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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0380 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 380 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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1904 am Gungga nor kennen gelernt, als ich Yakochsen kaufte und schlief damals eine Nacht in seinem Zelt. Als unser Handel am Morgen des zweiten Tages abgeschlossen war, brachte ein junger Mann einen großen Krug Gerstenschnaps und lud alle Anwesenden zum Trinken ein. Es war aber ein heißer Tag und so sprachen die Tibeter dem Getränk viel zu rasch zu. Im Handumdrehen hatten sich die Männer samt dem Häuptling derartig betrunken, daß alle Bande der Vernunft gelockert waren, daß sie die Schwerter zogen und aufeinander losschlugen, und auch ich und meine zwei Begleiter in Gefahr gerieten, von den Wüstlingen totgeschlagen zu werden. Man wird verstehen, daß es mich nach diesem Abenteuer nicht sehr gelüstete, die Bekanntschaft des Häuptlings zu erneuern. Die linksufrigen Tschebts` a sind im übrigen um kein Haar besser als ihre Vettern rechts vom Hoang ho. Sie sind die gleichen Spitzbuben, rauben und morden ebensoviel wie die von drüben.

Für den Tschebts` a- Stamm bildet der versumpfte Huyuyung tschü, sowie der Si ni ts`o und Gungga nor die Lebensfrage. Und deshalb stand das weiße Zelt am See. Die Priester des Stammes, 25 Lama, waren darin versammelt und lasen ihre Gebete. Der Wassergott des Si ni ts`o, ein — wie ich mir versichern ließ — ganz besonders heiliger und gewaltiger Herr, wurde von den Priestern mit vereinten Kräften beschworen, sich dem Stamme gnädig zu erweisen, Krankheiten fern zu halten und das Vieh fett und fruchtbar zu machen. Unter Trommelschlag und Glockenklang surrten hierzu die Litaneien von den Lippen der Lama.

2. Mai. Wir bleiben noch einen weiteren Tag im Lager am Si ni ts`o; die Tiere sollen sich so viel wie möglich erholen. Den Yak sind zum erstenmal seit Schara khoto die Sättel abgenommen worden. Sie finden auf den Hängen am See noch viel Gras und wühlen grunzend im Sande.

Wir bekamen heute von den Tschebts`a den Gegenbesuch. Ich lag gerade lesend in meinem Zelt, als die Hunde anschlugen und die Gäste anmeldeten. Wenige Augenblicke später sprengten zwei Reiter ins Lager, dicht auf ihren Fersen meine Meute, die bereits einem der Pferde die Hacken blutig gebissen hatte. Die meisten Hunde hatten das Maul voll von den Schwanzhaaren, die sie den Pferden in ihrer blinden Wut herausgerissen hatten.

„Ja arro !"

„Arro ! Steigt ab !" Tschang und Tsch`eng machten die Honneurs, halfen liebenswürdig und gewandt den Gästen von den Pferden, nahmen sie schnell in ihre Mitte, um sie vor den Angriffen der Hunde zu schützen und geleiteten sie nach dem großen Mannschaftszelt, das dicht neben dem meinigen stand, so daß ich durch die dünnen Baumwollstoffwände jedes Wort hören konnte.

„Ihr trinkt Tee mit uns !" begrüßten meine Chinesen die zwei Männer.

„Wir trinken Tee," erwiderten sie in singendem Ton.

„Was seid ihr für Leute?"

„Wir sind von den Zelten hier, aber wer seid ihr?"

„Wir sind Dia ner (Chinesen), die nach K`am und Dergi (in Mitteltibet) gehen. Ihr seht die vielen Repetiergewehre. Wir sind Soldaten der Regierung und haben einen Munitionstransport für unsere Garnison in IV am. Es ist Krieg dort ausgebrochen und unsere Regierung hilft dem König von Nan tsien gegen die Leute des Dalai Lama."

Ich glaubte meinen Ohren nicht mehr trauen zu dürfen, als ich dieses Lügengewebe so sicher und aalglatt von Tschangs Lippen fließen hörte.

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