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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0200 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 200 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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Bei dem Festessen selber war noch ein Japaner anwesend, der sich für einen Offizier ausgab und der sich auf der Rückreise von Turkistan befand. Er erschien in europäischer Kleidung, seine in der Mitte halblangen, außen und vorn aber rasierten Kopfhaare zeigten jedoch deutlich, daß er es für gewöhnlich vorzog, inkognito als Chinese oder Mongole aufzutreten und einen Zopf zu tragen, denn seine stehengelassenen Haare waren gerade so lang, daß man einen solchen noch anbinden konnte. Er war, wie er uns wiederholt versicherte, auf einer rein wissenschaftlichen Reise und nur ausgezogen, um das „Se bu siang", das „Vier-nicht-gleich"1) zu suchen, das seiner Ansicht nach in den Bergen an der r u s s i s c h en Grenze noch vorkommen sollte. Er habe es nur wegen der kriegerischen Verwicklungen seines Landes mit Rußland nicht bekommen

können!

Wir saßen bei diesem Diner in einem luftigen, halboffenen, aber sehr hübschen Holzpavillon im großen Fan tai-Garten, in dem Seen mit vielen Brücken und Nachen zwischen dichtem Schilf und Bambusgebüsch lagen. Es war nur schade, daß bei meinem Besuche alles Wasser von einer dicken Eiskruste bedeckt war. Wir Fremden waren aber aufs höchste überrascht, solch einen idyllisch ruhigen und schönen Ort inmitten dieser engen, geräuschvollen Stadt zu finden, und ich ließ mir sagen, daß dieser Garten schon vor mehr als hundert Jahren angelegt worden sei. Drei Stunden lang saßen wir darin, in unsere Wintermäntel gehüllt, zu zehn Personen um einen großen, runden Tisch herum und ließen uns zahllose Gerichte servieren. Nur ein paar Minuten stand jedesmal eine Platte auf dem Tisch, sonst wäre sie auch schon eiskalt geworden. Erst fuhr jeder bei einer neuen Platte mit seinen Eßstäbchen, die er sich der Landessitte nach mit den Lippen reingeleckt hatte, in den gemeinsamen Topf in der Mitte des Tisches, stöberte dort wie die anderen nach einem möglichst guten Brocken und brachte diesen mit vielen Komplimenten auf des Nachbars kleines Porzellanlöffelchen und auf das talergroße Silberplättchen, das in China auch bei den feinsten Festschmäusen die Stelle unseres Tellers vertritt. Dabei ließ die eisige Kälte die Finger steif werden und erschwerte die Bewegungen mit den dünnen Eßstäbchen. Es standen zwar zwei offene Kohlenpfannen neben dem Tische, über denen man sich die Hände warm reiben konnte, aber bald zogen Chinesen und Europäer die Hände scheu in die Pelzärmel der Winterkleider zurück und selbst die besten Esser ließen die Speisen nur noch Revue passieren, meist hatten diese auch nur noch eine gute Oberfläche und bestanden darunter aus einer weniger wohlschmeckenden Füllung, einer dicken rohen Rübe und dergleichen. Die Unterhaltung und das Trinken wurden gegen den Schluß zur Hauptsache und j eder wartete wie immer

bei solchen Essen nur noch auf den Reis. Ein chinesisches Diner besteht ja sozusagen nur aus zahllosen Vorspeisen. Das eigentliche Essen bildet auch beim größten Feste, auch wenn drei Stunden lang serviert wird, der gedämpfte Reis, der ganz zum Schluß geboten wird, von dem jedem Gaste ein paar Schüsseln gereicht werden und nach dem man sich sogleich nach Hause zurückbegibt.

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1) Elaphurus Davidianus, chines. Se bu siang, wurde zuerst von Armand David im Kaiserlichen Jagdpark bei Peking entdeckt. Das eigentümliche, hirschartige Tier hat seinen Namen „Vier-nicht-gleich" von den Chinesen bekommen, weil es das Geweih des Hirsches, die FüBe des Rindes, den Schweif des Esels und die Behaarung des Maultieres habe. Die Art gilt heute für ausgestorben. Der Jagdpark, in dem es vorkam, existiert als solcher seit 1900 nicht mehr.

   
   

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