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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0422 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 422 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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die Tiere, die wir unten vom Lager aus gesichtet hatten, in 2 km Entfernung als schwarze Masse auf einem Schneefeld zusammengedrängt. Nun koppelten wir die Pferde und zogen auf Schusters Rappen weiter. Die Schläfen pochten trotz unseres langsamen Tempos, bald wateten wir in Schlamm und Sumpf, bald stiegen wir über die runden Granitblöcke der alten Moräne, die aus einem ungeheuren Felszirkus weiter im Osten sich herauszog. Im Jagdeifer glaubten wir oft schon ganz nahe zu sein, zu oft hielten wir dunkle Granitblöcke für Wildyak. Da endlich schimmerte durch die Steine eine pechschwarze Haardecke. Weiter geht es nun auf dem Bauch. Zu der Anstrengung des Kriechens gesellte sich ein rasender Nordsturm, der uns seine scharfen Hagel- und Schneekörner ins Gesicht peitschte, uns den spärlichen Atem raubte und die Augen mit Tränen füllte. Wir waren nun auf 500 m herangekommen. Jegliche Deckung hörte hier auf. Ein Bulle windete uns, lange ehe er uns schußgerecht wurde. Blitzschnell kam Bewegung in die schwere Masse und mit einem ungeheuren, dumpfdröhnenden Rauschen stürmte die Herde — an die 400 Stück — den Hang hinab. Unter ihren Hufen löste sich eine Mure los, Felsblöcke und Schlammmassen begannen talab zu gleiten. Die Tête geriet darob ins Stocken, die hinteren Stücke aber drängten weiter. Der zappelnde Haufen bot ein gar leichtes Ziel. „Tscho pä i ts` ien mi da!" (Visier 1000) rief ich meinem Begleiter zu. „Hang!" (Schieß !) Ich selbst gab mit diesem Visier drei Schüsse ab und nach jedem Schuß blieb ein Tier hinter der sich vorwärtswälzenden Masse zurück. Es war ein wahres Glück, daß mein Dungane neben mir im Jagdeifer trotz der angesagten Distanz mit Standvisier schoß ; es wäre ein zu grauses Morden geworden.

So schnell wir konnten, gingen wir auf die wundgeschossenen Tiere zu und doch verging fast eine Viertelstunde, bis wir sie erreicht hatten. Ein mächtiger Bulle stürmte nun aus der Herde heraus und auf uns los. Doch ehe wir ihn zu fürchten hatten, besann er sich eines Besseren und rannte den anderen nach. Zwei Tiere waren stark angeschweißt. Auf diese stürzten sich meine Dunganen. Es war die höchste Zeit zum Schächten, sollte das Fleisch für einen Mohammedaner noch koscher sein ; nur noch wenig und dunkles Blut floß aus den durchschnittenen Kehlen. Ich selbst machte mich auf die Suche nach dem dritten krankgeschossenen Stück , das der Herde nachzueilen trachtete , die sich bereits wieder beruhigt hatte und in gemächlich schleppfüßigem Rinderschritt dem Eingang des alten Gletscherzirkus zusteuerte. Endlich kommt mir mein Stück schußgerecht und es gelingt mir, es so zu treffen, das auch dieses noch die Mohammedaner nach Westen drehen und schächten können. Auf meinen neuen Schuß hin stürzt die ganze schwarze Herde über die mächtigen spaltenreichen Granitblöcke eines Kares. Ein furchtbares Bild entrollt sich. Hier fällt ein Tier und sucht zappelnd, geängstigt aus der Spalte zwischen den Blöcken herauszukommen, dort versinkt spurlos ein Kalb. Und dazu bricht in toller, tibetischer Wucht ein gewaltiges Gewitter mit Blitz und Donner und Graupeln los, unendlich mächtiger als meine Büchse zwischen den Felswänden dröhnend. Schauerlich vermischt sich mit dem Schlag auf Schlag erfolgenden Donner das klagende Gebrüll der nach ihren Kälbern suchenden Kühe. Mir, der ich all den Jammer verursacht hatte, fielen Schillers Worte des Berggeistes ein:

„Raum für alle hat die Erde — Was verfolgst du meine Herde?"

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