National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0177 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 177 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000240
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

stoffen aus Lucca überein. Das sind keine bündigen Beweise, allein es ist auch ohne solche klar, daß die heimatlose Denkmälergruppe Lucca zugeschrieben werden muß. Denn die Stadt, welche die meisten und besten italienischen Seidenstoffe des 14. Jahrhunderts ge= schaffen hat, kann nur Lucca, damals noch der berühmteste und in den Inventaren am häufig: sten genannte Hauptort der Seidenkunst gewesen sein.

Die luccanischen Trecentogewebe.

Bevor wir den Wandlungen der bilderreichen Trecentomuster nachgehen, ist eine an: spruchslosere Gattung von Seidenstoffen vorauszunehmen, in denen die Gotik allein, ohne asiatischen Einschlag, zum Worte kommt. Das Grundmotiv bilden Weinranken mit Blät: tern und Trauben, ein Ornament also, das dem abendländischen Formenschatze der früh: gotischen Baukunst entstammt. Die Weinranken erscheinen zuweilen allein (Tafel 90a), häufiger vereint mit symmetrischen Tierpaaren, unter denen die Typen der romanischen Überlieferung, Greifen, Pfauen, Löwen überwiegen (Tafel 153). Den Zusammenhang mit der gotischen Bauornamentik bestätigen am besten die zwei Seidendamaste auf Tafel 154, zwi, schen deren Ranken und Tierpaaren Radfenster, d. h. Kreise mit radial gestellten Spitzbogen eingeordnet sind. Fragmente von Weinlaubstofien sind nicht selten;') das ansehnlichste Hauptstück ist die fälschlich auf den heiligen Dominicus (t 1221) zurückgeführte Kasel im Dorn von Toulouse, die zwischen den Weinranken Pfauen und Pelikane mit den italieni: schen Beischriften Paone und Pelice aufweist. Die Pfauen gleichen genau denjenigen des Radfensterstoffes Tafel 154b.2) Pelikane erscheinen in Verbindung mit Weinranken auch auf einem grünroten Seidenstoff in Stralsund Tafel 155a. Auf einem Weinlaubstoff der Berliner Sammlung sind an den Berührungsstellen der Spitzovalfelder gotische Buchstaben M, E, U, R, A paarweis eingewebt. 3) Daß die ganze Gattung aus Lucca stammt, ist sicher, weil die Bindung verschiedener Stücke, insbesondere der Radfensterdamaste Tafel 154a b mit den luccanischen Diaspergeweben identisch ist. Die Weinlaubstoffè werden daher im römischen Schatzverzeichnis vom Jahre 1361 kurzweg den Diaspern aus Lucca zu: gerechnet.')

Als ein weiteres Beispiel für die Übertragung eines Motivs aus der architektonisch: plastischen Ornamentik in die Weberei ist der aus Halberstadt in viele Museen gelangte Stoff Tafel 156b anzureihen; die zwischen die Schrägranken eingeschobenen Fabelwesen, weibliche Oberkörper auf Löwenrumpf, sind echt frühgotische Grottesken, wie sie im Nor, den auf geschnitzten Chorstühlen oder Goldschmiedewerken des 13. und 14. Jahrhunderts vorkommen.

Die Betrachtung des freien Stils muß von dem ältesten fest datierten Stoff ausgehen. Das ist ein blauer Goldbrokat, mit dem die Grabdalmatik Papst Benedikt XI (t 1304) auf der Brust, den Ärmeln und am unteren Rand besetzt ist (Abb.421).5) Die Dalmatik in Perugia zeigt keine Spuren, daß sie schon vor der Bestattung getragen worden wäre; man darf also die Entstehung des Brokats knapp vor 1304 ansetzen. Das Muster bilden palmettenartige

') Vgl. Dreger, Entw. T. 115, 116, 117, 118a; Kat. Miguel y Badia T. 125; Migeon, Les Arts du Tissu S. 68.

°) Das Muster der Kasel ist farbig abgeb. in den Melanges d'arch. II T. 36, 37; eine Variante mit Pfauen und Greifen Kat. Errera nr. 56; eine andere mit den Aufschriften Paone, Gripo, Drago und Felice in Düsseldorf.

3) Fischbach, T. 56b.

') Müntz e Frothingham, Tesoro di S. Pietro S. 35, 25, 20: „Una planeta de dyaspero de opere Lu. Cano laborato ad vites, pampanes et uvas de serico blavo in campo rubeo; pluviale de serico rubeo labo: rato ad aurum de opere Lucano ad vites et pampanes; aliud pluviale de dyaspero rubeo cum vitibus et uvis viridibus."

') Da eine in Perugia gefertigte Photographie keinen klaren Kontrast zwischen Grund und Muster herausgebracht hat, gibt die Abbildung 421 eine getreue Durchzeichnung der Aufnahme.

77