National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF Graphics   Japanese English
0195 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 195 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000240
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

Abb. 452. Persische Buchmalerei 16. Jahrh.

Brokatkasel in Braunschweig) mannigfaltig ausgestaltet, das den Mustern Fülle und Halt verlieh. Dann wurden reine Füllmittel herangezogen: Das beliebteste waren die Strahlen, die zumeist von Wolken ausgehen. Man hat darin gern christlich,symbolische Bedeutung gesucht. Da, mit ist es in der Regel nichts; sieht man genauer zu, wie die Strahlen in den älteren luccanischen Mustern verteilt sind, so bleibt kein Zweifel, daß sie die rein formal, technische Aufgabe haben , den Goldfaden oder farbigen Einschlag in sonst leeren Grundstellen wieder zum Vor, schein zu bringen und dadurch sowohl die Bindung des Hohlgewebes zu verbessern, wie die Lücken der Zeich, nung zu verbergen. Gute Beweisstücke dafür sind der Goldbrokat Tafel 175 a (Abb. 446)') und von demselben Zeichner ein rot,grün,weißer Seidenstoff in Düsseldorf, Abb. 447. Der Brokat zeigt prachtvoll gezeichnete Hirsche auf einem grasbewachsenen Felsen sitzend, an dessen Fuß Jagdhunde sich schräg herabstoßenden Vögeln zuwenden; ferner Reiher durch schwungvolle Lateinsegel miteinander verknüpft. In der einen Reihe geben die strahlenden Wolken dem Gewässer, in dem die Segler der Lüfte stehen, die notwendige Einfassung, in der anderen haften sie unten am Felsen, und als Lückenbüßer gehen die Strahlen sogar von den Hinterfüßen der Hunde aus. Man wird schwerlich in dem strahlenden Hundebein tiefere Sym, bolik erkennen wollen. Ebenso ist an dem dieselben Felsen mit anderen Tieren wiederholenden Seidenstoff Abb. 447 der Füllzweck der Strahlen unverkennbar.2)

Realistische Regungen , wie die Kunstentwicklung

um 1400 sie mit sich brachte, führten dazu, den anfänglich freischwebenden Tieren durch Andeutung von Erdreich (Abb. 448, Berlin und Düsseldorf) oder ornamentale Unterlagen

einen gewissen Halt zu geben. Aus dieser Absicht entstehen die Gewässer und Felsen

(vgl. T. 171 b, Abb. 446, 447) und die Boote, wie sie unter anderem auf einem weißen Damast in Berlin und Krefeld (Abb. 449) zu sehen sind. Damit beginnen die landschaft,

lichen Muster, die Venedig zur Höhe geführt hat. Auch Lucca ist, obschon seltener, auf

diesem Weg weit vorangeschritten, namentlich bei den Stoffen mit menschlichen Figuren. Auf einer Zwischenstufe steht die gut erhaltene Kasel des Halberstädter Doms aus grünem

Goldbrokat (Tafel 176 = Abb. 450) mit liegendem Khilin am Fuß eines stark gekrümmten Baumes, auf dessen Krone ein Jagdfalke aus einem Lattengehege aufsteigt. Die Wasser,

') Das Fragment Tafel 175 b in Berlin, rot mit blau=weißem Muster, gehört zur venezianer Gruppe des 15. Jahrhunderts.

2) Man vergleiche auch die lediglich raumfüllenden Strahlen auf dem Jagdmuster desselben Meisters Tafel 179 = Abb. 459. — Ein dem Brokat Abb. 444 aufs engste verwandtes Muster, unzweifelhaft von der. selben Hand, hat der Meister von Flemalle als Hintergrund seines Marienbildes in der Städelgalerie zu Frankfurt gemalt. Ein Stück des Originalgewebes hat die Wiener Stoffsammlung erworben (vgl. Abb. 524). Demselben luccanischen Musterzeichner sind die Stoffe Abb. 447, 446 (T. 175 a), 459 (T. 179) zuzu. schreiben; auch die Abbildungen 438 und 448, zu der wieder Abbildung 451 gehört, tragen viele verwandte Züge. Wahrscheinlich fällt also die ganze Gruppe trotz ihres Trecentostils in die erste Hälfte des 15. Jahr• hunderts, wie überhaupt die Jahrhundertwende um 1400 nicht das Ende des Trecentostils bezeichnet.

85