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『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

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0342 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 342 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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Sekretäre und meines Lexikons das komplizierte Gedicht mit allen seinen Finessen. Der alte Herr war dabei ordentlich ins Feuer gekommen, schnalzte und schmatzte vor Entzücken, wenn Zitate vorgelesen wurden, die ihm besonders geistreich und gelungen schienen. Es tat mir aufrichtig leid, daß ich ihm nach all der aufgewendeten Mühe erklären mußte, jetzt ziehe es mich erst recht mit aller Gewalt nach Tibet hinein; denn wer diese tausendfachen Gefahren bestehe, sei sicher ein ganzer Mann und ein Held. „Als Deutscher habe ich nun sogar die Pflicht, hineinzugehen," verkündigte ich. Der Ting vergoß auf meine Worte hin Tränen, so traurig zeigte er sich über den mißglückten Versuch. Er erbot sich, mich, seinen Freund, der doch für seine Dichtung so großes Verständnis zeigte, mit seiner ganzen Besatzung ins Innere zu begleiten. Dabei hatte er natürlich noch nie eine Reise in seinen Bezirk gemacht. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie groß sein Land war, wie viele Stämme es beherbergte und wie viele Klöster darin lagen. Für die allereinfachsten Fragen hatte er sich an seine Sekretäre zu wenden.

Nach einer kleinen Pause besann sich plötzlich der Ting wieder eines anderen, er wollte jetzt, ich solle ihm ein Schreiben geben, daß er mich gewarnt habe und daß ihn keine Verantwortung treffe, wenn ich umkomme. Ich versprach, dies zu tun, wenn man mir eine Eskorte gebe, die ich selbstverständlich bezahlen wollte, und wenn diese ihr möglichstes tue, mich zu schützen. Der Ting meinte hierauf, er hätte keine zuverlässigen Leute, er hätte überhaupt keine Soldaten. Jetzt gab ich die Komödie auf. Ich bat ihn, Tee zu trinken! Höflich lächelnd hoben wir die Teeschalen, uns gegenseitig zutrinkend schlürften wir mit viel Geräusch ein paar Züge und verabschiedeten uns unter endlosen Bücklingen mit „Ko tou !" — „Ko tou !"

Die Sonne war am Tage darauf noch nicht aufgegangen, da ritt ich mit zwei in Kue de neu engagierten Dienern zum Tore hinaus. In Kue de selbst gibt es keine Yakochsen zu kaufen. In der nächsten Umgebung der Stadt wächst kein Gras; was fruchtbar ist und von Kanälen aus berieselt werden kann, wird als Acker ausgenützt. Da meine besten Leute teils am Lao ye schan und in I ts`a sehe drüben über dem Hoang ho beim Kern meiner Karawane geblieben waren, teils noch am Kuku nor beim Yakkauf sich befanden, so zog ich selber mit hinaus, um meine Karawane vollzählig zu machen.

Wir waren alle drei gut beritten und hatten noch ein kleines lebhaftes Maultier mit, das ein paar Decken, einen Teekessel, einen Blasebalg, etwas Tsambamehl und Reis und vor allem Erbsen als Futter für die Pferde zu tragen hatte. Der eine meiner zwei Begleiter sprach nur Tibetisch. Er hatte sich aber den Chinesennamen Me zugelegt. Im Tibetischen hieß er Tschaschi. Er war früher viele Jahre lang Lama gewesen, hatte aber dann das Eheleben mit einem streitsüchtigen Weibe der klösterlichen Beschaulichkeit vorgezogen. Den Rest der Summe von 80 Tael, die er für seine Untreue dem Kloster als Entschädigung oder Strafe — wie man dies nennen mag — zu bezahlen hatte, hoffte er in meinen Diensten sich zu ersparen. Der zweite hieß Tsch`eng. Er war aus Dankar gebürtig, sein Vater war Vollblutchinese, seine Mutter Tibeterin. Er war Schuster seines Zeichens und von Jugend auf erst als Lehrjunge, dann als selbständiger Meister kreuz und quer bei den tibetischen Nomaden herumgekommen und zwar auf einem Umkreis wie Basel, Berlin und Wien. Jetzt war er, ein guter Dreißiger, verlobt und gedachte den Rest des Kaufpreises, den er

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