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0274 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 274 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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r

habe ich aber schon die schönsten Stunden verlebt. Es herrscht dort eine wunder-

bare Ruhe und ein Friede, der scharf kontrastiert zu dem wilden Leben im

offenen Lande draußen.

In Tibet nimmt das Kloster heute eine Stellung ein wie die entsprechende

Einrichtung bei uns im frühesten Mittelalter. In Tibet sind es heute noch in

erster Linie die Mönche, welche mit mehr oder minder Verständnis des In-

haltes — wie auch einst bei uns im Mittelalter — lesen und schreiben können.

Sie stellen die Kulturträger des Landes vor. In den Klöstern werden die vielen

tibetischen heiligen Schriften, der Kandyur und Tandyur ') und andere Bücher

teils gedruckt, teils abgeschrieben und mit kunstvollen Buchstaben verziert;

es werden Miniaturmalereien in Büchern angefertigt und die verschiedenartigsten

Tempelfahnen gemalt.

Unter den Klosterbrüdern findet man Maler, Bildhauer, Buchdrucker,

Spezialisten für Theatermasken und die vielen Götterbilder, und für alle die

zahllosen Tempelgeräte auch Schmiede, Schreiner, Vergolder, Grundbesitzer,

Kaufleute und anderes mehr, denn das Kloster gibt dem einzelnen gerade nur

so viel, daß er nicht verhungert. Will er sich etwas besser kleiden und besser

leben, so ist er auf privaten Nebenverdienst angewiesen 2). Alle arbeiten ruhig

für sich und im Innern ihrer Häuschen. Es ist darum bei einem flüchtigen

Besuche nicht leicht, ein richtiges Bild von der Tätigkeit und dem Leben in

einem tibetischen Kloster zu erhalten. Wenn wir allerdings das, was wir in

den Klöstern zu sehen bekommen, mit unseren neuzeitlichen Einrichtungen

vergleichen wollen, dann erscheint Tibet roh und barbarisch. Ich hatte aber

dort immer das Gefühl, als wäre ich in die graue Vorzeit der Heimat zurück-

versetzt, als lebte ich mit einem Male etwa in der Zeit kurz nach der Völker-

wanderung oder in Attilas Tagen. Auf den, der in solche vergangene Zeiten zu

sehen liebt, übt die Ursprünglichkeit einen bezaubernden Reiz aus. Ich lebte

in der alten Zeit und sah zugleich als Traumbild in der Ferne all das Hasten

und Erfinden in unserem modernen Europa, als wäre es erst eine Zukunft.

Das Kloster Gum bum hat, wie noch viele andere Klöster, keinerlei Um-

fassungsmauer. Ohne bestimmte Ordnung, dem Gelände angepaßt, stehen seine

Gebäude und sind so zahlreich, daß sie das Tälchen ausfüllen. Wie bei den

meisten tibetischen Klöstern ist auch in Gum bum gomba die Regel befolgt

worden, daß der gegen Osten gerichtete Talhang von den Tempelgebäuden und

Heiligtümern bedeckt wird. An den gegen Westen und Nordwesten abdachenden

Talseiten befinden sich dagegen nur Einzelhöfe, Wohnungen, die Lamapriestern

und reichen Buddhainkarnationen gehören. Krumme Wege und Straßen führen

zwischen diesen vielen Gebäuden. Gum bum ist wie eine kleine Stadt. Es ist

in Quartiere geteilt, damit man sich zurechtfinden kann. Und doch ist es

schwer, einen bestimmten Mönch im Kloster ausfindig zu machen, denn deren

Zahl ist an die 4000 oder, wenn man den tibetischen Angaben Glauben bei-

s

  1. Kandyur (geschr.: bKah hgyur , in Osttibet ausgespr.: bGandyir) ist die hundertachtbändige heilige Schrift der Tibeter, welche die Vorschriften und Lehren Buddhas enthält. Sie stellt zum größten Teil Übersetzungen aus dem Sanskrit vor. Tandyur (bsTan hgyur) ist die zweite große Sammlung buddhistischer Werke und Lehren, die teilweise einen Kommentar zum Kandyur bildet und im ganzen 360 Bände hat. Beide Buchsammlungen gelten bei den Lamas für nicht ganz vollendet.

  2. Die Mönche dürfen aber nicht Schlächter und Gerber sein.

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