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0205 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 205 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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  1.  und 15. Jahrhundert nicht bloß in Streifen zerschnitten als Kaselstäbe und Pluvial, besätze, sondern auch unzerteilt zu Meßgewändern gebraucht worden. Davon ist in Danzig ein Chormantel mit dem Bild der betenden Maria Magdalena, kaum jünger als 1400 (Abb. 463), und in Halberstadt eine Dalmatik erhalten. Im 15. Jahrhundert wird die Zeich: nung der luccanischen Kirchenbrokate etwas freier, wie es am besten ein Stoff mit dem Aufer; standenen und Maria Magdalena im Garten veranschaulicht'), die Textur jedoch bleibt un, verändert. Einen durchgreifenden Stilwechsel schafft auf diesem Gebiet erst das Eingreifen von Florenz, das die Herstellung von biblischen Bilderstoffen aufnimmt und zuerst die Re; naissanceformen in die Weberei hineinträgt. Ob der blaue Brokat Tafel 183a mit den von schwebenden Engeln getragenen gotischen Hostienmonstranzen noch nach Lucca gehört, ist fraglich, weil die technische Ausführung doch erheblich hinter den durchweg besseren Lucca: nischen Arbeiten zurückbleibt. Auch der fein gezeichnete Engelstoff mit den Leidenswerk: zeugen (Tafel 183 b = Abb. 464) kann nicht als lucchesisch gelten, da für seine Farben in der Luccagruppe keine Analogie zu finden ist. Den Brokat mit der fast deutsch anmuten: den Himmelskönigin im Strahlenkranz (Tafel 182c) weisen die Textur und das spätgotische Ornament unter die venezianischen Arbeiten der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.2)

Im späteren 15. Jahrhundert verschwinden die stilistischen Merkmale, welche die zur luccanischen Gruppe zusammengestellten Gewebe miteinander verbinden. Damit geht die Möglichkeit verloren, weiterhin aus dem Denkmälerbestand der spätgotischen Zeit die Er; zeugnisse von Lucca herauszufinden. Die Spätgotik schuf einen einheitlichen Seidenstil, aus dem nur die venezianischen Gewebe und die kleine Gruppe florentinischer Früh: renaissancestoffe sich aussondern lassen. Es ist nicht anzunehmen, daß Lucca damals dem steigendenWettbewerbVenedigs völlig unterlegen und vom Weltmarkt abgedrängt worden sei; seine Kaufleute spielen auch im 15. Jahrhundert in Frankreich und Burgund noch eine große Rolle. In den Stoffen des Übergangstiles, der die alten Tierbilder mit dem spätgotischen Ast. und Rankenwerk zu verbinden strebte, und namentlich unter den Prachtgeweben der sogenannten Granatapfelmusterung sind ohne Zweifel luccanische Arbeiten in Mengen erhalten. Aber die leitende Stellung als die erste Seidenstadt des Abendlandes hat Lucca im 15. Jahrhundert nicht mehr wahren können; die Führung muß bald nach 1400 auf die Adria; stadt übergegangen sein. Denn die Seiden: und Samtstoffe des venezianischen Stils bilden

  1.  Jahrhundert einen ebenso großen Teil des Gesamtbestandes, wie die luccanischen im Trecento.

Die venezianischen Gewebe.

Die gemeinsamen Stileigentümlichkeiten der nachstehend Venedig zugeschriebenen Gewebe sind leicht zu erkennen. In den Tierbildern, welche die Trecentomotive, vor allem die unpaarige Verbindung von Vogel und Vierfüßler weiterführen, greift eine temperament, losere Stimmung Platz. Das aufgeregte Wesen, das fletschende und drohende Gehaben der luccanischen Trecentobestien, ein Erbteil der chinesischen Vorbilder, verschwindet, wie über; haupt die ostasiatischen Außerlichkeiten sich verflüchtigen. Die Tiere sind nun vollständig europäisiert; an die Stelle der Fonghoang, Khilins, Lungma, Drachen und ihrer luccani: schen Variationen sind lediglich abendländische Typen getreten, die Löwen, Rehe, Hirsche, Hunde, Leoparden, Einhörner, die Adler, Falken, Schwäne, Enten ohne alle chinesischen Anhängsel. Die vom Khilin herrührende Zottigkeit der luccanischen Vierfüßler, das flat,

  1. Abgeb. Kat. Errera nr. 96 und Hampe, Gewebekatalog S. 100; eine ganze Kasel in Lyon.

  2. Das seltsame Fragment Tafel 156a mit Männern in bunter Tracht auf einem von allerlei Getier dicht bedeckten Grund ist zwar italienisch, jedoch in keiner der größeren Gruppen unterzubringen. Man kann es nur deshalb an die Übersicht der luccanischen Gewebe anschließen, weil wenigstens ein Motiv daraus, die gefleckten Mäntel, auf einigen Weinlaubstoffen aus Lucca als Hülle von Hirschen und Löwen wiederkehrt. Beispiele in Düsseldorf; abgeb. Bock, Der Musterzeichner fig. 9.

Falke. Seidenweberei.

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