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0261 Iranische Felsreliefs : vol.1
Iranische Felsreliefs : vol.1 / Page 261 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000244
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steht die darunter befindliche Reiterfigur künstlerisch unendlich viel höher (Taf. XXXVII). Hier ist der Künstler an keine Tradition gebunden und hat in dieser realistischen kraftvollen Herrscherfigur wohl das Beste der gesamten sasanidischen Reliefkunst geschaffen. Die Figur steht, in sehr hohem Relief ausgeführt, nur wenig mit der Grundfläche in Zusammenhang. Dadurch ist die Zerstörung leider wesentlich gefördert worden und hat die ganz freiliegenden Teile wie den Kopf und das rechte Hinterbein des Pferdes, sowie den rechten Arm des Reiters verschwinden lassen. Das Größenverhältnis zwischen Roß und Reiter ist hier richtig getrôffen; der König selbst, sicher und ungezwungen sitzend, die Gesichtszüge halb verhüllt durch den'`Kettenpanzer, dreht den Oberkörper dreiviertel nach vorn und hält mit dem rechten Arm die Lanze, während der richtig in seiner Verkürzung gezeichnete Schild die linke Schulter, das Schmerzenskind der sasanidischen Kunst, geschickt (ob absichtlich?) verdeckt. Die minutiöse Wiedergabe der Details in der Musterung des K önigsgewandes und in der Panzerung des Pferdes ist auffällig behandelt und beeinträchtigt nicht im geringsten die monumentale Größe dieser bedeutenden Figur.

Die beiden großen Jagdreliefs an den Seitenwangen der Grotte (Taf. XXXVIII, XXXIX) sind vollständig malerisch empfunden, so daß man wohl annehmen kann, daß diese Darstellungen direkt auf Malereien zurückgehen. Daß die Paläste der sasanidischen Fürsten reich mit Gemälden, vor allem mit Jagdszenen bedeckt waren, haben wir schon oben erwähnt. Bei diesen Kompositionen mögen auch die textilen Erzeugnisse der Weberei und Teppichknüpferei (?) von Einfluß gewesen sein. Die Szenen sind von einem hohen Augenpunkte aus gesehen; man überblickt die Fläche, auf der dann übereinander die einzelnen eigentlich hintereinander befindlichen Gruppen und Figuren angebracht sind. Innerhalb dieser Darstellungsreihen gibt es dann allerdings reihenweise Cberschneidungen. So geht, wie wir oben ausführten, die Perspektive arg in die Brüche. Was diese Reliefs besonders auszeichnet, ist nach altorientalischer Tradition die lebendige und naturgetreue Wiedergabe der Tiere; die wilde Flucht des gehetzten Dammwildes oder der durch das Röhricht des Sumpfes brechenden oder verendenden Wildschweine ist erstaunlich gut wiedergegeben. Daß die Figur des Königs an Größe alles überragt, daß seine Gestalt auf dem gleichen Relief mehrfach wiedergegeben ist, vermag den Eindruck nicht zu beeinträchtigen und ist durch die Gesamtkomposition bedingt. Der Zeit Khosraus II. gehören auch die in Bisutün und Tâq i bustân befindlichen, mit figürlichem Schmuck an zwei Seiten versehenen Kapitelle an (Abb. Ioo). Auf ihnen ist die Halbfigur des Königs in derselben Geste wiedergegeben, die wir von dem Lünettenrelief von Tâq i bustân kennen, die linke Hand am Schwertgriff, den rechten Arm über die Brust zur anderen Seite erhoben. Die Bänder mit wehenden Quasten, die beiderseitig hinter den Schultern und Hüften vorkommen und nach oben gebogen sind, wirken flächenfüllend vollständig ornamental. Eine überlebensgroße Freifigur, wahrscheinlich wohl auch den König Khosrau II. vorstellend, ist nach meiner Anwesenheit in Tag i bustân in dem vor den Grotten befindlichen Teich zum Vorschein gekommen und am Rande desselben zwischen Kapitellen aufgestellt worden. Die mir vorliegende Photographie (vgl. O. Mann a. a. O. Globus Abb. to) läßt nur die allgemeine Haltung der mit langem Gewande bekleideten Figur erkennen, die die linke Hand wiederum am Schwertgriff hält, während der rechte Arm im spitzen Winkel zur Brust erhoben ist.

Die ornamentale Formenwelt der sasanidischen Kunst konnte bei der Behandlung der figürlichen Felsreliefs nur gestreift werden; es mag nur das eine betont werden, daß das Rankenornament mehr und mehr seinen vegetabilischen Charakter verliert und zu dem abstrakten Flächenornament der islamischen Kunstepoche überleitet.

Der feinsinnige Kunstkenner, dem wir diese Arbeit über die iranischen Felsreliefs widmen durften, hat einmal darauf hingewiesen, „daß man jedes einzelne Kunstwerk ohne vorgefaßte ästhetische Theorie aus sich selbst und aus den Bedingungen, unter denen es entstanden ist, erklären und verstehen" solle, und daß „durch die geschichtliche Auffassung der Kunst der ästhetischen Betrachtung der Weg nicht verschlossen werde" 1). Bei der Behandlung der sasanidischen Felsskulpturen haben wir wiederholt ihren eminent o r i e n t a l i s c h e n Charakter, ihren Zusammenhang mit den Schöpfungen

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