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0341 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 341 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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1OE

1.;

Der Krieg hat im Anfang ziemlich viel Blut gekostet. Kurz nach der Er-

mordung des Lama fiel eine chinesische Soldatenabteilung, die von Hsi ning fu

über den Lao ye schan nach Kue de marschierte, in einen Hinterhalt und verlor

dreißig Tote. Zu einer großen Schlacht freilich ist es nie gekommen. Den Aus-

gang des Krieges, daß die Kanonen von Lan tschou geholt wurden und daß

schließlich die Tibeter wenige Monate vor meinem Besuch ohne größeres Blut-

vergießen von den chinesischen Unterhändlern niederdebattiert wurden, habe

ich in einem früheren Kapitel schon kurz erwähnt.

Man verfuhr in diesem Krieg, wie man es in China seit Jahrtausenden ge-

macht hatte. Man zog von Lan tschou fu aus ohne irgend einen Plan in den

Krieg und suchte unter Vermeidung eines offenen Kampfes durch endlose Ver-

handlungen, durch Befehle und Gegenbefehle vom weit entfernten Thron,

lediglich durch die Anwesenheit eines Heerkörpers nach irgend einer Lösung

der Schwierigkeit.

Der gute, tatkräftige Ting aber wurde natürlich sofort abberufen, verlor

sein Amt und auch seine Würden, weil er nicht den ganzen Krieg zahlen konnte.

Ich sah den jungen, frischen und intelligenten Mann nach einigen Jahren noch

in Lan tschou immer geduldig, aber nicht sehr hoffnungsvoll wartend, daß er

den langen Zivilprozeß gegen seine Vorgesetzten gewinnen werde. Wenn Ru da-

lao ye aber wieder einen Posten kriegen sollte, hilft er sicher nicht ein zweites

Mal dem unterdrückten Volke ! Was für mich das Typische bei der ganzen

Sache war, in Kue de sprachen Ladenbesitzer, mein Wirt und viele Bauern mit

den höchsten Lobeserhebungen von dem Ting Ru als ihrem Retter, aber keiner

rührte für den Entehrten eine Hand. Wenn man in Altchina nicht sehr viel

Geld hatte, durfte man nicht tatkräftig sein. Man mußte streng auf das „Wu-

wei" achten, d. h. sich nicht rührig zeigen und mußte die Dinge an sich heran-

treten lassen.

Der augenblickliche Ting von Kue de entpuppte sich als ein großer und

sehr gebildeter Literat und Archäolog. Er hatte viel Sinn für die ältesten

chinesischen Schriftzeichen. Sein Rang war nicht gekauft. In den sechziger

Jahren schon hatte er sein Staatsexamen mit Glanz gemacht und auch später

noch war er für seine klassischen Gedichte und die Zahl seiner klassischen Zitate

bekannt geworden, so daß es eigentlich wundernimmt, daß er keine höheren

Staatsexamen machte und kein höheres Amt erlangt hat. Es war eben auch

kein Sohn reicher Eltern.

Eine Stunde nach meiner Visite im Ya men sprach der Ting in meinem

Gasthaus vor. Er brachte mir als Geschenk ein über quadratmetergroßes, von

ihm selbst verfaßtes und von seiner Hand geschriebenes Gedicht mit, das sogar

teilweise in altchinesischen Zeichen die Gefahren des Ts`ao ti, also Tibets, in

den denkbar schwärzesten Farben schilderte. Kein Entrinnen weissagte er

mir, sollte ich es wagen, dort einzudringen. Es wollte mir fast so vorkommen,

daß mir der Amban nur geraten hatte, nach Kue de zu gehen, um noch diesen

Mann zu sprechen. Lasciate ogni speranza, voi ch`entrate", klang wieder und

wieder der Refrain, als hätte der alte Mandarin mit seinen hageren, vom Opium

gebräunten Fingern in Dantes Göttlicher Komödie geblättert und der auf alles

Fremde hochmütig herabsehende Chinese dem großen Dichter seine grausigsten

Stellen gestohlen.

Länger als zwei Stunden studierten wir gemeinsam und mit Hilfe seiner

 

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