National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0284 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 284 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000240
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

Florenz festlegen. Lucca, das dem Wettbewerb der nahen Kunstmetropole Florenz nicht standhalten konnte, geriet ins Hintertreffen; von 1585-1645 gingen 88 luccheser Seiden, häuser zugrunde.') Auf Luccas Kosten ist das florentinische Seidengewerbe groß geworden. Noch erfreuen sich die Stoffe von Venedig großen Rufes; aber es scheint, daß die Weber sich den wechselnden Ansprüchen des europäischen Marktes nicht genügend anpaßten. Der venezianer Gesandte Marino Cavalli berichtet um 1550 an die Signorie, daß Frank, reich, damals einer der größten Seidenkonsumenten, aus Venedig jährlich bloß für 60000 Scudi Seide, Gläser und Schmucksachen bezöge, während die Genuesen und Toskaner ungeheu, ren Nutzen aus dem Lande holten. Denn ihre Arbeit sei ganz nach dem Geschmack der Franzosen, das heißt sie machen Stoffe von geringem Preis und noch geringerer Dauer. Das sei grade, was die Franzosen brauchten, die ein Kleid nicht sehr lange tragen mögen.2)

Die spanische Seidenweberei stand unter den großen Königen Karl V und Philipp II in voller Blüte, bis Philipp III um 1610 durch die Austreibung der Morisken das Land eines vortrefflichen Arbeiterstammes beraubte. Während des 16. Jahrhunderts waren die schweren Goldstoffe Spaniens überall begehrt und auch Italien hat viel davon aufgenommen. Doch hatte Spanien für die Stilbildung geringere Bedeutung, da es seit der Aufnahme der Renaissance vorwiegend italienischen Vorbildern folgte.

Von französischen Seidenstoffen ist aus dem 16. Jahrh. noch gar nichts sicheres bekannt. Zwar reicht die erste Einrichtung von Seidenwebereien in Lyon und Tours bis um 1470 zurück.') Von Ludwig XI an ließen es die französischen Könige nicht an Privilegien fehlen, um ita, lienische Weber, vornehmlich Genuesen, heranzuziehen. Tatsächlich sind auch während des 16. Jahrhunderts in Lyon und Tours, zeitweilig auch in Paris und Montpellier Seiden; stoffe gewebt worden, die jedoch vermutlich bloß für die geringeren italienischen Sorten Ersatz bieten konnten. Der Aufstieg ging sehr langsam von Statten. Lyon war während der Renaissance noch nicht als Weberstadt bedeutend, sondern bloß als der Hauptstapelplatz für die von auswärts nach Frankreich eingeführte Seide. Hier saßen die Vertreter der großen Seidenhäuser von Florenz, Lucca, Genua und Mailand,°) die der französischen Weberei nicht wohlwollend gegenüber standen. Noch unter Heinrich IV konnte das einheimische Seiden: gewerbe trotz der warmen Fürsorge des Königs dem Verbrauch fremder Stoffe keinen nennens, werten Abbruch tun. Von einem maßgebenden Eingreifen in die künstlerische Entwicklung ist nichts zu bemerken, bis endlich im späten 17. Jahrhundert der allgemeine Aufschwung der französischen Kunst unter Ludwig XIV auch die Seidenweberei auf die Höhe mit empor, hob. Ihre Glanzzeit beginnt also erst mit dem Spätbarock.

Die Übergangsformen der Granatmuster.

Während die Renaissance in der Baukunst und den ihr folgenden Kunstzweigen eine ganz neue Formenwelt gegen die Gotik durchsetzt, äußert sich ihr Sieg in der Weberei keines, wegs als ein Bruch mit der Tradition, sondern vielmehr als eine allmähliche Umwandlung des Vorhandenen. Die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, soweit sie nicht noch gotische Muster beibehält, wird ganz durch die Anpassung der Granatmusterung an den neuen Ge, schmack in Anspruch genommen. Die Renaissance wählte aus den verschiedenen gotischen Musterschemen das während des 15. Jahrhunderts weniger begünstigte Spitzovalnetz mit Granatmotiven, weil es streng symmetrisch eine feste großzügige Flächengliederung gewährte. Die reinen Granatmuster ohne Rankenverbindung (vgl. Abb. 504) hat das 16. Jahrh. bald fallen gelassen; einen der nicht häufigen Versuche, auch diesen Typus zu adaptieren, zeigt

  1. Erculei, Tessuti e merletti, S. 28.

  2. Franc. Michel II S. 285.

  3. Franc. Michel II S. 270 ff.

  4. Francisque Michel II S. 278 nennt unter den in Lyon ansässigen Italienern während des 15. und 16. Jahrhunderts die Gondi, Guadagni, Strozzi, Pitti, Pazzi, Baglioni, Salviati, Capponi u. a.

120