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0121 Southern Tibet : vol.8
Southern Tibet : vol.8 / Page 121 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000263
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I. KAPITEL.

EINFÜHRUNG IN DIE CHINESISCHE KARTOGRAPHIE.

In keinem Lande blickt die Kartographie auf ein so hohes Alter zurück wie in China. Schon im zweiten Jahrtausend v. Chr., als man in Ägypten und Babylonien noch nicht über die ersten Formen des Stadtplans, einer kleinen Umgebungs- oder Reisekarte hinausgekommen war I, gab es in China ein System von größeren und kleineren Landkarten, die auch zur Darstellung des gesamten Reiches, einer Art Weltkarte, vereinigt wurden.

Die Chinesen sind im Laufe der Jahrhunderte eifrig bestrebt gewesen, ihre Karten immer wieder den veränderten politischen Verhältnissen anzupassen, den Inhalt derselben zu vervollständigen und zu berichtigen, sowie über die alten Grenzen hinaus zu erweitern; aber trotzdem haben sie es zu einem wirklichen wissenschaftlichen Fortschritt in der Kartographie nicht gebracht. In dieser Beziehung sind sie bald von dem hochbegabten Volke der Griechen überflügelt worden.2 So sind denn die Chinesen bis zu ihrer Berührung mit dem Europäertum schießlich in den überlebten Formen ihres alten Kartenbildes steckengeblieben.

1. DIE KOSMOGRAPHISCHEN GRUNDLAGEN.

Trotz ihrer Rückständigkeit hat die chinesische Kartographie in den verschiedenen Zeitaltern Werke von imponierender Größe hervorgebracht; denn sie wurzelt wie jeder andere Wissenszweig Chinas ganz in dem Universismus, jener großartigen altchinesischen Weltanschauung, die durch ihre strenge Logik so fest begründet erscheint, daß sie fast noch heute das dortige Geistes- und Kulturleben beherrscht.3

I Vgl. R. ANDREE, Die Anfänge der Kartographie, Globus, Band XXXI, 1877, S. 37 ff. E. OBERHUMMER, Der Stadtplan, seine Entwickelung und geographische Bedeutung, Verhandlungen des 16. Deutschen Geographentages zu Nürnberg 1907, S. 66 ff.

2 Im allgemeinen gilt der ionische Gelehrte ANAXIMANDER als der erste Verfasser einer griechischen Erdkarte, die er als kreisrunde Scheibe darstellte (-1- 545 v. Chr.). Etwas älter ist eine andere ionische Erdkarte, welche W. H. ROSCHER erschlossen hat in seiner Abhandlung »Das Alter der Weltkarte in Hippokrates' tzp. 0801-Ldc8wv und die Reichskarte des Darius Hystaspes» (Philologus, Band LXX, 1911, S. 529ff.; vgl. KUBITSCHEK, Artikel »Karten» in PAULY'S Realenzyklopädie, Neue Bearbeitung, Stuttgart 1919, S. 2047 ff.). Es ist ein Beweis für den schnellen wissenschaftlichen Fortschritt, daß bald darauf die Fvthagoreer die Kugelgestalt der Erde lehrten und schon wenige Jahrhunderte später DIKÄARCH (urn 310 V. Chr.) und ERATOSTHENES (um 276-194 V. Chr.) sie zur Darstellung der Oikumene anwandten, bis Ci. PTOLEMÄUS (um 170 n. Chr.) durch Einführung der Kegelprojektion die griechische Kartographie zur Vollendung brachte. Dagegen hat die chinesische Kartographie, so lange sie nicht von außen her neu befruchtet wurde, an ihren uralten Formen, wie der quadratischen Erde, festgehalten.

3 J. J. M. DE GROOT, Universismus. Die Grundlage der Religion und Ethik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas, Berlin 1918, S. 187f.