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0345 Meine Tibetreise : vol.1
私のチベット旅行 : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / 345 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000264
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Gesänge in die Nacht hinaus, Liebeslieder und Erinnerungen an die Kämpfe

zwischen Tibetern und Mongolen.

Es war eine kalte Frühlingsnacht. Man drängte sich gerne eng um den

Herd und um einen von einem kleinen Lehmwällchen eingefaßten Fleck auf der

Erde, auf dem glühender Schafdung ausgebreitet wurde, um die Wärme mög-

lichst vielen von uns zugut kommen zu lassen. Die Tibeter hockten mit nacktem

Oberkörper herum, sie hatten ihren Pelzrock, ihr einziges Gewand, von den

Schultern gleiten lassen, urn so recht intensiv die Glut auf ihre Haut wirken

zu lassen. Auf der Seite des Feuers war es mollig, den Rücken aber erkältete

uns ein steifer Steppenwind, der durch die groben Maschen des schwarzen Yak-

haarzeltes beinahe ungehindert hindurchpfiff. Langsam wogten die Zeltwände

auf und ab. Auf dem Boden lagen ringsumher Pferde- und Ochsensättel, Leder-

säcke und Pelze. Dort im Zelthintergrund hingen verrußte Gebetwimpel und

schmierige Haare von Herdentieren. Man will dadurch den Schutz der Götter

auch für die Tiere herabflehen. In dieser Umgebung die dünnen Glieder der

halbnacktere, tiefgebräunten Männer mit den großen, silbernen Ohrringen im

linken Ohrläppchen, ihren langen, dünnen, schwarzen Mongolenzöpfen, die vielen

großen Amulettbüchsen am Hals, und über dem Herd drüben die stämmigen

Schultern und kräftigen Arme der Nomadenfrauen mit schweren und klappern-

den Rückenbehängen, die mit tassengroßen, massiv silbernen Schalen, mit

faustgroßen Bernsteinstücken und Meermuscheln benäht waren, das wilde Gast-

mahl, bei dem jeder die größten Fleischstücke sich in den Mund schob und das

Allzuviel dicht vor seiner platten Nase mit einem langen Messer abschnitt,

und all dies nur beleuchtet von einem bald bloß düster züngelnden, bald plötz-

lich hell aufflackernden Herdfeuer : dies gab ein Bild, um das mich mancher

Leser beneiden wird. Ich glaubte mich in die Urzeit Deutschlands, in die schlimm-

sten Zeiten der Hunnen- und Mongoleneinfälle zurückversetzt. Kein Wunder,

zitterten unsere Urväter beim Anblick der unwirschen Barbaren, die so plötzlich

auf sie losstürmten. Was für eine starke Hand brauchte es doch, was für lockende

Raubideen, daß solche Kerls zu einem gemeinsamen Zuge vereinigt werden

konnten und die unwiderstehlichen Heeresmassen zusammenkamen, deren Pfeil-

regen unseren Rittern die Sonne ,zu verdunkeln drohte. Es ist ein Glück für die

Welt, daß die Tibeter nur wenige große Herrscher hervorgebracht haben und

daß sie seit mehr denn tausend Jahren politisch völlig zersplittert sind. So-

lange in Tibet ein tibetischer Staat existiert hat, im B. und bis in das 9. Jahr-

hundert hinein, waren die Tibeter die furchtbarste Geißel für die ganze Nachbar-

schaft. Haben sie doch sogar 763 die Residenzstadt Hsi ngan fu überrumpelt und

ausgeplündert. Dank der chinesischen Diplomatie sind jetzt die einzelnen Stämme

getrennt und machen darum wenig Schaden. Ihre Häuptlinge haben heute

nur geringen Einfluß. Sie haben die größte Mühe, die vielen zentrifugalen Kräfte

zusammenzuhalten. Die zunehmende Zersplitterung in winzige Gemeinden

hält immer noch an. Jede Zeltvereinigung lebt in fortwährender Angst und

Kriegsbereitschaft, denkt jederzeit an die Möglichkeit eines räuberischen Über-

falls. Auch mitten in unserem Schmause entstand für einige Augenblicke

wildeste Aufregung, als plötzlich die Hunde — die vier Zelte hatten im ganzen

etwa 15-20 Stück — wütend anschlugen und in die Finsternis hinausstürmten.

Ohne ein Wort zu verlieren, griff jedermann zu den Waffen, die langen Lanzen

wurden vom Zelteingang genommen, einige entzündeten die Lunten ihrer

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