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0085 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 85 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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tinischen Typus (vgl. T. 77) in sehr kleinem Maßstab, sonst wenig verändert wiederholt. In dem Brokat zu Utrecht Tafel 93b sind farbige Einschlagstreifen des Grundes mit musterbildenden Zickzackbändern vereinigt. Die schon im Siegburger Gewebe Abb. 292 auftretenden Zickzackstreifen, damals „Wellen" genannt, dienten auch als alleiniges Muster anspruchloserer Seidenstoffe; das römische Inventar erwähnt Luccastoffe mit blauweißen Wellen.')

Aus einem Vergleich des noch zusammenhängenden Vogelmusters Tafel 93d mit dem stilverwandten schwarzgelben Gewebe Tafel 93c2) sieht man, wie durch die Einführung senkrechter Längsstreifen in der Kettenrichtung neue Muster romanischen Gepräges ent= stehen. Diese Richtung hat zwei hervorragende Denkmäler hinterlassen, die Kasel der Kirche S. Rambert sur Loire (Abb. 294) und eine in Farben und Textur identische Kasel im Braunschweiger Museum (Tafel 94a — Abb. 295). Beide Gewänder könnten dem Stil nach auch regensburger Arbeit sein. Die Versuchung ist um so größer, sie nach Regens; burg zu verweisen, als einzelne Motive ihrer Muster sich mit regensburgischen, allerdings viel älteren Buchmalereien berühren. So sind schräge Felder mit Löwen und Greifen darin, getrennt durch quadratbesetzte Bänder, wie auf der Kasel von S. Rambert, in der Uta: handschrift von Niedermünster aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts vorhanden,3) und eine den Längsstreifen der Braunschweiger Kasel ähnliche Zeichnung von vier Tieren über: einander enthält eine Handschrift des 12. Jahrhunderts aus S. Emmeram.')

Dem steht jedoch entgegen, daß die zwei Kaseln des technischen Merkmals der Regensburger Halbseidenstoffe, nämlich der starken leinenen Doppelkette entbehren. Da die Weber der Donaustadt italienische Tiermuster sehr getreu wiederholt haben, bleibt ihre besondere Textur das einzige brauchbare Unterscheidungsmittel zwischen Original und Nachbildung. Versagt es wie hier und in ähnlichen zweifelhaften Fällen, so hat Italien offenbar die besseren Ansprüche. Das gilt auch für das Halberstädter Kelchtuch mit Doppel: adlern in Rosenfeldern auf rankendurchzogenem Grund, ein Erzeugnis derselben Werkstatt, die die Braunschweiger Kasel gewebt hat (Tafel 94 b = Abb. 296).

Mit diesen schönen Brokaten hat die romanische Seidenkunst Italiens wohl ihren Höhepunkt erstiegen und einen ausgeprägt abendländischen Seidenstil geschaffen. Er beruht nicht allein auf den neuen Flächenteilungen durch Streifung oder Vierecke; auch die alten Tiermotive, die jetzt knapp und heraldisch stilisierten Adler (vgl. Abb. 291, 292), die in S. Rambert schon auf den Aquamanilientypus hinweisenden Löwen, die Basilisken und die turmtragenden Elephanten (vgl. Abb. 295) haben den Stil ihrer griechischen und musli: mischen Vorbilder abgestreift.

Eine eigentümliche , nicht grade glückliche Art der Europäisierung vertritt der Stoff Tafel 92a mit säulengetragenen Giebeln, darunter arg entarteten Abkömmlingen byzan: tinischer Löwen. Aus Zwischenformen in der Berliner Stoffsammlung ergibt sich, daß das im Webeornament so ungewöhnliche Architekturmotiv') der gradlinigen Giebel aus Baum;

') Inv. nr. 1228: Item V pannos lucanos ad undas albas et endicas.

2) Der Stoff ist in Marburg und im Germanischen Museum zu Nürnberg und soll nach Hampe, Gewebekatalog nr. 400 aus dem Grab der heiligen Elisabeth stammen. — Das auf Tafel 93a dargestellte Muster muß als zweifelhafte Ergänzung eines ungenügenden Fragments aus unserer Betrachtung ausscheiden.

') Vgl. Nouveaux Mélanges d'archeol. I S. 23 u. IV S. 120.

') Bibl. München Cod. lat. 14159, Dialogus de cruce Christi. Hier sind unter dem Kreuz zu dem Text „super aspidem et basiliscum ambulabimus et conculcabimus leonem et draconem" ein Löwe, Basilisk, Hahn und Drache aufeinander gezeichnet.

') Es gab übrigens im 12. oder 13. Jahrhundert auch byzantinische Seidenstoffe mit regelrechten Rund= bogenreihen auf Säulen als Musterung, im Kurieninventar „ad arcus" genannt. Einen solchen evident byzan: tinischen Stoff mit Greifenpaaren unter Rundbogen bewahrt die Kathedrale in Reims; abgeb. M. Sartor, Les Tapisseries de Reims, S. 17 fig. 3.

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