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0029 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 29 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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Tag um Tag, Monat um Monat, und um geringsten Lohn müht sich der Chinese; kaum ein paar freie Tage an seinem Neujahr gönnt er sich. „Du hast noch nicht dein Abendessen zusammenverdient", ruft wieder und wieder eine Stimme. Nicht Freude an der Arbeit ist es, was diese Geschäftigkeit erzeugt. Wenn einmal ein sicherer Verdienst da ist, so ist der chinesische Arbeiter lästerlich faul. Es ist das zwingende Muß des übervölkerten Landes, das alle diese Hände in rastloser Bewegung erhält. Trotz größter Genügsamkeit will eben oft das zu winzigen Äckerchen aufgeteilte Familienland nicht mehr zum Unterhalt ausreichen, und so muß man eben noch etwas an kargem chinesischem Tagelohn dazu verdienen. Ich sah von dieser Not genug während meiner Bootfahrt.

Schon unterhalb Fan tsch`eng, sobald die ersten Kiesflächen aus den Sand-

betten des Flusses auftauchten, sah ich ein Sieben und Waschen von früh bis spät. Kaum hat sich der Fluß nach einem Anschwellen des Wassers von den Kiesbänken wieder zurückgezogen, so sammeln sich Gruppen zu je fünf und sechs Mann aus den nahen Dörfern und bezahlen für die Erlaubnis zur Ausbeutung einer solchen Bank einen kleinen Obolus an den Mandarin. Oder die Kiesfläche gehört schon einer Familie ; es lag dort vielleicht ein längst weg-

gerissenes Stück Ackerland, für das diese jahraus, jahrein noch Steuer bezahlt, in der zähen Hoffnung, der Fluß könnte sich doch vielleicht noch einmal irgendwo anders einen Weg suchen. So geht es hinaus: Vater, Sohn und oft auch der Enkel. Wieder, wie so viele Jahre schon, sieben sie die oberste, vom letzten Hochwasser angereicherte Decke des Sandes und Kieses nach Gold durch. Bei allem Fleiß und aller Geschicklichkeit an dem großen Riffelbrett kann, wenn es gut geht, pro Tag etwa vierzig Pfennig Gewinn herauskommen. Und viele, viele Tausende arbeiten ununterbrochen und monatelang. Hier wird Gold gewaschen und daneben angeschwemmtes Stroh und Reisig zum Brennen gesammelt. Das bringt ebensoviel ein, ja oft ist dies Reisigsieben ein regelmäßigerer und sichererer Gewinn als das Goldwaschen.

Als ich nach Lao ho kou kam und noch abends durch die engen, schlecht-gepflasterten Straßen stolperte, sah ich eine große Veränderung gegen das Jahr vorher, als ich mit dem Ehepaar Filchner hier gewesen war. Die modernsten chinesischen Reformen waren zu bemerken. Es gab Straßenlaternen! Auf niederen Holzpfählen, keine zwei Meter über dem Boden, waren Kästchen mit Papier- und in der Hauptstraße sogar mit kleinen Glasscheiben. Darinnen brannte ein kleines Öllämpchen, ein Ding so ungefähr, wie es die alten Römer vor zwei Jahrtausenden im Gebrauch hatten. Dazu war ein neuer Polizeidienst eingeführt worden. Die Kaufleute murrten allerdings sehr über diese übertriebenen ausländischen Neuerungen, denn die Kosten dafür wurden durch eine neue Ladensteuer gedeckt, an der nach ihrer Meinung der Mandarin noch ein hübsches Sümmchen verdiente.

Das Tagesgespräch in Lao ho kou bildete damals eine Tigerjagd, die es wenige Tage vor meiner Ankunft in der Stadt gegeben hatte. Ein Tiger, nein, d e r Tiger von Hu pe -- denn jede Provinz hat nach ortsüblicher Ansicht von diesem heiligen Tiere nur ein einziges Exemplar — hatte sich in eine der Vorstädte verirrt, war in ein Haus eingedrungen und hatte sich dort verkrochen. Die ältesten Leute hatten diesmal sicher so etwas noch nie gehört. Erst wußte niemand, was man tun solle. Wer ein Gewehr hatte, wollte es nicht auf sein Gewissen nehmen, den Tiger zu erschießen, auch zeigte er lieber vorsichtshalber

 

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