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0287 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 287 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Tafel 237. An der ursprünglichen Anordnung und den Einzelheiten der Granatbildungen ist hier noch nichts geändert; nur der einrahmenden Rose wird der gotische Linienschwung genommen und das knorrige Astwerk wandelt sich in ein leichteres Gewinde. Von den Obergangsformen des Spitzovalschemas enthalten unsere Tafeln mehrere Beispiele. Zwei verschiedene, mindestens drei Jahrzehnte auseinander liegende Entwicklungsstufen eines im wesentlichen gleichartigen Musters geben T. 238a und T. 239. Die an dem älteren floren: tiner Brokat (T. 238a) mit dem einrahmenden Kranz eben beginnende Umbildung ist bei dem jüngeren Halbseidenstoff (T. 239) bis zu völliger Austreibung der Gotik fortgeschritten. Wie die Renaissancevoluten, die hier die Granatfrucht umgeben, aus der gotischen Rose entstanden, das kann man schon an T. 237 beobachten.') Dem Granatmuster T. 240a hat die Renaissance gebuckelte Knäufe zugefügt, bei dem verwandten Stück T. 240 b die Frucht durch palmettenförmige Blumenbündel ersetzt, die sichtlich mit den florentinischen Früh: renaissancemustern (vgl. Abb. 535) zusammenhängen. Auch in den nächstfolgenden Bei: spielen unterliegen vornehmlich die Mittelfüllungen der Neubildung. Der venezianer Samt: brokat T. 241 verbindet mit gotischen Ästen ein renaissancemäßiges, aber noch ziemlich unentschiedenes Herzstück; die Tafel 242 (Abb.557) und T. 243 führen mit ihren Akanthus: palmetten inmitten der Astrahmen auf diesem Weg einen guten Schritt weiter.

Zu den reiferen Schöpfungen des CJbergangsstils zählt der ins zweite Viertel des

  1. Jahrh. fallende Samtbrokat T. 244 (Abb. 558) mit Blumenvasen und Granatzweigen in einem Netz aus verknoteten Schnüren oder Bändern. Als eine venezianer Arbeit führt das Muster noch viel von der spätgotischen Wuchtigkeit mit sich ; aber die reinliche Scheidung von Rahmen und Füllung ist ganz im Sinn der Renaissance. Eine erfolgreiche Neuerung ist die aus dem blütenumstellten Granatmotiv hervorgegangene Blumenvase. Zeitgemäß ab: gewandelt geht sie in hundertfältigen Spielarten durch die Muster der Spätrenaissance und des Barock (vgl. T. 260, 268-270) und bleibt sogar in Lyoner Stoffen nach 1700 noch er: kennbar. Der gleiche Grad gotischer Empfindung und dieselben verknoteten Bänder sind auch dem zweischichtigen Samtstoff T. 245a zu eigen, der meistens nur in 30 cm schmalen Bahnen gewebt wurde, weil er für die Schulterstreifen der venezianer Ratstracht bestimmt war. Als amtliches Abzeichen hatten diese Samtstreifen ein feststehendes Muster, dessen Grundformen selbst die ganz barocke Ausführung T.245b aus der zweiten Hälfte des

  2. Jahrh. noch nicht verwischt hat. ebergangsmuster für besondere kirchliche Zwecke, die deshalb abseits der Hauptströmungen liegen, zeigen die beiden in zwei Höhen gescho: renen Samte T. 246 und T. 247, der eine noch gotisierend mit Kreuz und Dornenkrone, der andere mit dem Katharinenrad und dem Petrifelsen unter Krone und Palmzweigen.

Die weitere Gestaltung der Granatmuster während der Hoch: und Spätrenaissance veranschaulichen die Tafeln 248 bis 252. Kennzeichnend für die zweite Hälfte des 16. Jahrh. ist die Umbildung der Äste in geschachte oder sonstwie geometrisch gemusterte Bänder. Dabei bleibt das Motiv der Bandverknotung lange erhalten (T. 248, 249, 252). In dieser Gruppe haben die älteren Beispiele noch die geschlossene Flächenteilung durch das Spitz: ovalnetz; bei den jüngeren Stücken T. 251 und T. 252, die um 1600 anzusetzen sind, löst sich der Zusammenhang und das grundfüllende Rankenwerk gewinnt die Oberhand.

Florenz hat die Bortenstoffe mit biblischen Bildern (vgl. T. 231, Abb. 537, 538) die Hochrenaissance hindurch weitergeführt, ebenso die von der Pollajuologruppe herstam: menden Vegetabilmuster mit Vasen, Früchten und Blumen, die durch eine ungemein edle und feine Zeichnung und durch eine mehr lineare als koloristische Musterbildung sich von den Arbeiten anderer Städte leicht unterscheiden (Abb. 559 u. 560).

') Das Rautenmuster auf T. 238b aus verkreuzten Goldbändern, das wie eine genähte Litzenarbeit aus: sieht, ist eine Neubildung der Renaissance ohne gotische Vorstufe und stilgeschichtlich von geringer Bedew tung, weil es späterhin nur wenig Nachfolger gefunden hat.

Fa Ike, Seifenweberei.   121