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Aus Siberien : vol.2 |
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Tagebuch meiner Reise zu den Sojonen im Jahre 1861.
(Den 29. Juni.) Erst gegen 10 Uhr konnten wir heute vom Tscholyschman aufbrechen, da zwei meiner Führer ea vorgezogen, unser Uebereinkommen zu brechen und sich mit ihren Pferden während der Nacht auf und davon zu machen. Wir durchritten zuerst den Tscholyschman, der hier zwei sehr breite Arme bildet und daher nur seicht ist. Trotzdem war der Uebergang nicht ohne Gefahr, denn das Wasser ist sehr reissend.. Am anderen Ufer zeigen die Bergwände nur spärliche Bewaldung, da diese Seite der Sonne zugekehrt ist, und die Uferberge steigen in kahlen Felsblöcken empor. Bald sieht. man• romantische Felsbildungen, bald riesige Bergstürze, die von der-Höhe der Berge bis zum Fusse in schnurgerader Linie herablaufen. Das Thal selbst ist ziemlich breit und mit einem schönen Grasteppich bedeckt. An vielen Stellen ist es sogar bebaut und unregelmässig liegen auf der ersten Bergwelle die kleinen Acker plätze zwischen Felsen und mit Steinen bedeckten Hügelflächen, zerstreut. Die Thalebenen am Fusse der Uferberge liegen viel höher als der Fluss und • sind daher sehr trocken, weshalb auch die Bewohner eine künstliche Bewässerung mit Kanälen angelegt haben. Nach etwa 3 Werst erreichten wir das Flüsschen Kara-su, wo wir etwa 4 bis 5 ärmliche Jurten fanden. An der Zündung des Kara-su ist das Thal mit dichter Buschwaldung bedeckt. Nachdem wir den Kara-su durchritten, verliessen wir das Tscholyschmanthal. Zuerst führte uns der Weg in dichten Wald, von der Mündung dieses Flüsschens aufwärts. Weiterhin schlängelte sich der Weg in vielen Windungen an dem kahlen und steilen Felsufer empor. Der Weg ist hier sehr beschwer-ich, oft nur wenige Fuss breit; bald über hohe Felsen, bald durch Schluchten führend, nähert er sich von Zeit zu Zeit dem
Flusse und von solcher Stelle aus sieht man das silbern glitzernde
Wasser zwischen grossen FelsЫöcken schäumend herabspringen. An den Ufern des Kara-su herrscht die üppigste Vegetation,
fusshohes Gras, dichte Blumenbüschel, Buschwerk und einzeln-
stehende Pichtenbäume geben den zwischen zackigen Felspartieen
eingeengten Uferplätzen ein gar malerisches Aussehen.
Als wir so am Felsen eine Stunde emporgeklommen waren, glaubten wir die Höhe der Uferberge des Kara-su erreicht zu haben; hatten wir aber den höchsten Punkt erklettert, so sahen
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