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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0323 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 323 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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Dagegen war viel chinesisches Kuligeschwätz bis zu ihren Ohren durchgedrungen. Sie wußten ganz genau und bestimmt, daß unsere Arzneien aus Menschenherzen und Kleinkinderknochen hergestellt seien. Um einige ihrer Sagen und Lieder zu bekommen, brauchte es tagelanges Zureden und viel Bakschisch, und die allergrößte Mühe hatte ich, einige der Männer zu bewegen, daß sie anthropologische Messungen an sich vornehmen und Photographien von sich machen ließen. Es war besonders schwierig, da die Tu ren zumeist gutsituierte und intelligente Bauern sind und es in den vorausgegangenen Jahren immer gute Ernten gegeben hatte. „Wozu du dies haben willst," sagten die Leute, „verstehen wir nicht, ein solcher Vorschlag ist noch nie zuvor gemacht worden und dein Geld und deine Geschenke haben wir nicht nötig." Die wenigen Männer, die ich messen konnte, waren äußerst ängstlich und zuckten bei jeder einzelnen Messung zusammen. Mehr als ein Dutzend lief nach der ersten Berührung mit dem Meßinstrument in größter Aufregung, als gälte es das Leben, auf und davon. Tu ren-Frauen zu messen, blieb für mich ein frommer Wunsch. (Ihre Größe hielt sich immer um 1,5 m). Sie fürchteten alle, dadurch unfruchtbar fürs Leben zu werden. In einigen Jahren , wenn der Europäer bei ihnen besser bekannt sein wird, mag es ein leichtes sein, was mir nicht gelungen ist, nachzuholen.

Man hört oft die Behauptung, die mongoloiden Völker und insbesondere die Bewohner Chinas seien viel ruhiger, stoischer, beherrschter als wir Europäer. Ich habe gerade das Gegenteil gefunden. Die Chinesen geraten sehr leicht in unbändige Zornausbrüche, während deren sie zu allem fähig sind. Bekannt ist ja auch, daß unverhältnismäßig wenige Chinesen gewissen Versuchungen widerstehen können, daß sie leicht zu Mißbrauch von Reizmitteln zu verleiten sind. Ungezählte Millionen Chinesen waren dem Opiumgenuß verfallen, und jedem Chinabesucher, auch dem, der nur ein paar Küstenplätze besucht hat, fällt auf, daß erstaunlich viel Hasardspiel getrieben wird. Allerorten gibt es zahllose berufsmäßige Hasardspieler und in den meisten Städten finden sich besondere Plätze, wo sich die Spieler treffen. In Wei yüan bu war hierzu ein großer freier Garten vorgesehen. Dieser wurde vor allem von zahllosen Chinesen aus Hsi ning fu und von Mohammedanern aus der Umgegend aufgesucht. Fast ständig waren mehr als hundert Spielergruppen darin zu zählen. Im Kreise hockten sie auf ihren Hacken am Boden, knieten oder saßen mit untergeschlagenen Beinen da. Es wurde „go pai" gespielt, das zwischen unseren Karten und unserem Domino steht und bei dem im Spiel selber gewettet wird. Unter anderem wurde auch ein unserem „Kopf oder Wappen" entsprechendes Geldspiel sehr häufig getrieben.

Der Umsatz war, zumal wenn man den dortigen Wert des Geldes in Rechnung zieht, ein ungeheurer. Mancher Bauer und Lohnarbeiter, der mit seinem ganzen Jahresgewinn in der Tasche den Festplatz betrat, hat ihn als Bettler wieder verlassen, nachdem er noch seine Festkleider verspielt. Was Wunder, daß es da heiße Köpfe und vor Aufregung zitternde Hände gab.

Als ich an einem der ersten Tage den Spielplatz besuchte, hatte eben ein Mohammedaner, der den Sommer zuvor weit in Tibet drinnen den gefährlichen Beruf eines Goldwäschers betrieben hatte, seinen ganzen Gewinn im Betrag von 40 Tael verloren. Kaum war sein Geld alle, so fing er an, lästerlich zu schimpfen. Anfänglich hatten seine Worte noch Sinn, bald aber hatte er sich

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