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0238 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 238 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Diese Beispiele beweisen ausreichend den Zusammenhang der Granatmuster mit dem chinesischen Lotus und sie lenken den Blick auf die Wanderungen, die das Urmotiv im Laufe von Jahrtausenden zurückgelegt hat. Die ägyptische Lotusblüte wandelten Assyrer, Griechen und Perser in die Palmette; nach China übertragen, wird sie erneut als Lotus na; turalisiert und in solcher Gestalt der Kunst des Islam einverleibt und nach Italien gebracht, um hier über die Gotik hinaus in der Renaissance und im Barock in unzähligen Spielarten fortzublühen.

Eine Verteilung der spätgotischen Stoffe auf die verschiedenen Seidenstädte Italiens erweist sich als undurchführbar. Es handelt sich nicht mehr um bloß zwei führende Städte; mindestens seit der Mitte des 15. Jahrhunderts nahm, weil die breiten Schichten des Mittel, standes Verbraucher geworden waren, das Seidengewerbe gewaltig zu; neben den alten Hauptsitzen Lucca, Venedig, Genua stiegen auch Mailand, Florenz, Ferrara, Bologna zu an, sehnlichen Betriebsorten empor. Es gibt nun allerdings eine Menge Brokat: und Samtstoffe, die für Venedig zu beanspruchen sind, weil sie die ornamentalen Leitmotive der Tierbrokate, die sich um das örtlich gesicherte Gondelmuster Tafel 184 (Abb. 465) gruppieren, ins spät: gotische Pflanzenornament herübernehmen und weiterführen (vgl. Abb. 507-514). Auch die Samtstoffe mit buntfarbigen Granatmustern auf weißem Grund, von denen die Samm, lung Franchetti im Bargello die schönsten Stücke besitzt, darf man als venezianisch ansehen, weil sie auf den Bildern Carpaccios sehr oft, sonst aber fast nirgends dargestellt sind. Für Mailand dagegen habe ich nicht mehr als zwei Stoffe feststellen können (vgl. A bb. 530, T. 229 a), auch für Florenz ist nur eine begrenzte Gruppe wirklich gesichert. Daneben steht die Haupt, masse der Quattrocentostoffe, für deren Ortsbestimmung wir keine Handhabe besitzen. Was Lucca zukommt oder Genua, ist nicht herauszufinden. Die von F. Bock verbreitete Ansicht, daß die reichsten und schwersten Samtbrokate genuesisch seien, entbehrt für das Mittelalter jeglicher Begründung. Die Stoffmalerei auf den niederländischen, cölnischen und italienischen Bildern lehrt über die Herkunft der Gewebe, von ein paar Einzelfällen ab: gesehen, so gut wie nichts. Bei dem Venezianer Carlo Crivelli, dem besten Stoffmaler unter den Italienern des 15. Jahrhunderts, sind die verschiedensten Mustergattungen vertreten, darunter auch solche, die man wegen ihres fortgeschrittenen Renaissancestils Florenz zuweisen muß. Auch die flandrischen Bilder geben keine Auskunft. In den burgundischen Nieder: landen wurde der größte Aufwand mit kostbaren Stoffen getrieben ; in einem Erlaß von 1497 zum Schutz der heimischen Tuchweberei beklagt Herzog Philipp der Schöne „lexcessive et superflue despense, que se faict journellement tant en nostre maison que partout ailleurs en noz pays et seignouries à cause des draps de velours et de soye, dont chascun veult user à sa voulenté". Daher strömte seit dem 14. Jahrhundert in Brügge, dem Hauptseidenmarkt des Nordens, der die Kaufmannschaften der Venezianer, Lucchesen, Genuesen, Florentiner, Mailänder beherbergte, alles zusammen, was es an Seidenstoffen gab, und den Malern des Landes stand jegliche Art als Modell zu Gebote. Früher galt es als sicher, daß Flandern selbst einen großen Teil der spätgotischen Prachtstoffe geschaffen habe.') Diesen Irrtum hat Jan Kalf durch eine eingehende Untersuchung aller Quellen endgiltig beseitigt.2) Während des Mittelalters sind keinerlei gemusterte Seidenstoffe in den Niederlanden gewebt worden ; der Satin von Brügge, den Urkunden des 16. Jahrhunderts öfter erwähnen, ist ein un, gemusterter Halbseidenstoff gewesen.

Die Gruppierung der spätgotischen Stoffe muß sich also an die stilistischen Merk, male halten.

Die spätgotischen Pflanzenmuster verteilen sich, ohne Rücksicht auf ihre engere Her,

  1. Hampe, Gewebekatalog S. 77 und 113.

  2. Bijdrage tot de Geschiedenis der Middeleeuwsche Kunstweverij in Nederland, Utrecht 1910.

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