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0255 Iranische Felsreliefs : vol.1
Iranische Felsreliefs : vol.1 / Page 255 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000244
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ANHANG

Überblick über die Entwicklung der sasanidischen

Reliefkunst

Die Felsskulpturen der achaemenidischen Zeit an der Felswand von Naqsh i Rustam (Taf. I—IV) sind nichts anders als ein Schmuck der Königsgräber; auch das Relief des Darius am Berge Bisutün (Taf. XXXV) dient nur dazu, die gewaltige darunter befindliche Inschrift zu illustrieren. Hier wie dort sind die figürlichen Darstellungen nur ein Beiwerk. Eine ganz andere Bedeutung haben die in späterer Zeit geschaffenen Felsreliefs, die der neupersischen, der sasanidischen Epoche. Sie sind als selbständige Kunstwerke aufzufassen, und wenn wir auch auf ihnen in seltenen Fällen Inschriften angebracht finden, so dienen diese nur dazu, die bildliche Darstellung zu erläutern. Hier spielt im Gegensatz zu der früheren Zeit das Bild die Hauptrolle, und die Inschrift ist nur eine erläuternde Beifügung. Aber trotzdem muß man die sasanidischen Felsskulpturen in gewissem Sinne als Nachahmungen jener früheren Denkmäler auffassen ; sie sind durch diese hervorgerufen worden. Dafür spricht schon der Standort des ersten, vom Gründer der Monarchie errichteten Denkmals, das er direkt unter jener geheiligten Stätte, unter den Grabmonumenten der Achaemenidenkönige anbrachte, als deren Erbe und Nachfolger er sich fühlte. Und die späteren Sasaniden haben aus demselben Grunde auch jene Stelle vor allem bevorzugt.

Man hat die sasanidischen Reliefs für nichts anderes als für Äußerungen der spätrömischen Provinzialkunst gehalten. So schreibt Jakob Burckhardt : „Das feindliche Römerreich scheint zu diesen Bildhauereien die Künstler geliefert zu haben; sie zeigen durchaus den Einfluß der sinkenden römischen Kunst"1). In gewissem Sinne dürfte dieses Urteil zutreffen auf die einzige Felsskulptur aus der Zeit der Arsakiden, der Parther, die, jetzt in sehr zerstörtem Zustande, an der Felswand von Bisutün angebracht ist. Sie stellt den König Gotarzes I. (42-51 n. Chr.) zu Pferde dar, über ihm schwebt ein geflügelter Genius mit einem Kranze; von den sonstigen Darstellungen ist nur noch die undeutliche Figur eines Reiters übriggeblieben. Eine in wenigen Worten erhaltene griechische Inschrift vermag das Relief nicht näher zu erklären, aber wir gehen wohl mit der Annahme nicht fehl, daß es sich auch hier um ein Siegesdenkmal, vielleicht um den Triumph über die vereinten Heere des Cassius und des Nebenbuhlers Meherdates handelt. Der schlechte Zustand des Reliefs verhindert ein sicheres Urteil über die künstlerische Bedeutung dieses Denkmals. Ungleich besser sind die sasanidischen Felsskulpturen erhalten, in denen von Anfang an ein bewußtes Anlehnen an altorientalische Vorbilder zu beobachten ist. Die sasanidische Reliefkunst hat sich auf dieser altorientalischen Grundlage selbständig weiter entwickelt und in der verhältnismäßig kurzen Zeit von einem halben Jahrhundert schon eine bedeutende Höhe erreicht; aber niemals hat sie, auch in ihrer weiteren Entfaltung, Eigentümlichkeiten und Mängel, die ein Erbteil ihrer altorientalischen Abstammung waren, abzustreifen und zu überwinden vermocht.

Wir wissen, daß die Malerei im römischen Kaiserreiche dadurch eine enorme Bedeutung gehabt hat, daß ihr die Aufgabe zufiel, dem Volk die Macht des Herrschers zu versinnlichen, wie heutigen Tages

~) Die Zeit Konstantins des Großen. Leipzig 1898, S, io6.

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