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0309 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 309 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Nach diesen Louis XI I I:Stof en zu schließen stand also die französische Weberei vor Colbert technisch noch im Bann Italiens und auch im Stil zeigen sich trotz einigen selbständigen Motiven keine wirklich einschneit denden Unterschiede. Das Ornament wird noch ebenso flächenmäßig behandelt und die Naturalisierung der Pflanzenformen ist nicht weiter vorgeschritten , als in den gleichzeitigen Barockmustern der Italiener. Von der großen Neuerung des französischen Seidenstils, der körperhaft schattierten Darstellung naturalistischer Blumen, ist in den Geweben des 17. Jahrh. noch nichts zu finden. Nach dieser Richtung hat auch der starke Aufschwung Lyons unter Colbert keine unmittelbaren Erfolge get zeitigt. Die Seidenweberei brauchte viele Jahrzehnte, bis zum Stil Louis XV, um sich jenen vollendet freien plastischen Blumennaturalismus anzueignen , den die technisch ungebundenen zeichnenden Künste schon zur Zeit Lebruns pflegten. Die realistische Blumenmalerei

hatte bereits um 1670 einen Höhepunkt erreicht in den d

Werken Jean Baptiste Monnoyers (1635— 1699), die er selbst und der Pariser Ornamentstecher Vauquer in meh: reren Stichfolgen verbreiteten und dem Kunstgewerbe

als Vorlagen darboten. Aber wie die Porzellanmalerei nicht vor der Mitte des 18. Jahrhun: derts den Blumenstil Monnoyers — die sogenannten „deutschen Blumen" — annahm , so hat ihn auch in die Weberei erst um 1750 der größte Seidenkünstler Frankreichs, Philippe de Lasalle in Lyon, vollkommen zu übertragen vermocht. Zwar gilt der Musterzeichner Revel, ein Künstler aus der Schule Lebruns, der unter Colbert zur künstlerischen Hebung der Seidenweberei nach Lyon geschickt worden war, als der Urheber der realistisch: plastischen Blumenmuster. ') Es kann sich jedoch dabei nur um Cbergangsformen oder Vorstufen zum reinen Naturalismus handeln, etwa in der Art der Ornamentstiche des jüngeren Ducerceau, die 1670 in Paris erschienen. Ein Blatt davon mit der Aufschrift „Bou: quets propres pour les Estofes de Tours" zeigt Rosenzweige, Nelken und andere Streublumen zwar plastisch aufgefaßt und etwas schattiert, aber vom Realismus Monnoyers und Philippes de Lasalle doch noch weit entfernt. Man darf nicht übersehen, daß die Gewebemuster, die ein Führer der Dekoration wie Daniel Marot in seinem Ornamentwerk um 1710 brachte, noch am Flächenstil festhalten und der realistischen Blumen entbehren (Abb. 584 und 585).2)

Obwohl also das Verdienst der Einführung des naturalistischen Blumenstils in die Seidenweberei dem 17. Jahrhundert nicht zukommt, bleiben doch die Errungenschaften der Verwaltung Ludwigs XIV groß genug. Kaum hatte Colbert um 1665 die Gewerbeförderung in die I-land genommen, so macht sich im Inventar des Kronmobiliars, das die für den Hof; bedarf angeschafften Dekorationstoffe bis zum Jahre 1699 aufzählt, ein Umschwung zu Gunsten der nationalen Erzeugnisse bemerkbar. Wahrend im Jahre 1665 und vorher die Brokate von Florenz, Mailand, Venedig noch die Hauptmasse der Eingänge bilden, gewinnt

') Cox, L'art de décorer les tissus, S. 14.

°) Die Tatsache, daß im Kroninventar Ludwigs XIV seit dem Jahre 1666 Lyoner Samte und Brokate „à fleurs au naturel" ötter beschrieben sind, ist für die Annahme, daß die naturalistischen Blumenmuster schon im 17. Jahrhundert entstanden seien, nicht als Stütze verwertbar. Denn eben dieselben Muster „avec fleurs et festons de fleurs de soye au naturel" finden sich schon 1665 in demselben Inventar bei Brokaten aus Florenz und Venedig, die für Lyon als Vorbilder gedient haben.

Abb. 584. Seidenstottinuster von Daniel

nach 1700.

Marot,

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