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0123 Southern Tibet : vol.8
Southern Tibet : vol.8 / Page 123 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000263
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DIE GRUNDZÜGE DER CHINESISCHEN KARTE.

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die Geographie und damit auch die Kartenkunde mehr innerhalb der historischen Forschung gepflegt hat, fehlt es einer chinesischen Karte gewöhnlich an festen Maßen. Dem Chinesen kommt es nicht darauf an, daß die Dimensionen in ihrer Verkleinerung möglichst exakt wiedergegeben werden; er begnügt sich schon mit ungefähren, dem Richtigen genäherten Daten.

Bevor die 7esui/en die astronomischen Ortsbestimmungen einführten t, hat man sich nach Möglichkeit auf Itinerarien gestützt. Auf den Hauptstraßen Chinas sind die Entfernungen sogar mit der Kette gemessen, sonst aber beruhen sie meist auf Schätzungen ; in der Lage zur Himmelsrichtung sind sie merkwürdig zuverlässig, weil die Chinesen über einen ausgezeichneten, durch die Erziehung noch mehr geübten Ortssinn verfügen.2 Dagegen besitzen die Entfernungsschätzungen nur einen sehr relativen Wert. Denn da die chinesische Meile, das Li eine ganz schwankende Größe ist, so sind Verzerrungen sehr leicht möglich. Dieser Mangel muß sich noch mehr steigern, wenn der Kartenzeichner, was nicht selten vorkommt, auf Übertragung von Maßangaben ganz und gar verzichtet und sich darauf beschränkt, die geographischen Daten möglichst vollständig aufzuzählen, um sie wenigstens in ihrer gegenseitigen Lage richtig einzutragen. Ganz unbekannt ist ihm die Angabe verschiedener Höhenlagen, vielmehr wird von ihm gewöhnlich nicht mehr erwartet, als daß er durch seine Zeichnung nur eine ganz ungefähre lineare Vorstellung von einem gewissen Teile der Erdoberfläche vermittelt.

Die mathematische Ungenauigkeit kommt besonders in der Darstellung des Terrains und der Situation zum Ausdruck. Erhebungen werden durch einzelne Berge, Gebirgszüge durch Anhäufung von Bergen in gleicher Größe angedeutet; für Grenzen treten schematische einfache Linien ein, für Flüsse entsprechende Doppellinien, ohne ihre kleineren Windungen zum Ausdruck zu bringen. Von Ortszeichen wird meist abgesehen ; an ihre Stelle treten die Namen selbst mit sauberster Ausführung der Schriftzeichen, die wir ebenso wie in den Texten von oben nach unten oder auch von rechts nach links zu lesen haben, aber es gibt, abgesehen von den neuesten Karten, keine Abstufungen in der Schriftgröße oder Schriftform;

I Es ist den Chinesen versagt geblieben, ihre vortrefflichen astronomischen Kenntnisse für Ortsbestimmungen auf der Erde anzuwenden. Ihre mit dem Gnomon ausgeführten Schattenmessungen sind alt; die erste ist für das Jahr 1098 vor Chr. bezeugt, die in Lo -yang, dem heutigen Ho - nan - fu, stattfand. Vielleicht noch älter sind die Beobachtungen der Sonnenfinsternisse (Weiteres unten). Erst 1221/22 nach Chr. stellte der chinesische Reisende CH` ANG-CH` UN fest (s. oben S. 66), daß in Samarkand eine Sonnenfinsternis zu einer andern Tageszeit beobachtet wurde als in der Mongolei oder am Altaigebirge (vgl. BRETSCHNEIDER, Mediaeval Researches from Eastern Asiatic Sources, Vol. I, S. 79); trotzdem ist man in China diesen der Grundanschauung widersprechenden Erscheinungen nicht weiter nachgegangen (vgl. auch C. SCHOY, Die geschichtliche Entwicklung der Polhöhebestimmungen bei den ältesten Völkern; aus dem Archiv der Deutschen Seewarte, XXXIV. Jahrg. 1911, S. 5f.).

2 Die Chinesen begnügen sich bei ihren Ortsbestimmungen mit der Achtteilung des Horizonts (Nord, Nordost, Ost u. s. f.). Wie ausgezeichnet ihr Ortssinn ist, das hat am besten F. V. RICHTHÖFEN bei der Bereisung ihres Landes erfahren können (China, Band I, S. 39o, Anm. 1):

«Unter den Vorschriften des Altertums für die Unterweisung der Jugend findet sich die Bestimmung, daß die Kenntnis der Himmelsrichtungen unter den ersten Gegenständen des elementarsten Unterrichts sein und fortdauernd geübt werden soll. Dies mag dazu beitragen, daß der Chinese zu jeder Zeit und an jedem Ort in einer ans Rätselhafte grenzenden Weise orientiert ist. Obwohl es Worte für ,rechts` und ,links` gibt, werden doch dieselben nur sehr selten angewendet. Ganz abgesehen von den Straßen einer Stadt, wo dem Fremden ein komplizierter Gang nur nach Himmelsrichtungen beschrieben wird, oder von sonstiger täglicher Unterweisung, wie sie beim Reisen vorkommt, spricht man auch von der nördlichen Hand, dem westlichen Ohr usw.; das Gepäck eines Lasttieres ist auf der südlichen Seite zu schwer und muß nach Norden gerückt werden usw. Selbst wenn jedes Mittel zur Orientierung fehlt, wie an einem nebeligen Tage oder nach einem Gang durch ein Labyrinth von Straßen, weiß der Chinese stets Norden und Süden annähernd richtig anzugeben.»