pariser Kunstgewerbemuseum; im

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